Leitet die neue US-Regierung die fiskalpolitische Wende ein?

Mit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident und seinem designierten Finanzminister Scott Bessent rückt die Frage in den Fokus, welche Agenda die USA in der Steuer- und Handelspolitik verfolgen – und welche Auswirkungen das auf Europa hat.

Gemessen an anderen Personalien hat Donald Trump mit der Wahl von Scott Bessent als Finanzminister vergleichsweise wenig Staub aufgewirbelt. Das Kalkül von Trump ist klar mit dem Mann aus der Finanzwelt: Der frühere Hedgefonds-Manager soll Steuern senken und Zölle einführen – vor allem aber die Finanzmärkte beruhigen, falls die Staatsschulden der größten Volkswirtschaft der Welt aus dem Ruder laufen. „Mit Bessent hat Trump den Mann gefunden, mit dem er seine fiskalpolitische Agenda am besten umsetzen kann“, glaubt Dennis Kellmann, Partner und Fachberater für internationales Steuerrecht bei Forvis Mazars. Die Frage ist jedoch: Wie genau sieht diese Agenda aus? „Im Wahlkampf und auch jetzt in den Wochen nach der Wahl drehte sich bei diesem Thema fast alles um Steuererleichterungen für Privatpersonen, insbesondere für Haushalte mit Durchschnittseinkommen“, stellt Kellmann fest.

Ein fixiertes schriftliches Reformprogramm zum Thema Steuern gibt es nicht

Dagegen ist Trump bei den Unternehmenssteuern ein verbindliches Konzept bislang schuldig geblieben. „Während des Wahlkampfs hat er davon gesprochen, den bereits von 35 auf 21 Prozent reduzierten Satz weiter abzusenken, für inländische Hersteller auf 15 Prozent“, fasst Prof. Dr. Mathias Birnbaum, internationaler Steuerexperte und Partner bei Forvis Mazars, die Aussagen von Trump zusammen. „Die Bonusabschreibung von 100 Prozent für qualifizierte Vermögenswerte könnte unter ihm ein Comeback erleben, möglicherweise beschränkt auf bestimmte Sektoren wie die Landwirtschaft. Ausgaben für Forschung und Entwicklung könnten wieder sofort abzugsfähig werden, anstatt sie erst aktivieren und über fünf beziehungsweise 15 Jahre abschreiben zu müssen. Und Zinsen für Autokredite sollen von der Bundeseinkommensteuer vollständig absetzbar werden.“ Allerdings: In einem Programm schriftlich fixiert ist all das nicht. Ob es daher tatsächlich so kommt, bleibt offen – zumal Trump oft unter Beweis gestellt hat, wie schnell er seine Meinung ändern kann.

Eine erste Positionsbestimmung der neuen US-Regierung in Sachen Fiskalpolitik erwarten die beiden Steuerexperten beim „Tax Cuts and Jobs Act“ (TCJA) – dem wichtigsten Steuergesetz, das Trump während seiner ersten Regierungsphase auf den Weg gebracht hat. „Der Act stellte eine grundlegende Reform des US-Steuerrechts dar, die unter anderem die Körperschafts- und Einkommenssteuersätze senkte, die Steuergutschrift für Kinder verdoppelte, die steuerliche Behandlung von in den USA ansässigen multinationalen Unternehmen änderte und die Freibeträge für die individuelle alternative Mindeststeuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer erhöhte“, erläutert Mathias Birnbaum. Der Knackpunkt daran: Aufgrund einiger Besonderheiten im damaligen Gesetzgebungsverfahren sind viele Bestimmungen des TCJA, die die individuelle Besteuerung betreffen, nur vorübergehend. Sie laufen Ende 2025 aus. „Dies würde für einen Großteil der Bevölkerung – insbesondere bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen – zu einem spürbaren Anstieg der Steuern führen und damit Trumps Pläne für Steuersenkungen konterkarieren“, ergänzt Dennis Kellmann. Daher könnte die Verlängerung dieser Regelungen in den kommenden Monaten auf die Tagesordnung kommen.

