Die lang erwartete Novelle der AVBFernwärmeV und ihre Änderungen
Novelle der AVBFernwärmeV
I. Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Referentenentwurf wurde am 25. Juli 2024 den Verbänden zur Stellungnahme unterbreitet. Diese hatten bis zum 20. August 2024 die Gelegenheit, sich zu dem Entwurf zu äußern und Änderungsvorschläge zu unterbreiten. Nunmehr liegt es an der Bundesregierung, den Entwurf innerhalb des Kabinetts abzustimmen und in den Bundestag zur Abstimmung einzubringen. Nach aktuellem Stand soll der Entwurf in der Kabinettsitzung am 2. Oktober2024 diskutiert werden. Dabei ist der vorliegende Entwurf nicht der erste Versuch, die AVBFernwärmeV zu novellieren: Bereits vor über zwei Jahren, im Juli 2022, wurde ein diesbezüglicher Referentenentwurf veröffentlicht, der nun allerdings der Vergangenheit angehört.
II. Wesentliche Änderungen
Mit dem Referentenentwurf sollen die Vorschriften der AVBFernwärmeV angepasst und ergänzt werden. Insbesondere werden die von den Wärmeversorgern einzuhaltenden Veröffentlichungspflichten deutlich erweitert und die Anpassungsrechte der Kunden bezüglich der vertraglich vereinbarten Wärmeleistung neu geregelt. Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die Regelung zur Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln sowie die Anforderungen an deren einseitige Anpassung durch den Wärmeversorger. Schließlich werden die Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen von Wärmelieferverträgen modifiziert.
1. Veröffentlichungspflichten
Die bisher in § 1 Abs. 4, § 1a sowie § 2 Abs. 3 AVBFernwärmeV enthaltenen Veröffentlichungspflichten sollen nun in einem neugefassten § 1a AVBFernwärmeV-E zusammengefasst und um umfangreiche zusätzliche Angaben erweitert werden. Zukünftig muss ein Wärmeversorger die Versorgungsbedingungen, die geltenden Preise inkl. Preisänderungsklauseln, durchschnittliche Abnahmepreise nach bestimmten Abnahmefällen, weitere Informationen zu den einzelnen Preisbestandteilen sowie Informationen über die Netzverluste, zu getroffenen Energieeffizienzmaßnahmen, zu Maßnahmen zur Ausfallprävention bzw. der Versorgungssicherheit und über die energetische Qualität der Wärme – letztere Information ist dabei in grafisch visualisierter Form aufzubereiten – im Internet veröffentlichen.
Sofern Preisänderungsklauseln verwendet werden, hat der Wärmeversorger daneben Musterberechnungen auf der Internetseite zu veröffentlichen. Dabei ist ein Berechnungsinstrument mit zu veröffentlichen, mit dem sich die Auswirkungen von Veränderungen der Preisbestandteile und Preisindizes für den Wärmepreis beispielhaft nachvollziehen lassen. Als mögliches Rechentool wird in der Verordnungsbegründung beispielhaft eine Excel-Datei genannt.
Die Veröffentlichungspflichten sollen erst ein Jahr nach Inkrafttreten der Änderungen einzuhalten sein. Sie gelten nicht bei der Wärmeversorgung eines einzelnen Gebäudes, eines Gebäudenetzes gemäß §3 Nr. 9a GEG oder eines Kleinstnetzes (mit weniger als 100 Hausanschlüssen bzw. einer Wärmeabnahme von weniger als 2 MWh). In diesen Versorgungssituationen sind die entsprechenden Informationen den Kunden gleichwohl bei Vertragsschluss mitzuteilen. Die Einhaltung der Veröffentlichungspflichten sowie deren kontinuierliche Kontrolle und Aktualisierung wird für die Versorger mit einem großen personellen und logistischen Aufwand verbunden sein. Insofern sollten sich die Wärmeversorger hiermit frühzeitig beschäftigen. Ungeachtet dessen stellt sich zum Teil die Frage, wie sinnvoll die Erbringung einzelner Informationen aus Sicht des Kunden tatsächlich sind und ob diese nicht eher zu einer nicht zu bewältigenden Informationsflut auf Kundenseite führen.
