Der Entwurf der AVBFernwärmeV
Der Entwurf der AVBFernwärmeV
Informations- und Veröffentlichungspflicht
Die Informationspflichten der Wärmeversorger werden um die Veröffentlichung einer Musterrechnung erweitert, § 2 Abs. 3 Satz 2 AVBFernwärmeV-E. Dadurch sollen Preisänderungsklauseln verständlicher und leichter nachvollziehbar werden. Künftig müssen Verträge gemäß § 2 Abs. 4 AVBFernwärmeV- E mindestens zwei mögliche Zahlungsweisen vorsehen (z. B. Rechnung, Lastschrift, Vorkassen, Onlinebezahldienste). Erleichterungen erfahren Wärmeversorger mit dezentralen und individuellen Wärmversorgungsanlagen, da diese gemäß § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV-E keine Veröffentlichungspflichten nach der AVBFernwärmeV mehr treffen.
Anpassung der Wärmeleistung
Das Recht zur Anpassung des Wärmebedarfs soll grundlegend geändert werden. Gemäß § 3 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E ist der Kunde wieder verpflichtet seinen Wärmebedarf in dem vertraglich vereinbarten Umfang aus dem Fernwärmenetz des Fernwärmeversorgungsunternehmens zu decken. § 3 Abs. 2 und 3 AVBFernwärmeV-E sieht nun Ausnahmen zu diesem Grundsatz vor:
Anpassungen des Wärmebedarfs sind bei einer Wärmebedarfsdeckung aus erneuerbaren Energien oder nach einer energetischen Gebäudesanierung möglich. Dies soll einen Anreiz zu energiesparenden Sanierungen geben. Diese Voraussetzungen sind auf Verlangen des Versorgers nachzuweisen, § 3 Abs. 2 AVBFernwärmeV- E. Bislang offen ist, ob eine Reduktion der Wärmeleistung auf null einer Kündigung gleichkommt.
Des Weiteren soll Kunden in Gebieten mit Anschlussund Benutzungszwang (ABZ) gemäß § 3 Abs. 3 AVBFernwärmeV- E ein Anpassungsrecht zustehen, das sogar über die Ausnahmen des Absatz 2 hinausgeht: ABZ-Kunden sind demnach berechtigt, eine Anpassung der vertraglich vereinbarten Wärmeleistung an den tatsächlichen Bedarf zu verlangen. Diese Regelung ist inhaltlich nicht nachvollziehbar; vielmehr sollte ABZ-Kunden lediglich ein Anpassungsrecht ihrer Wärmeleistung an den tatsächlichen Bedarf zustehen und die Anpassungsgründe des Abs. 2 keine Anwendung finden. Die Verordnungsbegründung unterstützt diese Sichtweise: Darin wird klargestellt, dass dem ABZ-Kunden „keine Wahl hinsichtlich des von ihm genutzten Wärmeträgers“ zusteht, mithin eine eigene Wärmebedarfsdeckung unter Nutzung erneuerbarer Energien gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 AVBFernwärmeV nicht erfolgen darf. Außerdem müssen sich Wärmeversorgungsunternehmen in ihrer Preiskalkulation auf die vertraglich vereinbarten Anschlussleistungen verlassen können, weshalb grundsätzlich der Kunde das „Risiko einer Fehleinschätzung des von ihm benötigten Bedarfs“ trägt, vgl. § 3 Abs. 1 AVBFernwärmeV- E. Davon kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn durch die Versorgung der Mehrheit der Kunden in einem Gebiet mit ABZ dem Wärmeversorgungsunternehmen, eine Nachjustierung des Wärmebedarfs zumutbar ist.
Änderungen der allgemeinen Versorgungsbedingungen
Der AVBFernwärmeV-E sieht an mehreren Stellen auch Angleichungen an die Regelungen der Gas- bzw. Stromgrundversorgung vor. Besonders deutlich wird dies bei den Regelungen zu Änderungen der allgemeinen Versorgungsbedingungen. Wenn Wärmeversorgungsunternehmen künftig die allgemeinen Versorgungsbedingungen ändern wollen oder müssen, so muss dem Kunden die Änderung in Textform mitgeteilt, auf der Internetseite veröffentlicht, öffentlich bekannt gegeben und dabei Umfang, Anlass und Voraussetzungen der Änderung angegeben werden. Die Mitteilung, die Veröffentlichung im Internet und die öffentliche Bekanntgabe müssen mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen, § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E. Die Änderungen werden jeweils zum Monatsbeginn wirksam. Dabei handelt es sich nur hinsichtlich der Sechs-Wochen-Frist um eine Angleichung. Damit wären die Anforderungen an die Änderung der allgemeinen Versorgungsbedingungen strenger als im Rahmen der Gas- bzw. Stromgrundversorgung, denn die fristgerechte Mitteilung und die Veröffentlichung im Internet sind dabei keine konstitutiven Wirksamkeitsvoraussetzung für die Anpassung. Ohne eine Anpassung wäre diese Regelung kaum praktikabel im Massenkundengeschäft.
