Das zum 6. Juli 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) enthält erstmals ausdrücklich das Gebot der Entgeltgleichheit für Frauen und Männer. Unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts sollen im Einklang mit Art. 157 AEUV beseitigt werden. Nun soll die am 6. Juni 2023 in Kraft getretene EU-Entgelttransparenz-Richtlinie für mehr Lohngleichheit sorgen. Die EU-Mitgliedstaaten haben 36 Monate, also noch bis zum Juni 2026, Zeit für die Umsetzung in nationales Recht.
2023 betrug die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen (Gender-Pay-Gap) in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent: Frauen erhielten somit im Durchschnitt einen um 4,46 € niedrigeren Bruttoarbeitslohn als Männer. Diese Differenz hält bereits seit dem Jahr 2020 an. In Ostdeutschland betrug der unbereinigte Gender Pay Gap sieben Prozent im Jahr 2023, während er in Westdeutschland bei 19 Prozent lag.
Die nationalen und europäischen Vorgaben setzen hier an und bezwecken eine rasche Reduzierung des Gender Pay Gaps. Das EntgTranspG tritt dabei neben das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das als weiter gehendes Antidiskriminierungsgesetz vom EntgTranspG unberührt bleibt. Ebenfalls unberührt bleiben sonstige Benachteiligungsverbote und Gebote der Gleichbehandlung.
1. Anwendungsbereich
Das Entgeltgleichheitsgebot ist von allen privaten und öffentlichen Arbeitgebern zu beachten. Weitere Rechtsfolgen greifen erst ab bestimmten Betriebsgrößen. Bislang bestand in Bezug auf Auskunftsansprüche der Beschäftigten, die Durchführung von Prüfverfahren und die Einhaltung spezifischer Berichtspflichten eine Schonung der Kleinbetriebe mit bis zu 200 Beschäftigten. Mit der EU-Richtlinie hat dann jede*r Arbeitnehmer*in einen Auskunftsanspruch unabhängig von der Größe des Unternehmens. Zudem sind Privilegien für tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber geregelt.
Betroffen ist das Entgelt bzw. sind Ansprüche von Beschäftigten. Darunter fallen u. a. gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntTranspG Arbeitnehmer*innen. Nach Auffassung des BAG in der Entscheidung vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 145/19 ist der (weite) europarechtliche Arbeitnehmerbegriff der Gleichbehandlungsrichtlinie RL 2006/54/EG maßgeblich. Danach können auch arbeitnehmerähnliche Personen Beschäftigte sein – im entschiedenen Fall eine freie Mitarbeiterin bei einer Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts.
Entgelt im Sinne des Gesetzes sind das Grundgehalt und alle sonstigen Vergütungen, die unmittelbar oder mittelbar als Geld- oder Sachleistung aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden. Darunter fallen zum Beispiel auch Bonuszahlungen, Dienstwagen oder Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bei Verwendung eines Entgeltsystems muss auch dessen Ausgestaltung insgesamt die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
Die Zahlung gleichen Entgelts gilt nicht nur bei der Ausführung gleicher Arbeit, sondern auch bei gleichwertiger Arbeit. Zur Ermittlung der Gleichwertigkeit wird geprüft, ob inhaltlich verschiedene Tätigkeiten insgesamt gleiche Anforderungen und Belastungen aufweisen. Dabei sind bezogen auf die Tätigkeit unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen zu betrachten.
2. Regelungsinhalte
Entgeltgleichheitsgebot
Nach dem Entgeltgleichheitsgebot in § 7 EntgTranspG darf für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden als bei einem Beschäftigungsverhältnis mit einer Person des jeweils anderen Geschlechts. Das bedeutet umgekehrt, dass bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten ist (Entgeltbenachteiligungsverbot, § 3 EntgTranspG).
Individueller Auskunftsanspruch
In Betrieben oder Dienststellen mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bestand bislang ein Auskunftsanspruch zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots. Gemäß der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz haben alle Beschäftigten unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten eine Auskunftsanspruch. Unternehmen müssen zudem künftig auch Bewerberinnen und Bewerber vor dem Vorstellungsgespräch darüber informieren, in welcher Spanne sich das Einstiegsgehalt bewegt. Dabei ist wichtig, dass das Gehalt auf objektiven sowie geschlechtsneutralen Kriterien basiert. Eine einmal erteilte Auskunft muss grundsätzlich nicht vor Ablauf von zwei Jahren wiederholt werden, allerdings müssen Arbeitgeber gem. der EU-Entgelttransparenz-Richtlinie zur Entgelttransparenz alle Beschäftigten jährlich über ihr Recht auf Auskunft in Kenntnis setzten.