2. Anpassungsrechte der Kunden
Bislang kann ein Kunde seine Wärmeleistung jährlich ohne weiteren Nachweis um 50 Prozent reduzieren. Daneben kann ein Kunde seine Wärmeleistung weiter kürzen oder den Wärmeliefervertrag sogar komplett kündigen, sofern er seine Leistung durch erneuerbare Energie ersetzen möchte. Diese Anpassungsrechte sollen durch die Novellierung deutlich beschränkt werden.
Nunmehr soll ein Kunde nur dann eine Leistungsanpassung an seinen tatsächlichen Bedarf verlangen können, wenn er nachweist, dass die neue Heizungsanlage mindestens 65 Prozent der bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt bzw. der Wärmebedarf mittels weiterer Erfüllungsoptionen gemäß dem Gebäudeenergiegesetz (wie z. B. mit einer Wärmepumpe) gedeckt wird. Dabei ist eine Leistungsanpassung aber nur zulässig, wenn die bestehende Fernwärmeversorgung nicht die Anforderungen der §§ 29–32 Wärmeplanungsgesetz (WPG) erfüllt. Insofern besteht kein Anpassungsrecht, wenn der Wärmeversorger die Wärmeversorgung bereits mit einem bestimmten Anteil an erneuerbarer Energie durchführt und er die Verpflichtung zur Erstellung von Wärmenetzausbau- und Wärmedekarbonisierungsfahrplänen erfüllt.
Außerdem ist das Recht der Vertragsanpassung bei Nachweis der Verringerung des Endenergiebedarfs durch Effizienzmaßnahmen oder geänderte Nutzungsanforderungen vorgesehen. Ein Kündigungsrecht des Kunden soll künftig jedoch nur noch bestehen, wenn er seinen Wärmebedarf vollständig durch eine andere Wärmeversorgung ersetzen möchte und der Wärmeversorger die Anforderung der §§ 29 ff. WPG nicht erfüllt. Sofern das Leistungsanpassungsrecht innerhalb der Erst-Vertragslaufzeit erfolgt und es sich um ein Wärmenetz von unter 20 MW handelt, hat der Wärmeversorger gegen den Kunden einen Ausgleichsanspruch. Die Begrenzung des Ausgleichsanspruches auf kleinere Wärmenetze ist vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung und der Investitions- und Planungssicherheit auch in Bezug auf größere Netze kritisch zu sehen. Ein Leistungsanpassungs - recht des Kunden besteht schließlich nicht bei Kleinstnetzen und bei Wärmeerzeugungsanlagen, die ein Gebäude oder ein Gebäudenetz versorgen.
3. Preisänderungsklauseln gem. §§ 24, 24a AVBFernwärmeV
Ebenfalls von der Novellierung betroffen sind die in der Praxis äußerst relevanten Regelungen zu Preisänderungsklauseln.
a) Konkretisierung der Anforderungen an Preisänderungsklauseln
Preisanpassungen sollen sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Die Anforderungen an Preisänderungsklauseln sollen in § 24 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) konkretisiert werden. So wird klargestellt, dass die Verwendung von Indizes zur Abbildung der Kostenentwicklung bzw. des Kostenelementes zulässig ist. Diese Indizes müssen dann jedoch für die Berücksichtigung der Kostenentwicklung bei der Wärmeerzeugung und -bereitstellung die im Wesentlichen tatsächlich eingesetzten Energieträger und die wesentliche Beschaffungsstruktur des Fernwärmeversorgungsunternehmens (Kostenelement) mit angemessener Genauigkeit widerspiegeln.
Sachgerechter wäre es allerdings, nicht auf die jeweilige „Beschaffungsstruktur“, sondern auf die „Kostenstruktur“ abzustellen, wenn Indizes verwendet werden. Bei einem Wärmeversorger, der Gasmengen strukturiert einkauft, wäre es kaum möglich, die Beschaffungsstruktur präzise darzustellen. Ungeachtet dessen kommt es bei Bezugnahme auf einen Index allein darauf an, dass dieser die Entwicklung der eigenen Beschaffungskosten angemessen abbildet. In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH sollte ferner der Wortlaut „in angemessener Genauigkeit“ durch „im Wesentlichen“ ersetzt werden. Andernfalls würde die Rechtsprechung des BGH ohne sachlich erforderlichen Grund verschärft.