Hausanschluss
Auch die Bestimmungen zum Hausanschluss werden an den Strom- bzw. Gassektor angeglichen. So sieht § 9 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AVBFernwärmeV-E vor, dass bei der Herstellung des Hausanschlusses die Kundeninteressen an einer kostengünstigen Herstellung besonders zu berücksichtigen sind und auf Wunsch des Kunden auch andere Gewerke zu beteiligen sind, um eine effiziente Verlegung verschiedener Anschlussleitungen zu ermöglichen.
Die Regelungen zur Kostenerstattung für die Herstellung oder Veränderung des Hausanschlusses werden in § 10 AVBFernwärmeV-E verständlicher und präziser geregelt. So ist im Falle einer pauschalierten Kostenberechnung die Eigenleistungen des Anschlussnehmers angemessen zu berücksichtigen. Auch ist eine Vorauszahlung nun möglich, wenn davon auszugehen ist, dass der Anschlussnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen wird, § 10 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E.
Zutrittsrecht
Die Voraussetzungen für ein Zutrittsrecht des Fernwärmeversorgungsunternehmens werden präzisiert. Die Kunden müssen dem Versorger Zutritt gewähren, soweit dies zur Ablesung der Messeinrichtungen, für die Prüfung von technischen Einrichtungen und Messeinrichtungen, zum Austausch der Messeinrichtungen, auch anlässlich eines Wechsels des Messstellenbetreibers, zur Unterbrechung des Anschlusses und der Anschlussnutzung oder zur Ermittlung preislicher Bemessungsgrundlagen erforderlich und vereinbart ist, § 16 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E.
Das heißt, dass Kunden gemäß § 16 Abs. 2 AVBFernwärmeV- E nun durch Mitteilung oder Aushang mindestens eine Woche im Voraus benachrichtigt werden müssen und ein Ersatztermin angeboten werden muss. Im Falle der Ermittlung preislicher Bemessungsgrundlagen und im Falle der Ablesung der Messeinrichtungen hat die Benachrichtigung drei Wochen vorher zu erfolgen. Einer vorherigen Benachrichtigung bedarf es nicht, wenn eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit von Personen oder Anlagen abgewendet werden soll, der Verbrauch von Fernwärme unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen verhindert werden soll oder gewährleistet werden soll, dass Störungen anderer Kunden oder störende Rückwirkungen auf Einrichtungen des Unternehmens oder Dritter ausgeschlossen sind.
Anforderungen an Abrechnungen und Preisänderungsklauseln
Abrechnungen müssen, wie bei anderen Energielieferverträgen, spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden Zeitraums und eine Abschlussrechnung spätestens sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses übermittelt werden, § 24 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E.
In § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV-E, der die Anforderungen an die Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln regelt, wird Satz 4, wonach Änderung einer Preisänderungsklausel nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen durften, gestrichen.
Neu aufgenommen werden soll § 24a AVBFernwärmeV- E. Laut Verordnungsbegründung sollen Wärmeversorger, die im Zuge der Wärmewende die eingesetzten Energieträger wechseln, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, die Preisänderungsklausel einseitig insoweit ändern, dass die Berechnungsfaktoren in der Preisänderungsklausel auf die neuen Energieträger angepasst werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist eine solche Umstellung allerdings schon unter dem aktuell gültigen Rechtsrahmen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV möglich (vgl. BGH-Urteil vom 26. Januar 2022 (Az. VIII 175/19) m. w. N., wir berichteten, Newsletter 1/2022).
Die Anpassung der Preisänderungsklausel nach Umstellung des Energieträgers hat gemäß § 24a Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV-E innerhalb eines Jahres zu erfolgen. Dabei hat das Versorgungsunternehmen den Zeitpunkt des Energieträgerwechsels anzugeben und auf die gesetzlichen Vorgaben hinzuweisen, die zu dem Energieträgerwechsel geführt haben. Ob davon auch Versorgungsunternehmen erfasst sein sollen, die einen Energieträgerwechsel nicht aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben vornehmen, bleibt offen. Ferner ist das Versorgungsunternehmen verpflichtet, nachvollziehbar mitzuteilen, inwiefern die geänderte Preisänderungsklausel eine Preiserhöhung darstellt. Sofern dies zu einer Preissteigerung von mehr als 20 % führt, steht dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht zu. Er kann den Vertrag mit Wirkung spätestens zum Ende des ersten Jahres nach Wirksamwerden der Preisänderung kündigen (§ 24a Abs. 2 AVBFernwärmeV-E).
