Normunwirksamkeit führt zu Wegfall von Überstundenzuschlägen für Teilzeitbeschäftigte nach TVöD-K
Wegfall von Überstundenzuschlägen für Teilzeitler
Nach neuer Rechtsprechung entstehen zuschlagspflichtige Überstunden für Teilzeitbeschäftigte erst durch Arbeitsstunden, die über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen. Hintergrund ist, dass das BAG § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K wegen Unklarheit für unwirksam erklärt hat und sich die Überstundenvergütung für Teilzeitbeschäftigte nun ausschließlich nach § 7 Abs. 7 TVöD-K richtet (BAG-Urteil vom 15. Oktober 2021, 6 AZR 253/19, 6 AZR 254/19; 6 AZR 332/19).
Es klagte eine Pflegekraft, die seit 1999 bei der beklagten Klinikbetreiberin in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt ist. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird. Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gelten die Regelungen eines Haustarifvertrages vom 19. Januar 2017, der seinerseits für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit den TVöD-K in seiner zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung in Bezug nimmt. Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt. Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstundenzuschläge auf der Grundlage der § 7 Abs. 8 Buchst. c i. V. m. § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD-K. Sie meinte, diese stünden ihr hinsichtlich der ungeplanten Arbeitsstunden sogar dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den geplanten Arbeitsstunden komme es darüber hinaus nicht auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten an. Andernfalls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg als Vorinstanz (Urteil vom 3. Mai 2019, 8 Sa 340/18) unterschied in seiner Entscheidung noch der alten Rechtsprechung des BAG folgend (BAG, 23. März 2017, 6 AZR 161/16; 25. April 2013, 6 AZR 800/11) in geplante und ungeplante Überstunden gemäß § 7 Abs. 8 c TVöD-K. Ungeplante Überstunden müssten danach für Teilzeitkräfte bei Überschreitung der individuellen Monats-Sollarbeitszeit vergütet werden, geplante Überstunden allerdings erst bei Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten i. S. d. § 6 Abs. 1 TVöD-K. Danach sprach das Gericht der Klägerin für die ungeplanten Überstunden einen Überstundenzuschlag gemäß § 7 Abs. 8 Buchst. c, alt. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD-K zu.
Die hierbei relevante Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden gibt das BAG in der aktuellen Entscheidung nun auf und sprach der Klägerin auch für die ungeplanten Überstunden keinen Zuschlag mehr zu. Laut des BAG weiche die Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden habe. Auch verstoße die Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K gegen das Gebot der Normklarheit. Sie sei deshalb unwirksam.
Dem folgend sei allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich. Diese Bestimmung sehe keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigen überschritt, vor. Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 TVöD-K vorgesehenen Überstundenzuschlag habe sie deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten sei wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelte.
Mit der Differenzierung hätten die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum auch nicht überschritten. Deshalb diskriminierten die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin diese nicht und seien wirksam.
Praxishinweise
Durch die Entscheidung des BAG entfällt für die Krankenhäuser im Anwendungsbereich des TVöD-K oder vergleichbarer Tarifverträge des öffentlichen Dienstes die Verpflichtung, einen Großteil der Überstundenzuschläge für ihre Teilzeitbeschäftigten im Schicht- oder Wechselschichtdienst zu zahlen. Dies kann zu einer finanziellen Entlastung der Krankenhäuser beitragen. Außerdem stellt das BAG klar, dass die durch den Wegfall des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K verbleibenden Regelungen keinen Gleichheitsverstoß i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich der Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten bei der Erbringung ungeplanter, über die jeweilige vertragliche Arbeitszeit hinausgehender Arbeitsleistung, darstellen. Das BAG sieht dahingehend schon den Schutzbereich des Grundrechts gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht eröffnet, da sich die Tarifparteien – von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt – für eine grundsätzlich unterschiedliche tarifrechtliche Behandlung der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich der Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit entschieden hätten. Es läge schon keine Ungleichbehandlung von wesentlichem Gleichem vor. Hinsichtlich der Behandlung geplanter zusätzlicher Arbeitsstunden wurden und werden Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte ohnehin gleich behandelt. Zwar äußert das BAG auch, dass es in den Händen der Tarifparteien liege, den Regelungskomplex neu zu gestalten. Einer neuen Regelung, die den § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K mit einer eindeutigeren Formulierung ersetzt, bedarf es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der aktuell noch geltenden Normen aber nicht. Allerdings könnte ein Verhandlungs- oder Anpassungsbedarf auf Ebene der Betriebsparteien hinsichtlich geltender Dienst- und Betriebsvereinbarungen entstehen, die auf Basis der nun unwirksamen tarifrechtlichen Regelung vereinbart wurden.
Krankenhäuser und deren Arbeitnehmer haben sich ggf. im Rahmen der Umsetzung der bestehenden Schichtpläne und Erfassung von Überstunden auf den Wegfall der bisherigen tarifvertraglichen Grundlage einzustellen. Die Änderungen gelten für Teilzeitund ebenfalls für Vollzeitbeschäftigte in Wechselschicht- und Schichtarbeit.
Auch für Vollzeitbeschäftigte gilt hinsichtlich der Vergütung von Überstunden nur noch der § 7 Abs. 7 TVöD-K. Dieser sieht keine Möglichkeit für das Entstehen zuschlagspflichtiger geplanter Überstunden vor. § 7 Abs. 7 TVöD-K kennt vielmehr nur ungeplante, nicht aber geplante, d. h. im Dienstplan vorgesehene Arbeitsstunden. § 7 Abs. 8 Buchst. c) TVöD gewährte nach alter Auslegung des BAG noch einen Überstundenzuschlag für Arbeitsstunden, die im Schichtplan vorgesehen sind und die – bezogen auf die regelmäßige, wöchentliche Arbeitszeit (i. S. v. § 6 Abs. 1 TVöD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden (BAG, 6 AZR 161/16 – Rn. 16).
Die Rechtsprechung wirkt sich auf den gesamten Bereich des TVöD und des TV-L und der Spartentarifverträge, wie den des TV-V (§ 9 Abs. 8 Buchst. c)) aus. Grundsätzlich ist darüber hinaus auch an Auswirkungen allgemein für Tarifverträge mit gleichlautenden Formulierungen zu denken.
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Autor*innen:
Marion Plesch
Tel: + 49 30 208 88 1146
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.