Der Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes soll zukünftig als Regelbeispiel zur Abbildung des Marktelementes dienen. Dies soll vor dem Hintergrund geschehen, dass aktuell verschiedene Indizes zur Abbildung des Marktelementes herangezogen werden, was zu einer Verunsicherung bei den Kunden geführt habe. Da die entsprechende Regelung nur als Regelbeispiel ausgestaltet ist, bleibt aber die Verwendung weiterer Indizes nach wie vor zulässig. Wann dies der Fall sein soll, ist jedoch nicht näher geregelt, was dann wiederum zu einer größeren Verunsicherung beitragen könnte. Ungeachtet dessen wurde der Wärmepreisindex bereits als ein zulässiges Marktelement vom BGH anerkannt. Schließlich schweigt sich die Regelung dazu weiterhin aus, wie das Marktelement zu gewichten ist. Nach der Rechtsprechung des BGH soll dem Wärmeversorger diesbezüglich ein Gestaltungsspielraum zustehen. Eine Gewichtung des Marktelementes in einer Spannbreite von 20bis 50Prozent ist im Einzelfall sach- und interessengerecht.
Abschließend wird in § 24 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E festgelegt, dass Preisänderungsklauseln eine Berechnungsformel zur rechnerischen Ermittlung der Preisänderung enthalten müssen, die in allgemein verständlicher, vollständiger und transparenter Form zu fassen ist. Darüber hinaus wird klargestellt, dass eine mehrfache Weitergabe von treibhausgasemissionsbezogenen Kosten ausgeschlossen ist.
b) „Alternative“ Preisänderungsklauseln
In § 24 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E wird die Möglichkeit eröffnet, Preisänderungsklauseln zu verwenden, die anstelle von Indizes unmittelbar auf die tatsächliche Kostenentwicklung abstellen. Dabei ist der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu berücksichtigen; Kosten, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung hätten vermieden werden können, dürfen nicht berücksichtigt werden. In einer Anlage zu § 24 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E wird eine Muster-Preisänderungsklausel formuliert, bei dessen vollständiger Anwendung die Anforderungen nach § 24 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E als erfüllt gelten. Andere Klauselausgestaltungen sollen jedoch zulässig bleiben.
In der Musterformel soll sich das Kostenelement aus den unterschiedlichen Endenergiezufuhrkosten des Wärmeversorgers in dem für die Preisermittlung maßgeblichen Zeitraum zusammensetzen. Ferner gewichtet die Musterformel das Kosten- und das Marktelement mit jeweils 50 Prozent. Hier stellt sich die Frage, ob dies nun der Normalfall sein soll, obwohl § 24 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E keine entsprechenden Anforderungen aufstellt. Eine zwingende hälftige Gewichtung, die für die Kunden nicht nur von Vorteil wäre, würde den dem Wärmeversorger nach der Rechtsprechung des BGH zustehenden Gestaltungsspielraum jedoch negieren. Auch würde eine entsprechende Regelung wieder zu einer höheren Rechtsunsicherheit beitragen, da nicht klar wäre, wann ein Wärmeversorger das Marktelement anders gewichten könnte.
c) Änderung von Preisänderungsklauseln
§ 24a AVBFernwärmeV-E soll nun das dem Wärmeversorger nach der Rechtsprechung des BGH zustehende einseitige Anpassungsrecht von Preisänderungsklauseln regeln. Ein solches besteht dann, wenn der Wärmeversorger seinen eingesetzten Energieträger wechselt oder die jeweilige Beschaffungsstruktur wesentlich ändert. Die einseitige Anpassung darf nur innerhalb eines Jahres nach Umstellung des Energieträgers erfolgen. Dabei hat der Wärmeversorger dem Kunden den Zeitpunkt des Energieträgerwechsels zu nennen und auf die wesentlichen Umstände hinzuweisen, die zu dem Energieträgerwechsel geführt haben. Die geänderte Preisanpassungsklausel selbst muss den Anforderungen des § 24 AVBFernwärmeV-E wiederum entsprechen.
Im Rahmen der einseitigen Änderung von Preisänderungsklauseln ist auch die neue Regelung in § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E zu beachten. Bei der Ausübung eines Rechts zur Änderung von allgemeinen Versorgungsbedingungen – wozu auch Preisänderungsklauseln gehören – muss der Wärmeversorger seinen Kunden die Änderung rechtzeitig vor Wirksamwerden in Textform mitteilen und die Änderungen auf seiner Internetseite veröffentlichen sowie öffentlich bekanntgeben, was jeweils sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Die Änderungen werden dabei jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam.
