Die kommende Bundesregierung wird die Überführung der CSRD-Richtlinie in deutsches Recht angehen müssen, die bis dahin auf Eis liegt. In der Zwischenzeit hat die Europäische Kommission noch Ende vergangenen Jahres ein Omnibus-Vereinfachungspaket im Rahmen des „Neuen Deals zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ angekündigt. Es sieht vor, ESG-Berichtspflichten im Kontext von CSRD, EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) und EU-Taxonomie-Verordnung zu vereinfachen. Dr. Wolfgang Völl und Kai Wuttke, beide Partner bei Forvis Mazars, erläutern, warum betroffene Unternehmen ihre Vorbereitungen für Nachhaltigkeitserklärungen dennoch unvermindert vorantreiben sollten.
Ursprünglich hätte es für viele große Unternehmen in diesem Jahr ernst werden sollen in Sachen Nachhaltigkeitserklärung. Doch nach dem Bruch der Ampelkoalition im vergangenen November hat es die Bundesregierung nicht geschafft, noch vor dem Jahreswechsel die rechtliche Voraussetzung dafür zu schaffen: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in nationales Recht zu überführen. Im Ergebnis ist damit für die erste Welle an Firmen, die von der CSRD betroffen sind, der regulatorische Druck vorerst genommen. „Damit ist oftmals Verunsicherung entstanden, nachdem sich viele Unternehmen bereits intensiv auf die Offenlegung vorbereitet haben“, macht Kai Wuttke deutlich. Die betroffenen Unternehmen wären nach den ursprünglichen Plänen des Gesetzgebers verpflichtet gewesen, in den Geschäftsberichten für das Jahr 2024 erstmals auch über nichtfinanzielle Informationen zu berichten.
Für ein Zurücklehnen in der deutschen Wirtschaft sieht Dr. Wolfgang Völl, ebenfalls Partner bei Forvis Mazars, jedoch keinen Grund. „Die Sorge, man hätte umsonst investiert, halte ich für unbegründet“, macht er deutlich. „Die Überführung muss vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtslage in der EU kommen. Daher sind Firmenverantwortliche gut beraten, die frei gewordene Zeit zu nutzen, um sich noch besser vorzubereiten.“ Das gilt für große Unternehmen, aber erst recht für mittlere Firmen – also all jene, die in der zweiten Startwelle der Richtlinie vorgesehen sind. „Sollte die Umsetzung in deutsches Recht in diesem Jahr kommen, bleibt abzuwarten, wie mit dem Zeitpunkt der Erstanwendung für mittlere Unternehmen umgegangen wird“, sagt Kai Wuttke und fährt fort: „Eine Anwendung auch rückwirkend zum ersten Januar 2025 ist durchaus realistisch.“
Es fehlt an Ressourcen, um Berichtspflichten zu erfüllen
Viele Unternehmen stünden damit vor einer großen Herausforderung. Nach Beobachtung der beiden Experten mangelt es in vielen Fällen immer noch an den notwendigen organisatorischen und personellen Ressourcen, um das geforderte Nachhaltigkeitsreporting frist- und sachgerecht zu erstellen. „Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen die Zeit nutzen, um geeignete Dienstleister zu finden oder erforderliche Fachkräfte anzuheuern“ empfiehlt Wolfgang Völl. „Weil diese jedoch nur schwer am Markt zu bekommen sind, bietet es sich alternativ an, vorhandene Mitarbeiter*innen entsprechend auszubilden“, zeigt er einen Ausweg auf. „Die Betriebe müssen jedenfalls für die Herausforderungen, die dann wahrscheinlich ab dem kommenden Jahr anstehen, gewappnet sein.“ Das jedoch ist häufig auch aus einem anderen Grund nicht der Fall. „Viele Verantwortliche unterschätzen den Aufwand rund um die nichtfinanzielle Berichterstattung deutlich“, wissen die beiden Berater aus eigener Berufspraxis. Kai Wuttke liefert eine Erklärung dafür: „Ein Faktor dabei ist, dass Firmen, die erstmals eine Nachhaltigkeitserklärung erstellen müssen, nur in Einzelfällen auf sektorspezifische Vorgaben oder Standards zurückgreifen können.“
