Dringlichkeitsvergaben II: „Covid-19-Verfahrenserleichterungen“

Rundschreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi) zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (vom 19. März 2020)

Im Hinblick auf Dringlichkeitsvergaben weisen wir darauf hin, dass das BMWi bereits im Frühjahr 2020 auf entsprechende Erleichterungen für Vergabeverfahren im Zusammenhang mit der Pandemie bedingten Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung hingewiesen hat.

Erreichen öffentliche Aufträge die EU-Schwellenwerte nach § 106 GWB (zurzeit für klassische Lieferund Dienstleistungen: 139 T€) sei die Beschaffung insbesondere „sehr schnell und verfahrenseffizient“ über das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 119 Abs. 5 GWB i. V. m. §§ 14 Abs. 4, 17 Vergabeverordnung (VgV) möglich. Das Verfahren nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV könne angewandt werden, wenn

  • ein unvorhergesehenes Ereignis vorliegt,
  • äußerst dringliche und zwingende Gründe bestehen, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen, und
  • ein kausaler Zusammenhang zwischen dem unvorhergesehenen Ereignis und der Unmöglichkeit besteht, die Fristen anderer Vergabeverfahren einzuhalten.

Die Bundesregierung hat in ihrem Rundschreiben die Covid-Situation grundsätzlich als ein in dem o. g. Sinne „unvorhergesehenes Ereignis“ erachtet, wobei nicht außer Acht gelassen darf, dass Erleichterungen nur für Beschaffungen gelten, die Leistungen zur „Eindämmung und kurzfristigen Bewältigung der Corona-Epidemie und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung“ zum Gegenstand haben. Im Bereich des Sektorenvergaberechts gelten die Ausführungen entsprechend auf der Grundlage des § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO.

Bei öffentlichen Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte böte sich für eine schnelle und effiziente Beschaffung in Dringlichkeits- und Notfallsituationen die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb nach § 8 Abs. 4 Nr. 9 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) an. Auch insoweit seien sehr kurze Fristen denkbar und es komme grundsätzlich in Betracht, dass nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden dürfe (§ 12 Abs. 3 UVgO). Hierfür müssen indessen Umstände vorliegen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, die Beschaffung müsse besonders dringlich und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzurechnen sein.

Schließlich weist das BMWi auf die Möglichkeit der „Ausweitung bestehender Verträge“ gemäß § 132 Abs. 2 GWB hin, wonach bereits bestehende Verträge im Einvernehmen der Vertragsparteien zu verlängert und wertmäßig ausgeweitet werden können, ohne dass hierfür ein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden müsse. Es seien folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Die Änderung/Ausweitung müsse erforderlich sein aufgrund des Vorliegens von Umständen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten nicht vorhersehen konnte,
  • es dürfe keine Änderung des „Gesamtcharakters des Auftrages“ erfolgen und
  • der Preis dürfe nicht um mehr als 50 % des Wertes des ursprünglichen Auftrags erhöht werden.

Die Vertragsänderungen seien bei Verträgen, die nach dem Oberschwellen-Vergaberecht vergeben worden seien, zu „gegebener Zeit“ im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen (§ 132 Abs. 5 GWB).

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