Ohne Konzept zur Gegenfinanzierung lassen sich die Reformpläne nicht umsetzen

„In diesem Zusammenhang wird der neue US-Präsident dann aller Wahrscheinlichkeit nach ein Konzept zur Gegenfinanzierung seiner Steuersenkungspläne vorlegen müssen“, sagt Kellmann. Die Kosten für die Verlängerung der auslaufenden TCJA-Bestimmungen betragen nach Schätzungen von Expert*innen schätzungsweise 4,6 Billionen US-Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren. „Zusätzliche Steuersenkungen würden diese Summe erheblich erhöhen“, gibt Birnbaum zu bedenken. Angesichts der im internationalen Vergleich sehr hohen Staatsverschuldung der USA von mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird der neue Mann im Weißen Haus nicht umhinkommen, einen Plan zu präsentieren, wie er an anderer Stelle zusätzliche Einnahmen erschließen will. Steuerexperte Birnbaum: „Jüngst haben die Republikaner im Kongress ein 50-seitiges Ideenpapier möglicher Gegenfinanzierungsmaßnahmen erstellt. Welche Ansätze hiervon aber tatsächlich umgesetzt werden, ist offen.“  

Unklar ist insbesondere, welchen Anteil Handelszölle bei den Gegenfinanzierungsmaßnahmen haben werden. Im Wahlkampf hatte sich Trump dazu nur aus- und abweichend geäußert. Mal hat er davon gesprochen, dass er zehn bis 20 Prozent auf alle Einfuhren in die USA erheben will. Ein anderes Mal davon, gegenüber Kanada und Mexiko Extrazölle von 25 Prozent zu erheben. Und für Importe speziell aus China soll der Aufschlag gar bei 60 Prozent liegen. Zuletzt war dann aber wieder von niedrigeren Sätzen die Rede. Das Papier der Republikaner spricht nun von wieder von einem Zehn-Prozent-Zolltarif auf alle Importe.

Je nach Zoll-Szenario sind 200.000 bis 300.000 Jobs in Deutschland gefährdet

So oder so wären die Folgen auch für die deutsche Volkswirtschaft gravierend. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) rechnet in einer Mitte Januar veröffentlichten Studie damit, dass hierzulande bis zu 300.000 Jobs durch die Einführung höherer US-Handelszölle verloren gehen – und andere Länder beziehungsweise auch die Europäische Union mit Gegenzöllen antworten würden. Bei einem zweiten Szenario, bei dem Trump die Zölle am unteren Rand seiner bisherigen Ankündigungen umsetzt, würden laut IMK in Deutschland immer noch 200.000 Arbeitsplätze wegfallen.

Ob es wirklich dazu kommt, ist offen. Inzwischen weisen immer mehr US-Ökonom*innen darauf hin, dass hohe Zölle der Inflation in den USA wieder Auftrieb verschaffen würden. Die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten indes waren für Trump das Thema, mit dem er im Wahlkampf um die Stimmen großer Bevölkerungsgruppen gekämpft hat. „Höhere Zölle dürfte er letztlich als politisches Druckmittel zum Einsatz bringen – um zum Beispiel den Export von Gas und Öl im bilateralen Handel anzukurbeln“, glaubt Birnbaum. „Wir rechnen eher damit, dass es nur zu spezifischen oder vielleicht symbolischen Erhöhungen der Zölle auf bestimmte Waren kommt. Für die betroffenen Branchen wären die Folgen für die Wirtschaft in Europa dennoch erheblich.“

Ein zusätzlicher Hoffnungsposten ist zudem, dass Trump nicht jedes Gesetz nach Belieben durch den Kongress peitschen kann. Obwohl die Republikaner sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus eine Mehrheit haben, ist es den Demokraten als Minderheit möglich, Gesetzgebungsprozesse durch das Instrument des „Filibuster“ zu verzögern oder gar zu blockieren. Das ist dann der Fall, wenn es keine Mehrheit von drei Fünfteln der Senator*innen (60 Stimmen) gibt, um den Filibuster zu verhindern. Die Republikaner verfügen jedoch nach aktuellem Stand nur über 54 Stimmen.

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