Die Regelung in § 24a AVBFernwärmeV-E setzt allerdings die Rechtsprechung bzw. die aktuell bestehenden Herausforderungen in der Praxis nur unvollständig um. So sollte sich das Änderungsrecht nicht nur auf einen Energieträgerwechsel, sondern auch auf eine Änderung des Einsatzes der Energieträger beziehen. Es gibt genügend Fälle, in denen sich die Energieträger nicht ändern, sondern nur deren Anteil (z. B. Einsatz von mehr Holzpellets und weniger Erdgas bei der Wärmeerzeugung). In diesem Fall muss ebenfalls eine Anpassung der Preisänderungsklausel möglich sein.
Ferner sollte klargestellt werden, dass im Rahmen der Anpassung der Preisänderungsklausel – sofern erforderlich – auch die Wärmepreise mit geändert werden dürfen. Bei einem Energieträgerwechsel von Erdgas oder Kohle auf Strom, Biomethan oder Holzpellets sind die spezifischen Wärmeerzeugungskosten andere als die für den bisherigen Energieträger. Ein angemessener Wärmepreis würde nicht bestehen, wenn z.B. der bisherige (auf Erdgas- oder Kohlebasis berechnete) Arbeitspreis fortgeschrieben und zukünftig nur auf Grundlage von neuen Berechnungsfaktoren (z.B. Strom- oder Holzpelletindizes) in der Preisänderungsklausel geändert würde.
4. Änderungen der Laufzeiten
In § 31 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E werden die Laufzeiten und Kündigungsfristen von Wärmelieferverträgen geändert. Eine maximale Erst-Vertragslaufzeit von zehn Jahren ist nur noch bei neu hergestellten Hausanschlüssen oder bei einer wesentlichen Erhöhung der vereinbarten Wärmeleistung zulässig. Wesentlich ist eine Erhöhung, wenn sie eine investive Maßnahme erforderlich macht. In allen anderen Fällen darf die Erst-Vertragslaufzeit nur noch fünf Jahre betragen. Mit der Regelung soll für die Wärmeversorger die notwendige Planungssicherheit hinsichtlich der Refinanzierung getätigter Investitionen sichergestellt werden.
Die Kündigungsfrist wird von neun auf sechs Monate heruntergesetzt. Eine Frist von sechs Monaten erscheint dem Verordnungsgeber als Ausgleich zwischen den Interessen der Anbieterseite an Planbarkeit und den Interessen der Verbraucherseite an einer Lösungsmöglichkeit als angemessen. Werden bestehende Verträge nicht innerhalb von sechs Monaten vor Ablauf gekündigt, verlängern sie sich weiterhin um weitere fünf Jahre, es sei denn, es handelt sich um Wärmelieferverträge mit Verbrauchern – in diesem Fall verlängern sich die Verträge nur um zwei Jahre.
III. Sonstige Änderungen
Neben den skizzierten Änderungen enthält der Entwurf weitere Änderungen zur Steigerung des Verbraucherschutzes. So wird festgelegt, dass bei Verbrauchern ein Vertrag nur dann zu allgemeinen Versorgungsbedingungen abgeschlossen werden kann, die von den Vorgaben der AVBFernwärmeV abweichen, wenn der Kunde durch die Abweichung nicht schlechtergestellt wird. Daneben werden an verschiedenen Stellen der Verordnung Unterscheidungen zwischen Verbrauchern und anderen Kunden vorgenommen sowie die Verordnung an Regelungen der Grundversorgungs- und Netzanschlussverordnungen im Strom- und Gassektor angeglichen. Auch wird ein Wärmeversorger zur Information der Mieter eines Gebäudes bei Zahlungsrückstand des Kunden sowie zum Angebot eines Schuldbeitritts oder einer sonstigen Ersatzmaßnahme zur Abwendung einer Versorgungseinstellung verpflichtet. Schließlich werden die Regelungen der Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte (FFVAV) in den Verordnungstext der AVBFernwärmeV integriert.
Es bleibt mit Spannung zu erwarten, ob sich an der finalen Version der AVBFernwämeV-Novelle noch etwas Wesentliches ändern wird.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.