Geltung beamtenrechtlicher Haftungsprivilegien für die Geschäftsführung öffentlicher Unternehmen

Viele Kommunen und Landkreise wie auch Bund und Länder, die sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Rechtsform einer GmbH bedienen, statten die Geschäftsführung interimsmäßig oder dauerhaft mit Beamt*innen aus. In diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, welche Haftungsmaßstäbe für solche entsandten Beamt*innen gelten – so auch in dem vom OLG Hamm mit Urteil vom 8. März 2023 (8 U 198/20) entschiedenen Fall.

Sachverhalt

Eine mittelbar mehrheitlich im Besitz einer Kommune befindliche GmbH (Klägerin), welche im Bereich der Abfallentsorgung und Straßenreinigung tätig ist, nahm ihren ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser war als Beamter der GmbH zur Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgaben zugewiesen worden. Insgesamt war er 15 Jahre überwiegend als alleiniger Geschäftsführer für die klagende GmbH tätig. Hinsichtlich der Haftung des Geschäftsführers wurde im Anstellungsvertrag vereinbart, dass für den Geschäftsführer im Innenverhältnis zur Gesellschaft die Haftungsregelungen gelten, die für Beamte auf Lebenszeit der Stadt gelten.

Der Beklagte schied im Streit bei der klagenden GmbH aus, die anschließend straf- und zivilrechtlich gegen ihn vorging.

Die Klägerin wirft dem Beklagten insbesondere vor, gegen seine Sorgfalts- und Treuepflichten als Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowie gegen die Verpflichtungen aus dem geltenden Public Corporate Governance Kodex und dem Compliance- Programm verstoßen zu haben, wodurch ihr ein Schaden von rund 1,3 Mio. € entstanden sei. Dabei geht es um Positionen wie überhöhte Vergütungen u. Ä. an Dritte, Kauf von Eintrittskarten für private Zwecke, Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen, Gutachterkosten, Fahrerkosten u. Ä.

Der Beklagte berief sich in der Folge insbesondere auf die Haftungsklausel des Anstellungsvertrags, wonach er im Ergebnis nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit hafte, was vorliegend aber nicht gegeben sei.

Es erging ein Strafurteil gegen den Beklagten wegen Untreue, das als Urkundenbeweis in das Verfahren vor dem Landgericht eingeführt wurde. Das Landgericht Essen verurteilte den Beklagten in der Folge im Wesentlichen zur Zahlung von ca. 0,7 Mio. € nebst Zinsen, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm bestätigte im Wesentlichen das Urteil des Landgerichts.

Die Klägerin wurde im Prozess zunächst durch die aktuelle Geschäftsführung vertreten. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags vertritt hingegen der fakultative Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich gegenüber dem Geschäftsführer. Da während des gerichtlichen Verfahrens eine Eintrittserklärung des Aufsichtsrats der Klägerin vorgelegt wurde, durch welche die bisherige Prozessführung genehmigt wurde, konnte der Vertretungsmangel geheilt werden.

Die Haftung der Organe richtet sich laut den Ausführungen des Senats in Ermangelung anderer gewählter Regelungen auch bei öffentlichen Unternehmen wie der Klägerin nach den Haftungsregeln der jeweils gewählten Rechtsform, hier also nach § 43 GmbHG. Vorliegend habe der Beklagte in mehreren Fällen gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i. S. d. § 43 Abs. 1 GmbHG verstoßen, sodass er wegen Verletzung seiner Obliegenheiten nach § 43 Abs. 2 GmbHG für den entstandenen Schaden hafte. Dabei gelte auch bei öffentlichen Unternehmen das allgemeine Schema für die in diesem Rahmen geltende Darlegungsund Beweislast:

Das etwaig pflichtwidrige Verhalten des Geschäftsführers muss die Gesellschaft darlegen und ggf. beweisen, während der Geschäftsführer darlegen und ggf. beweisen muss, dass sein schadensverursachendes Verhalten nicht pflichtwidrig war, er also sein Amt entsprechend den Anforderungen des § 42 Abs. 1 GmbHG i. S. d. sog. Business Judgement Rule pflichtgemäß ausgeführt hat.