Auskunftsbegehrende haben in zumutbarer Weise die gleiche oder gleichwertige Tätigkeit (Vergleichstätigkeit) zu benennen, wobei sich die Auskunft außer auf das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile zusätzlich beziehen kann. Hier ist nach dem gesetzgeberischen Willen eine Gruppenbildung vergleichbarer Entgeltbestandteile zulässig, zum Beispiel „Zulagen mit Bezug zur Tätigkeit“ und „Zulagen ohne Bezug zur Tätigkeit“ (BAG, Urteil vom 25. Juni 2020 – 8 AZR 145/19).
Die Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers erstreckt sich auf die Angaben zu den Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung sowie auf die Angaben zum Vergleichsentgelt. Das Vergleichsentgelt ist als der auf Vollzeitäquivalente hochgerechnete statistische Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile kalenderjahrbezogen anzugeben (§§ 10 ff. EntgTranspG).
Kommen nicht tarifgebundene oder nicht tarifanwendende Arbeitgeber der Auskunftsverpflichtung nicht nach, tragen sie im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt (Beweislastumkehr). Erteilen sie die Auskunft und erkennen Auskunftsbegehrende darin eine vermeintliche Benachteiligung, könnten sie gegen ihre Arbeitgeber einen Prozess auf diskriminierungsfreie Bezahlung führen. Ein solcher Anspruch besteht zwar aus dem EntgTranspG nicht, jedoch dient der Auskunftsanspruch der Durchsetzung des Entgeltgleichheitsanspruchs, so das BAG in seiner zweiten großen Entscheidung zum EntgTranspG vom 21. Januar 2021 – 8 AZR 488/19. Die – heftige Kritik auslösende – weitere Schlussfolgerung des BAG ist, dass ein geringeres Entgelt als das der Vergleichsperson regelmäßig die vom Arbeitgeber widerlegbare Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts nach § 22 AGG begründet. Um die Vermutung zu widerlegen, hat der Arbeitgeber vorzubringen, dass die unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren zu erklären ist und die Ungleichbehandlung auch tatsächlich ausschließlich auf einem geschlechtsunabhängigen Unterschied beruht. Die Entgeltgleichheitsklage ist auf Nachzahlung gleichheitswidrig vorenthaltener Vergütung im Sinne eines Anspruchs auf Zahlung des höheren Entgelts gerichtet. Das stützt das BAG auf Art. 157 AEUV. Dabei ist jeder einzelne Entgeltbestandteil für sich zu betrachten und keine Gesamtbewertung des gezahlten Entgelts vorzunehmen.
Prüfverfahren
Private Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind „aufgefordert“, mithilfe betrieblicher Prüfverfahren ihre Entgeltregelungen und die verschiedenen gezahlten Entgeltbestandteile sowie deren Anwendung regelmäßig auf die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen. Dieses freiwillige Prüfverfahren besteht aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht. Bei der Durchführung sind die Beteiligungsrechte der betrieblichen Interessenvertretungen zu wahren. Die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens „können betriebsintern veröffentlicht werden“. Diese Regelungen sollen betriebsintern Transparenz schaffen und dienen der Selbstkontrolle privater Arbeitgeber.
Die neue EU-Entgelttransparenz-Richtlinie verschärft das Prüfverfahren. Es besteht danach eine Pflicht zur Einführung von Prüfverfahren gemeinsam mit den Beschäftigtenvertretungen für alle Arbeitgeber mit mindestens 100 Beschäftigten, die eine Entgeltdifferenz von mindestens fünf Prozent des Durchschnittsentgelts nicht objektiv rechtfertigen können.
Berichtspflichten
Nach dem EntgTranspG müssen Arbeitgeber mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach §§ 264, 289 HGB verpflichtet sind, einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen (§§ 21 f. EntgTranspG).
Mit der neuen EU-Entgelttransparenz-Richtline sind auch kleinere Unternehmen verpflichtet, in regelmäßigen Abständen einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltlichkeit zu erstellen. In welchen Abständen dies erfolgen muss, ist von der Anzahl der Beschäftigten abhängig und in der EU- Richtlinie wie folgt geregelt:
- Mehr als 250
- erstmals nach vier Jahren nach Inkrafttreten, danach jährlich
- 150 bis 249
- erstmals nach vier Jahren nach Inkrafttreten, danach alle drei Jahre
- 100 bis 149
- erstmals nach acht Jahren nach Inkrafttreten, danach alle drei Jahre
- Weniger als 100
- gem. der Richtlinie keine Berichtspflicht
Der Bericht enthält
- nach Geschlecht aufgeschlüsselt die durchschnittliche
- Gesamtzahl der Beschäftigten und die
- Zahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie
- Maßnahmen
- zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und deren Wirkungen,
- zur Herstellung von Entgeltgleichheit für Frauen und Männer
- bzw. eine Begründung, weswegen solche Maßnahmen nicht durchgeführt werden
3. Bisherige Auswertung
In dem Bericht der Bundesregierung zur Wirksamkeit des EntgTranspG und der Umsetzung des Entgeltgleichheitsgebots in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigtenvom 10. Juli 2019 wurde das EntgTranspG erstmals evaluiert. Hiernach zeigten befragte Akteur*innen eine grundsätzliche Unterstützung für die Ziele des Gesetzes, was als solide Grundlage für eine zielführende Umsetzung gewertet werden könne. Allerdings ergäben sich zahlreiche Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung. So sei das Gesetz nur wenig bekannt, einen Auskunftsantrag hätten nur zwei Prozent der Beschäftigten eingereicht. Überdies würden unternehmensseitig ein administrativer Mehraufwand sowie punktuelle Unklarheiten als Herausforderungen dargestellt.
