OLG Karlsruhe: Apothekenplattform – kein Verstoß gegen das Makelverbot, jedoch gegen das Beteiligungsverbot

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat am 13. März 2024 ein Urteil gefällt, wonach das im Apothekengesetz enthaltene sog. Makelverbot (§ 11 Abs. 1a ApoG) es nicht verbietet, dass ein Betreiber eine digitale Plattform bereitstellt, über die Apotheken rezeptpflichtige Arzneimittel verkaufen können und hierfür eine monatliche Grundgebühr zahlen.
Allerdings hat das Gericht festgestellt, dass es nicht erlaubt ist, dass der Betreiber eine Transaktionsgebühr in Höhe von zehn Prozent des Nettoverkaufspreises von den Apotheken für den Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel (sog. OTC-Produkte) über diese Plattform verlangt. Diese Gebühr verstößt gegen das sog. Beteiligungsverbot (§ 8 Satz 2 ApoG).

Problemstellung

Der Betreiber unterhält einen Online-Marktplatz für Apotheken, auf dem apothekenpflichtige, verschreibungspflichtige sowie nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und andere zugelassene Produkte verkauft werden können. Von den teilnehmenden Apotheken wird eine monatliche Grundgebühr von 399 € sowie eine Transaktionsgebühr von zehn Prozent für den Verkauf von OTC-Produkten über die Plattform verlangt.

Entscheidung

1. Grundgebühr ist zulässig:

a. kein Vorteil für das Vermitteln/Weiterleiten = kein Makeln

Das Gericht hat entschieden, dass die Grundgebühr zulässig ist, da sie nicht gegen das apothekenrechtliche Makelverbot (§11 Abs. 1a ApoG) verstoße. Hiernach ist es Dritten verboten, (E-)Rezepte „zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren“. Dritter ist hier der Betreiber der Plattform. Entscheidend war hier die Frage, ob die erhobene Grundgebühr als „Vorteil“ gesehen werden kann. Das Gericht entschied, dass dies nicht der Fall sei, da die Gebühr nicht für ein „Weiterleiten“ oder „Vermitteln“ von elektronischen Verschreibungen versprochen bzw. gewährt werde. Erforderlich sei ein Konnex zwischen dem Vorteil und der Handlung, der bspw. vorliege, wenn die Vertragsbedingungen und insbesondere das Vergütungsmodell so ausgerichtet seien, dass ein Entgelt gerade für einen steuernden Einfluss des Dritten auf den Weg von Rezepten zur Apotheke gezahlt werde. Dies sei hier nicht der Fall. Die monatliche Grundgebühr werde nicht als Vorteil gerade für die hier in Rede stehenden Handlungen versprochen bzw. gewährt. Vielmehr falle die monatliche Grundgebühr unabhängig davon und damit gleichsam „neutral“ an, ob teilnehmende Apotheken verschreibungspflichtige Medikamente überhaupt anbieten bzw. wie viele solcher sie verkaufen.

b. Keine Diskriminierung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Digital-Gesetz (DigiG)

Wichtig ist auch zu erwähnen, dass das Gericht keinen Verstoß gegen das im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltene Diskriminierungsverbot bei der elektronischen Übermittlung und Verarbeitung vertragsärztlicher elektronischer Verordnungen erkannt hat. Nach § 360 Abs. 16 SGB V, der mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) am 26. März 2024 in Kraft getreten ist, dürfen bei der Bereitstellung informationstechnischer Systeme durch Anbieter, mit denen Versicherte elektronische Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen direkt an Apotheken übermitteln können, keine Apotheken oder Gruppen von Apotheken bevorzugt werden. Dabei lasse sich dem Gesetzeswortlaut bereits nicht entnehmen, dass der hiesige Fall erfasst sein solle. Jedenfalls sei in dem Konzept der Klägerin keine Bevorzugung von Apotheken oder Gruppen von Apotheken zu sehen. Eine solche wäre nur anzunehmen, wenn von den teilnehmenden Apotheken einzelne Apotheken oder Gruppen sachwidrig bevorzugt würden, was hier von der Beklagten nicht geltend gemacht worden sei. Zudem lasse sich der Begründung des Gesetzgebers zum DigiG nicht entnehmen, dass sämtliche bundesweit für die Lieferung eines verschreibungspflichtigen Medikaments in Betracht kommenden Apotheken im Gleichrang auf einer Plattform aufzulisten seien. Dies sei auch nicht bei der E-Rezept-App der Gematik gewährleistet.

2. Transaktionsgebühr ist unzulässig: Bereitstellen der Nutzungs- möglichkeit des Marktplatzes = Überlassen eines Vermögenswerts

Im Hinblick auf die Transaktionsgebühr von zehn Prozent beim Verkauf von OTC-Produkten entschied das Gericht, dass diese gegen das apothekenrechtliche Beteiligungsverbot (§ 8 S. 2 ApoG) verstoße. Hiernach sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, unzulässig. Klärungsbedürftig war hier die Frage, ob die Bereitstellung der Nutzungsmöglichkeit des Online-Marktplatzes ein solcher Vermögenswert ist.

Der Begriff des „Vermögenswerts“ umfasse jeden materiellen oder immateriellen Vermögenswert, den der Apotheker wirtschaftlich zum Betrieb seiner Apotheke einsetzen und hierdurch Umsatz bzw. Gewinn erwirtschaften könne. Nicht erforderlich sei die Realisierung die dem überlassenen Vermögenswert ggf. innewohnenden Chance auf weitere Gewinne. Hiernach stellt die Bereitstellung der Nutzungsmöglichkeit der digitalen Infrastruktur für die teilnehmenden Apotheken während der Vertragsdauer – vergleichbar mit gemieteten Geschäftsräumen oder Gegenständen – einen Vermögenswert dar, der den teilnehmenden Apotheken während der Vertragsdauer überlassen wird. Die Nutzungsüberlassung verkörpere bereits als solche einen wirtschaftlichen Wert, da sich die Apotheken eine solche Infrastruktur ansonsten unter Einsatz eigener finanzieller Mittel schaffen müssten.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe geht bzgl. des Makelverbots in die richtige Richtung. Es ist richtig und muss zulässig sein, eine nicht umsatzabhängige Gebühr für die Nutzung der Plattform zu verlangen. Gleichwohl muss bei der Vertragsgestaltung beachtet werden, dass keine Umgehung z. B. durch Preisanpassungsregelungen erfolgt.

Kritisch zu bewerten ist die Rechtsauffassung des OLG, in der Bereitstellung eines Online-Marktplatzes die Überlassung eines Vermögenswertes i.S.d. § 8 S.2 ApoG zu sehen. Zudem ist nach unserer Auffassung die Norm nach deren Sinn und Zweck dahingehend. anzuwenden, dass durch eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr bei OTC-Produkten auf einem Online-Marktplatz die Unabhängigkeit des*der Apothekers*Apothekerin nicht beeinträchtigt ist.

Die Entscheidung bringt neue Aspekte in die Diskussion um wichtige Compliance-Fragestellungen im Apothekenrecht. Die Auseinandersetzungen in dem hochkomplexen und umkämpften Markt des Vertriebs von Arzneimitteln über Online Marktplätze, der durch die Einführung des elektronischen Rezepts viele neue Entwicklungen mit sich bringt, wird weitergehen. Das OLG Karlsruhe hat die Revision zugelassen, sodass mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu rechnen ist. Möglicherweise werden sich auch das Bundesverfassungsgericht und ggf. auch der Europäische Gerichtshof mit einzelnen Fragestellungen befassen.

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