In diesem Kontext sehe sich der Senat an die Feststellungen des Landgerichts, gestützt auf das eingeführte Strafurteil gegen den Beklagten, gebunden. Zwar bestehe keine strikte Bindung des Zivilrichters an strafrechtliche Feststellungen. Der Zivilrichter müsse sich seine Überzeugung grundsätzlich selbst bilden. Gleichwohl könnten rechtskräftige Strafurteile nicht völlig unberücksichtigt gelassen werden. Die Verwertung einzelner Beweisergebnisse des umfassenden Strafverfahrens wurde letztlich als zulässig erachtet.

Allerdings hafte der Beklagte vorliegend ausnahmsweise nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Zwar sei seine Beamteneigenschaft grundsätzlich völlig irrelevant für den Haftungsmaßstab. Allerdings komme durch den Verweis auf das Beamtenrecht im Anstellungsvertrag der Haftungsmaßstab des § 48 BeamtStG zur Anwendung. Eine derartige Haftungsbeschränkung sei auch im Lichte der einschlägigen BGH-Rechtsprechung gesellschaftsrechtlich zulässig. Eine Haftungsprivilegierung könne bei öffentlichen Unternehmen auch durch Bezugnahme auf beamtenrechtliche Vorschriften etwa im Rahmen des Anstellungsvertrags umgesetzt werden. Ob die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu der Haftungsprivilegierung erforderlich war, ließ das Gericht offen, da jedenfalls eine konkludente Zustimmung der Gesellschafterin, der Stadt, vorgelegen habe. Entgegen der Ansicht der Klägerin handle es sich bei jener Klausel auch um keine AGB, welche ansonsten nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam sein könnte.

Durch die strafrechtliche Untreueverurteilung, z. B. im Hinblick auf eine Höhergruppierung des Betriebsrats von der EG 9 Stufe 4 in die EG 13 Stufe 6 TVöD, eine Zulagengewährung u. a., sei allerdings auch zivilrechtlich der Vorwurf grober Fahrlässigkeit belegt.

Zwar darf das einem Betriebsrat gezahlte Arbeitsentgelt nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer. Allerdings darf ihm für die Wahrnehmung seines Amtes auch keine mittelbare oder verdeckte Vergütung zufließen. Eine solche Begünstigung war im konkreten Fall wegen der für den Arbeitnehmer ohne Betriebsratszugehörigkeit unerreichbaren Höhergruppierung und der Überlassung eines Dienstwagens mit der Freigabe zur privaten Nutzung anzunehmen. Die grob fahrlässige Pflichtwidrigkeit des Handelns des Beklagten lag für das Gericht auf der Hand.

Fazit/Hinweise für die Praxis

Die beamtenrechtlichen Haftungsmaßstäbe gelten beim Einsatz von Beamt*innen als Geschäftsführer* innen einer GmbH grundsätzlich nicht, da zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis und dem Beamtenverhältnis strikt zu trennen ist. Der GmbH fehlt die Dienstherreneigenschaft. Allerdings kann bei Gesellschaften, die mit der Erfüllung staatlicher Aufgaben beauftragt werden und deren Gesellschafter oder mittelbare Gesellschafter Rechtspersonen des öffentlichen Rechts sind, eine Haftungsprivilegierung durch Bezugnahme auf die beamtenrechtlichen Vorschriften (§ 48 Satz 1 BeamtStG) wirksam vereinbart werden. Ein solcher Verweis kann sich auch auf die abweichenden beamtenrechtlichen Verjährungsvorschriften erstrecken.

Insgesamt gelten somit hinsichtlich der Haftung der Geschäftsführung bei Kapitalgesellschaften keine Besonderheiten, nur weil die Geschäftsführung von einem*einer Beamten*Beamtin wahrgenommen wird.

Für die Unternehmen ist zu prüfen, ob eine etwaige Haftungserleichterung der Interessenlage gerecht wird. Zudem sind etwaige gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitserfordernisse bei der Gestaltung von Haftungsprivilegien zu beachten. Im Falle einer Haftungsbeschränkung oder -freistellung sollte zudem bzgl. einer etwaigen D&O-Versicherung geprüft werden, ob und unter welchen Bedingungen eine Eigenschadensversicherung zugunsten der Gesellschaft abgedeckt ist.

Autorin

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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