Der zweite Evaluationsbericht vom 23. August 2023 erläutert, dass noch immer tradierte Rollenstereotype, strukturelle Hemmnisse, (Fehl-)Anreize sowie eingeschränkte Aufstiegsmöglichkeiten die aktuellen Werte der Entgeltlücke bedingen. Sogar bei gleicher formaler Qualifikation und gleichen Merkmalen verbleibe ein messbarer Entgeltunterschied in Höhe von sieben Prozent. Es wird festgestellt, dass lediglich punktuelle Verbesserungen im Vergleich zum Vorbericht zu verzeichnen sind. Nach wie vor seien das Gesetz und seine Instrumente nicht ausreichend bekannt. Insoweit sollen Informations- und Beratungsangebote des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) überprüft und gezielt über neue Kommunikationskanäle aufgeklärt werden. Auch werde im Rahmen der Weiterentwicklung des Gesetzes die Empfehlung aufgegriffen, bestehende Regelungen eindeutiger und einheitlicher zu formulieren.
Der aktuelle Evaluationsbericht formuliert konkrete Vorschläge, die die Anwendbarkeit des EntgTranspG erleichtern könnten.
- So sollten etwa die Regelungen noch eindeutiger formuliert und dabei der Geltungsbereich des Gesetzes ausgeweitet werden.
- Auch weiterhin sei eine Überprüfung der Privilegierungen tariflicher Regelungen anzuraten.
- Hinsichtlich des freiwilligen betrieblichen Prüfverfahrens sei eine größere Einheitlichkeit wünschenswert.
- Viele Unternehmen kämen zudem trotz bestehender Pflicht der Erstellung eines Berichts zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit gem. § 21 EntgTranspG nicht nach. Bislang gab es im Fall einer Verletzung der Berichtspflicht keine Rechtsfolgen. Dies wird sich mit der EU-Entgelttransparenz-Richtlinie ändern. Künftig soll es u. a. sowohl Entschädigungen für die Mitarbeitenden als auch Sanktionen einschließlich Geldstrafen für die Unternehmen geben, welche jeder Mitgliedstaat spezifisch festlegt. Aus Sicht der Evaluation ist das sinnvoll und begrüßenswert.
Der zweite Bericht konstatiert insgesamt, dass bisherige Instrumente seitens der Gesetzgebung angepasst, die Umsetzung verbessert und weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
4. Ausblick
Die Entgelttransparenz-Richtlinie trat am 6. Juni 2023 in Kraft. Nach der Veröffentlichung haben alle EU-Mitgliedstaaten bis zu 36 Monate Zeit, die Richtlinie umzusetzen und ihre jeweiligen nationalen Gesetze anzupassen. Die Maßnahmen zur Entgelttransparenz gehen teilweise über die derzeitigen Regelungen in Deutschland hinaus. Es bleibt abzuwarten, wann und wie genau die Entgelttransparenz-Richtlinie vom deutschen Gesetzgeber in nationales Gesetz umgesetzt wird. Da der aktuelle Evaluationsbericht die Vorgaben der Richtlinie ausdrücklich begrüßt und das federführende Ministerium erklärt hat, es werde die Empfehlungen des Berichts berücksichtigen, gehen wir davon aus, dass die Umsetzung vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist angestrebt wird.
Arbeitgebern ist zu empfehlen, ihre Vergütungsstrukturen unter Berücksichtigung vorgenannter Kriterien zu überprüfen. Dabei sollte schon jetzt gehandelt werden, um die Zeit bis zur Umsetzung effektiv zu nutzen. So können nicht nur Rechtsverletzungen vermieden, gleichzeitig kann auch die Arbeitgebermarke gestärkt werden. Denn die Betonung einer Unternehmenskultur des „Equal Pay“ zeigt deutlich die Bedeutung gleichberechtigter Teilhabe.
Hier können Sie sich einen schnellen Überblick über mögliche Pflichten verschaffen. Für eine individuelle Beratung kontaktieren Sie uns gerne.