CSRD: die Datenflut in den Griff bekommen
Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird es 2025 für viele börsennotierte Unternehmen Ernst in Sachen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zwar ist das deutsche CSRD-Umsetzungsgesetz nicht final verabschiedet, aber eines ist schon jetzt absehbar: Viele Mittelständler haben noch etwas Zeit, von den großen börsennotierten Unternehmen zu lernen. Denn die Pflicht zur Berichterstattung ist gestaffelt geplant: Für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2024 müssen „Firmen von öffentlichem Interesse“ mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen berichten. Für Geschäftsjahre ab dem 1. Januar 2025 sind alle „anderen bilanzrechtlich großen Unternehmen“ und für Geschäftsjahre beginnend mit dem 1. Januar 2026 sind kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen gefordert, sofern sie nicht von der Möglichkeit des Aufschubs bis 2028 Gebrauch machen.
Aufsichtsrat muss laut Aktiengesetz auch bei der Nachhaltigkeit ganz genau hinschauen
Die Richtlinie schreibt zwingend vor, im (Konzern-)Lagebericht eine Nachhaltigkeitserklärung für das derzeit laufende Geschäftsjahr zu veröffentlichen. Die Wirtschaftsprüfer*innen werden diesen neuen Teil des Geschäftsberichts nach den Vorgaben der Richtlinie „mit begrenzter Sicherheit“ prüfen, der sogenannten limited assurance. Der Aufsichtsrat allerdings muss laut Paragraf 171 des Aktiengesetzes die neue Erklärung vollständig prüfen. „De facto ist es ratsam, die Abschlussprüfer*innen auch mit der Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen und vor allem der Erhebungsprozesse zu beauftragen, anstatt eine weitere Partei ins Boot zu holen“, empfiehlt Sebastian Kühn. Er ist Director bei Forvis Mazars in Hamburg und sagt weiter: „So ergeben sich Effizienzen in den Abläufen, und es wandern nicht noch weitere Prüfer*innen durchs Unternehmen.“
Nachhaltigkeitsexperte von Forvis Mazars rechnet mit verdoppeltem Aufwand für Berichte
Eine Reihe von Firmen hat in den vergangenen Jahren bereits freiwillig Nachhaltigkeitsberichte erstellt und häufig separat vom Geschäftsbericht veröffentlicht. Die Erfahrungen und erhobenen Daten daraus lassen sich für sie jedoch in Zukunft nur begrenzt nutzen. Die Richtlinie gibt eng gefasste Standards für die Nachhaltigkeitserklärung vor, die in vielen Fällen zur Herausforderung werden dürften. „Noch gibt es keine Erfahrungswerte. Aber die betroffenen Unternehmen sollten davon ausgehen, dass sich der Aufwand für die Erstellung des Jahresberichts um bis zu 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöhen wird“, prognostiziert Kühn. „Dadurch, dass viel stärker als bisher über zukunftsgerichtete Informationen – also Auswirkungen, Risiken und Chancen – berichtet werden muss, werden auch Fachbereiche und Personen involviert, die bislang wenig oder gar nicht an der Nachhaltigkeitsberichterstattung beteiligt waren.“
„Um Zeit- und Personalressourcen zu schonen, empfiehlt es sich, alle relevanten internen Stakeholder frühzeitig einzubinden“, rät Kühn. „Im Jahr eins der Umsetzung sollte zudem der Fokus auf die Compliance mit den neuen Anforderungen und auf die Berichterstattung der wesentlichen Themen gelegt werden. Das bedeutet: Wichtig ist es, sich frühzeitig mit den Wirtschaftsprüfer*innen auszutauschen, die Wesentlichkeitskriterien eng auszulegen und dadurch möglichst die Zahl der insgesamt 1.100 Datenpunkte in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für sich zu reduzieren. Klar ist aber, dass Firmen über einige Themen wie den Klimaschutz verpflichtend berichten müssen.“
„Nachhaltigkeitserklärung nicht mit immateriellen Informationen aufblähen“
Aus der Erfahrung aktueller Projektumsetzungen weiß Experte Kühn, dass Themen wie Diversität, Gleichstellung und Inklusion bei vielen Unternehmen in der Nachhaltigkeitserklärung häufig außen vor bleiben, weil sie nicht die Wesentlichkeitsschwelle bei Impact oder finanzieller Relevanz überschreiten. Auch das immer bedeutender gewordene Thema Steuertransparenz fällt unter den Tisch, weil es nicht in den ESRS-Standards zu finden ist. „Man sollte die Nachhaltigkeitserklärung daher nicht wie einen klassischen Nachhaltigkeitsbericht durch die Ergänzung immaterieller Informationen aufblähen. Stattdessen machen separate Berichte oder Statements Sinn, die auf der Unternehmens-Website veröffentlicht werden“, empfiehlt Kühn.