Expert*innen raten dazu, die gewonnene Zeit für Testläufe zu nutzen
Vor diesem Hintergrund ist es eine sinnvolle Überlegung, dass Firmen noch in diesem Jahr eine Art Testlauf ihres nichtfinanziellen Reportings machen. „Auf diese Weise können sich die beteiligten Personen auf Unternehmens- und Wirtschaftsprüferseite zusammenfinden“, nennt Wolfgang Völl die Vorteile eines solchen Projekts. „Zudem lässt sich abschätzen, ob Erhebungsprozesse funktionieren und die aufbereiteten Informationen vollständig und inhaltlich richtig sind.“
Wirtschaftsprüfer*innen würde in diesem Fall die Rolle als Sparringspartner*innen zufallen. „Es müssen dafür nicht vollumfänglich alle Daten für eine Nachhaltigkeitserklärung erhoben werden. Ein erster Durchlauf könnte sich zunächst auf zwei oder drei Themenfelder der Wesentlichkeitsanalyse beschränken. Das spart Ressourcen und dennoch lassen sich daraus wertvolle Erkenntnisse ziehen“, ist Wolfgang Völl überzeugt. Die Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung sollte vor allem der Aufsichtsrat zum Anlass für ein Review nehmen.
Das Gros der Unternehmen unterschätzt nach Beobachtung der zwei Experten zudem den Nutzen der Wesentlichkeitsanalyse. „Man kann darüber diskutieren, ob es der Gesetzgeber beim Umfang dieses Instruments übertrieben hat. Aber das sollte nicht den Blick dafür verstellen, dass die Analyse der betrieblichen Prozesse und Wertschöpfungsketten grundsätzliche Vorteile auch für andere Bereiche hat, wie etwa das Risikomanagement oder die strategische Unternehmenssteuerung“, hebt Kai Wuttke hervor. Und Wolfgang Völl ergänzt: „Das Ganze sollten Aufsichtsrat, Geschäftsführung und Eigentümer*innen als Chance begreifen, um Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Einheit zu denken. So lassen sich Synergien erkennen und gleich ausprobieren – zum Beispiel, wie sich Reportingprozesse etwa durch den Einsatz von KI automatisieren lassen. Solche Maßnahmen tragen dazu bei, die eigene Transformation voranzutreiben und damit die langfristige Existenz des Betriebs zu sichern.“
Nicht vergessen werden sollte zudem, dass sich auch kleinere Unternehmen, die selbst nicht von der CSRD betroffen sind, darauf einstellen müssen, in ihrer Rolle als Zulieferer von Großunternehmen entsprechende Nachhaltigkeitsinformationen zu erstellen und vorzuhalten. „Wenn sie diese Informationen nicht liefern können, bedeutet dies meist das Aus für die Zusammenarbeit“, stellt Wolfgang Völl nüchtern fest. „Eine ähnliche Entwicklung haben wir bereits beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beobachtet.“ Es bleibt abzuwarten, das gilt vor allem für kleinere Unternehmen, welche Vereinfachungsregelungen mit dem ersten Omnibus-Paket, das für Ende Februar angekündigt ist, kommen werden. Im Fokus dieser ersten Initiative steht der sogenannte Trickle-Down-Effekt. Darunter versteht man im Zusammenhang mit der CSRD, dass in der Praxis kleinere Unternehmen entlang der Lieferkette übermäßigen Berichtspflichten unterworfen werden – was der Gesetzgeber in dieser Form nicht beabsichtigt hat, beziehungsweise hatte. Wolfgang Völl warnt in diesem Zusammenhang davor, das Thema CSRD nur aus binnenwirtschaftlicher Perspektive zu betrachten: „Viele andere Länder wie Frankreich und Italien haben die Richtlinie bereits umgesetzt. Davon sind dann unter Umständen auch deutsche Unternehmen betroffen, wenn sie Tochtergesellschaften in diesen Ländern haben.“
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