Aktuelle Compliance-Fragen: Zulässigkeit von Umsatzbeteiligungen von Plattformbetreibern bei der Zusammenarbeit mit Apotheken

Betreiber von digitalen Plattformen oder Lieferdiensten vereinbaren häufig für ihre Dienstleistungen mit Partner-Apotheken eine Umsatzbeteiligung in Form von prozentualen Vergütungen, die sich am Wert des Warenkorbs bzw. der Verkaufspreise bemessen oder Festvergütungen pro Einkauf bzw. bezogenem Produkt.

Zudem werden regelmäßig Vergütungen für Transport- oder Botenleistungen oder pauschale monatliche Gebühren für die Teilnahme an der Plattform Gegenstand von Vereinbarungen.

Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) derartige Gestaltungen wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen u. a. gegen DocMorris, Gesund.de und den – inzwischen eingestellten – Lieferdienst Kurando wegen der aus ihrer Sicht vorliegenden Unvereinbarkeit der Beteiligungsmodelle mit dem Apothekenrecht erhoben. Der Ausgang dieser Verfahren ist noch offen. Wir geben in diesem Beitrag einen Überblick über die regulatorischen Vorgaben zu Möglichkeiten der rechtskonformen Gestaltung.

Verbot der Umsatz und Gewinnbeteiligung

Nach § 8 S. 2 Alt. 2 ApoG sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber [Apothekenleiter*in] gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge, unzulässig.

Die Regelung in § 8 S. 2 ApoG soll sicherstellen, dass die berufliche Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit der Apotheker*innen nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die sie in wirtschaftliche Abhängigkeit zu Dritten bringen, beeinträchtigt wird.

Die rechtliche Diskussion zur Zulässigkeit der Modelle orientiert sich an folgenden Argumenten: Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 2012 sei eine dem Zweck des § 8 S. 2 ApoG entgegenstehende Beeinflussung der Apothekenleitung bei einer partiellen Beteiligung einer Apothekenplattform an den Onlinegeschäften der Apotheke in Form einer umsatzabhängigen Vergütung (Provision) und einer monatlich zu entrichtenden Partner Fee nicht zu erwarten (LG Hamburg, Beschluss v. 4. Januar 2012 – 327 O 3/12). In der Literatur wird weitergehend differenziert und eine dem Zweck des § 8 S. 2 ApoG widersprechende Beeinflussung der Apothekenleitung mit einer am Gesamtumsatz bzw. Gesamtgewinn der Apotheke ausgerichteten Vergütung ausgegangen, wohingegen eine Vergütung, die am Umsatz oder am Gewinn eines einzelnen Geschäfts ausrichtet ist, nicht unter § 8 S. 2 Alt. 2 ApoG fallen würde. Dies soll allerdings nicht für solche Fälle gelten, bei denen der Umsatz oder Gewinn der Apotheke zu einem wesentlichen Teil auf den auf diese Weise getätigten einzelnen Geschäften beruht, wie zum Beispiel bei Lohnherstellerverträgen, welche eine Umsatzbeteiligung des Krankenhausträgers vorsehen und der Umsatz der Apotheke im Wesentlichen auf der Abgabe der vereinbarten Zytostikazubereitungen beruht.

Darüber hinaus sei nach dem Landgericht Hamburg in der Ermöglichung der Teilnahme an einer Plattform schon kein Vermögenswert im Sinne von § 8 S. 2 ApoG zu sehen, weil Dienstleistungen wie z. B. die Bereitstellung und Wartung des Onlineauftrittes verbunden mit der Bearbeitung der entsprechenden Zahlungsabwicklung sowie der Bewerbung des Internetangebotes der Apotheke nicht hierunter fallen würden (LG Hamburg, Beschluss vom 4. Januar 2012 – 327 O 3/12). Mangels der Überlassung von Vermögenswerten sei die Regelung in § 8 S. 2 ApoG schon aufgrund ihres expliziten Wortlautes nicht einschlägig. (LG Hamburg, Beschluss vom 4. Januar 2012 – 327 O 3/12).