Allerdings: Vielen Firmen ist die Kommunikation gerade sozialer Themen aus Imagegründen wichtig. Die Frage ist dann: Lohnt es sich, weitere themenspezifische Berichte, wie etwa einen DEI-Bericht zu „Diversity, Equality and Inclusion“, zu erstellen und als gesondertes Gewerk in den Geschäftsbericht zu integrieren? Oder ist es sinnvoller, diesen Bericht dann getrennt zu veröffentlichen, um die Informationsinteressen spezieller externer Stakeholder zu bedienen? „Das kommt im konkreten Fall auf die Branche an“, lautet Kühns Antwort. Er fährt fort: „Im Automobil- und IT-Hardware-Sektor ist es üblich, themenspezifische Berichte zum Umgang mit dem Bezug von Konfliktmineralien zu erstellen. Hieran haben NGOs und ESG-affine Investoren ein hohes Interesse. Ob dieses Interesse auch für vergleichsweise neuere Themen wie die Diversität gilt, wird man abwarten müssen.“
Grundsätzlich entsteht mit der Veröffentlichung separater DEI-Berichte Aufwand. Daher empfiehlt es sich, darauf zu schauen, inwieweit sich der Bedarf bei den Leser*innen geändert hat. Ein Faktor, den es zudem zu berücksichtigen gilt, ist die Zeit. Der Konzernlagebericht börsennotierter Unternehmen muss Aktionär*innen innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres vorgelegt werden. Viele ESG-Ratingagenturen versenden ihre Fragebögen aber erst im Mai eines jeden Jahres – teilweise mit Fragen, die weder im freiwilligen Nachhaltigkeitsbericht noch in der Nachhaltigkeitserklärung beantwortet werden. „Somit muss hier unternehmensintern eine neue Abfrage gestartet werden, und das Ergebnis sollte nicht nur irgendwo gesammelt, sondern auch öffentlich verfügbar gemacht werden, um den nächsten Informationssuchenden die Arbeit zu erleichtern“, rät Kühn, der mit seinem Team Firmen in der Erhebung valider qualitativer und quantitativer ESG-Daten und der geeigneten Aufbereitung für die entsprechenden Zielgruppen berät. Alternativ könnten betroffene Unternehmen bestimmte Informationen erst im nächsten Berichtszyklus veröffentlichen. „Aber dann besteht die Gefahr, dass einige, für Investoren relevante Nachhaltigkeitsinformationen nicht positiv in die ESG-Bewertung der Agenturen einfließen“, warnt Kühn.
Investor-FAQs für ESG-Themen als gangbare Option
Was also könnte eine Ausweichmöglichkeit sein? Zum Beispiel ESG-Investor-FAQs, aber auch andere Formate, die sich an spezielle Stakeholder richten. So bietet die Deutsche Telekom beispielsweise ein interaktives ESG-Kennzahlentool. Mit dem können sich ESG-Interessierte steuerungsrelevante KPIs von 2020 bis 2023 für den Konzern und seine Tochtergesellschaften anzeigen lassen. Somit können unabhängig vom Geschäftsbericht ESG-themenbezogene Daten des Unternehmens betrachtet und für eigene spezifische ESG-Trendanalysen genutzt werden. „Voraussetzung für ein solches grundsätzlich sinnvolles Tool ist jedoch, dass das Unternehmen einen Erhebungsprozess etabliert hat, mit dem die ESG-Daten valide erstellt und aufbereitet werden“, mahnt Kühn. „Firmen sollten nur ESG-Daten auf einer soliden Basis veröffentlichen, die methodischen Nachfragen durch kritische Stakeholder standhalten.“