Personalgestellungen im öffentlichen Dienst sind wirksam

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied mit Urteil vom 15. Januar 2024 – 6 AZR 390/20 –, dass die Personalgestellung im öffentlichen Dienst nach § 4 Abs. 3 TVöD (auch) nach nationalem Recht wirksam ist. Ein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) oder den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte zuvor– nach Vorlage des BAG – die Unionsrechtskonformität der insbesondere im öffentlichen Dienst und bei Krankenhausgesellschaften verbreiteten Personalgestellung, die in verschiedenen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (z. B. § 4Abs. 3 TVöD VKA/Bund, § 4 Abs. 3 TV-L und § 3Abs. 4 TV-V) verankert ist, mit Urteil vom 22. Juni2023 – C-427/21 (LD/ALB FILS Kliniken GmbH) –bestätigt.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin und Beklagte betreibt ein Krankenhaus, deren Trägerin und einzige Gesellschafterin eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist.

Ein Beschäftigter des Krankenhauses und Kläger indem Verfahren arbeitete nach Ausgliederung seines Aufgabenbereichs und nach seinem Widerspruch gegen den mit der Ausgliederung an sich im Zuge eines Betriebsübergangs verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses bei der neu gegründeten Service GmbH im Wege der Personalgestellung weiter. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)Anwendung. Die Beklagte besitzt keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Der Kläger war mit der Personalgestellung nicht einverstanden und klagte hiergegen. Inzwischen wurde das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet; der Rechtsstreit bzgl. der Wirksamkeit der Personalgestellung wurde jedoch fortgeführt.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied mit Urteil vom 22. Juni 2023,dass die europäische Leiharbeitsrichtlinie nicht für Dauerarbeitsverhältnisse gilt. Wenn der Beschäftigte aufgrund einer Personalgestellung nach den tarifvertraglichen Vorschriften im öffentlichen Dienst bei einem Dritten arbeite, läge keine Leiharbeit vor, da es an der erforderlichen Absicht des Arbeitgebers an der nur vorübergehenden Zurverfügungstellung des betreffenden Arbeitnehmers fehle.

Hinsichtlich der weiteren Begründung des EuGH verweisen wir auf unseren ausführlicheren Beitrag im Newletter „Healthcare“ 3/2023: Klarheit für die Personalgestellung im öffentlichen Dienst.

Entscheidung des BAGDas

BAG hat nunmehr zunächst die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personalgestellung mangels erforderlichen Feststellungsinteresses abgewiesen. Die Klage sei bereits aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses unzulässig, da sich aus der Entscheidung keinerlei Auswirkungen mehr für die Gegenwart oder Zukunft ergäben.

Gleichwohl führte das BAG weiter aus, dass die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD im Übrigen auch nach nationalem Recht wirksam gewesen sei und aufgrund der in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG normierten Bereichsausnahme für den öffentlichen Dienst keine vom AÜG erfasste Arbeitnehmerüberlassung darstelle. Diese sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil es nicht darum gehe, mit einer dauerhaften Verleihung das Verbot von Ketteneinsätzen zu umgehen, sondern dem Arbeitnehmer dauerhaft den Erhalt seines an sich verlorenen Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst zu sichern.

Praxishinweise 

Die Entscheidungen schaffen mehr Rechtssicherheit bei Personalgestellungen infolge von Aufgabenverlagerungen im Anwendungsbereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes. Sie erleichtert insbesondere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Umgangs mit einem Betriebsübergang widersprechenden Mitarbeiter*innen. 

Allerdings sind damit noch nicht alle Fragen zur Vereinbarkeit der Personalgestellung mit den Vorgaben der Leiharbeit oder Arbeitnehmerüberlassung geklärt. Offen ist z. B., wie – in der Praxis nicht seltene – Gestaltungen zu beurteilen sind, bei welchen dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber nach § 613a BGB widersprechende Mitarbeiter*innen lediglich für die Dauer des Verfahrens der Vertragsbeendigung oder des Kündigungsschutzprozesses gestellt werden. Die Gerichte haben in ihren Begründungen auf die Absicht der dauerhaften Sicherung der Arbeitsplätze abgestellt. Unseres Erachtens sollte entscheidend sein, dass auch in diesem Fällen an sich keine typische Arbeitnehmerüberlassung bezweckt wird, sondern eine Beschäftigung während eines infolge eines Widerspruchs unvermeidbaren Beendigungsprozesses ermöglicht werden soll. 

Bei Gestaltungen, in welchen von vornherein nur eine zeitlich befristete Personalgestellung beabsichtigt ist, ist somit die Frage der Unionskonformität grundsätzlich weiterhin offen. In diesen Fällen sollten Modelle zur Vermeidung oder Begrenzung der Risiken geprüft werden. Zudem stellt sich im Bereich der Personalgestellung häufig die Frage, welche Tarifverträge von dem Begriff der „Tarifverträge des öffentlichen Dienstes“ erfasst werden. Hier ist ggf. im Einzelfall zu klären, welche Anforderungen Haustarifverträge erfüllen müssen, um als „Tarifverträge des öffentlichen Dienstes“ zu gelten. Gern unterstützen wir Sie rund um das Thema der Personalgestellung oder Arbeitnehmerüberlassung.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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