Makelverbot, § 11 Abs. 1a ApoG

Nach § 11 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) dürfen Apotheken mit Ärzten oder anderen Healthcare Professionals unter anderem keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine Zuweisung von Verschreibungen oder E-Rezept-Token zum Gegenstand haben. Nach der bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde eine Zuweisung angenommen, wenn Verschreibungen unter Ausschluss anderer Apotheken „unmittelbar“ an einzelne Apotheken oder an mehrere Apotheken anteilsmäßig oder im Wechsel weitergeleitet werden. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Verschreibungen den Patienten nicht ausgehändigt werden und damit das Recht auf freie Apothekenwahl eingeschränkt wird (OVG Münster, Urteil vom 2. September 1999 – 13 A 3323/97); selbst wenn die Weiterleitung auf Veranlassung des Patienten erfolgte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Juni 2013 – 4 U 254/12).

Darüber hinaus ist durch das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) vom 14. Oktober 2020 mit § 11 Abs. 1a ApoG ein umfassendes Makelverbot geschaffen worden. Damit wird es unter anderem allen Dritten, insbesondere auch Plattformbetreibern, untersagt, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und dafür für sich oder andere einen Vorteil zu fordern, sich einen Vorteil versprechen zu lassen, anzunehmen oder zu gewähren.

Die Zulässigkeit von Beteiligungsmodellen und Vergütungsvereinbarungen von Plattformbetreibern und Online-Marktplätzen vor dem Hintergrund des Makelverbotes nach § 11 Abs. 1a ApoG wird insbesondere danach zu beurteilen sein, ob für die Vermittlung einer Verordnung bzw. eines E-Rezepts/Tokens eine Gebühr im Sinne einer Provision gezahlt (verbotenes „Makeln“) oder ob ein angemessenes Serviceentgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes erhoben wird. In diesem Sinne hat bereits der Bundesgerichtshof (Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 55/08 – „Zweite Zahnarztmeinung“) entschieden, dass kein unzulässiges Versprechen eines Entgelts für die Zuweisung von Patienten (also kein „Makeln“) darin zu sehen ist, wenn ein Zahnarzt auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan eines Kollegen abgibt und er dem Betreiber der Internetplattform im Falle des Zustandekommens eines Behandlungsvertrags einen Teil seines Honorars als Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes verspricht.

Dabei dürfte eine Vergütung, die am Umsatz oder am Gewinn eines einzelnen Geschäfts mit Rx- Arzneimittel(n) ausgerichtet ist, ein verbotenes „Makeln“ im Sinne von § 11 Abs. 1a ApoG darstellen, sodass umsatzabhängige Vergütungsvereinbarungen lediglich im OTC-Bereich rechtskonform sein dürften. Eine abschließende Klärung wird durch die Rechtsprechung zu erwarten sein.

Arzneimittelpreisbindung

Die Arzneimittelpreisbindung nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG bezweckt, dass Arzneimittel nicht im Rahmen eines Preiswettbewerbs, sondern ausschließlich unter Beachtung der Gesundheitsbedürfnisse des Patienten verkauft werden.

Ein Preiswettbewerb zwischen Apotheken entsteht mit einer Vergütung der Plattform, die sich z. B. prozentual am Wert des Warenkorbes bemisst, allerdings nicht, weil der Abgabepreis für den Kunden derselbe bleibt. Die Vergütung wird unabhängig hiervon gewährt, sodass entsprechende Vergütungsvereinbarungen nicht gegen die Arzneimittelpreisbindung nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG verstoßen dürften.   

Was zu tun ist und wie wir Ihnen helfen können

Gemeinsam mit Ihnen entwickeln wir maßgeschneiderte, in der Praxis umsetzbare Lösungen. Wir unterstützen Sie insbesondere bei der Erarbeitung eines Business Models, Ihrer Customer Journey, Ihren Vergütungsmodellen und der rechtssicheren Gestaltung möglicher Kooperationsmodelle auf nationaler und/oder internationaler Ebene.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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