Laufzeit
Der Laufzeit kommt bei Wärmelieferungsverträgen eine besondere Bedeutung zu, da nur auf diese Weise die sichere Refinanzierung der kapitalintensiven Wärmeversorgungsanlagen abgesichert werden kann. Gemäß § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV-E können Wärmelieferungsverträge nur noch dann über höchstens zehn Jahre abgeschlossen werden, wenn ein Hausanschluss neu hergestellt wird oder bei einer wesentlichen Erhöhung der vereinbarten Fernwärmeleistung. In allen anderen Fällen können Wärmelieferungsverträge nur mit einer Erstvertragslaufzeit von fünf Jahren geschlossen werden. Die Kündigungsfrist wird auf sechs Monate reduziert. Es bleibt zwar grundsätzlich bei einem Verlängerungszeitraum von fünf Jahren, bei Verbrauchern i. S. d. § 13 BGB allerdings nur von zwei Jahren. Mieter können bei Auszug künftig mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats kündigen, § 32 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E.
Diese Neuerungen verkennen, dass Contracting- Konstellationen auch unter den Anwendungsbereich der AVBFernwärmeV fallen. Im Contracting werden in der Regel keine Hausanschlüsse, sondern ganze Wärmeerzeugungsanlagen errichtet. Die Anknüpfung an die Neuherstellung eines Hausanschlusses verhindert somit in diesen Fällen trotz ho her Investitionskosten des Versorgers, dass die Wärmelieferungsverträge auf zehn Jahre abgeschlossen werden können. Der Versorger trägt daher das volle Refinanzierungsrisiko. Eine sachliche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich.
Ob die „verbraucherfreundliche“ Herabsetzung der Kündigungsfrist auf sechs Monate bzw. die stillschweigende Verlängerung um maximal zwei Jahre bei Verbrauchern tatsächlich zu ihrem Vorteil gereicht, bleibt abzuwarten.
Einstellung der Versorgung
Gemäß § 33 Abs. 2 AVBFernwärmeV-E kann gegenüber Verbrauchern bei Zuwiderhandlungen des Kunden die Einstellung der Versorgung erst vier statt zwei Wochen nach Androhung erfolgen. Künftig soll dem Kunden auch die Möglichkeit gegeben werden, selbst Gründe für die Unverhältnismäßigkeit der Unterbrechung vortragen zu können. Der Beginn der Unterbrechung der Versorgung ist dem Kunden gemäß § 33 Abs. 4 AVBFernwärmeV-E acht Werktage im Voraus anzukündigen.
Die Einstellung der Versorgung ist außerdem an einen dynamischen Schwellenwert des Zahlungsverzugs des Kunden geknüpft, der vor der Einstellung erreicht werden muss. Dieser Wert in Höhe des Doppelten der rechnerisch auf den laufenden Kalendermonat entfallenden Abschlags- oder Vorauszahlung oder einem Sechstel des voraussichtlichen Betrages der Jahresrechnung wird um einen fixen Betrag von mindestens 100 € ergänzt.
§ 33 Abs. 3 AVBfernwärmeV-E sieht ferner vor, dass der Wärmeversorger in Weiterleitungsfällen, z. B. wenn der Kunde die Wärme an seine Mieter weiterleitet, verpflichtet sein soll, den einzelnen Mieter über den Zahlungsrückstand des Kunden zu informieren und ihnen einen Schuldbeitritt oder eine sonstige Ersatzmaßnahme zu ermöglichen. Falls der Mieter Interesse bekundet, ist ihm die Höhe des Zahlungsrückstandes des Kunden mitzuteilen. Mieter sollen so eine Versorgungsunterbrechung verhindern können, ohne dass das Recht des Wärmeversorgers zur Versorgungseinstellung beschnitten werden soll. Fraglich ist, wie der Wärmeversorger dieser Informationspflicht nachkommen soll, da ihm die Kontaktdaten der Mieter in der Regel nicht zur Verfügung stehen. In Mehrfamilienhäusern stellt sich das weitergehende Problem, dass selbst wenn ein Mieter für die Verbindlichkeit des Kunden eintritt, eine Versorgungsunterbrechung für ihn bei weiteren Ausständen der anderen Mieter, dennoch erfolgen kann, wenn die Liegenschaft nur einen Fernwärmeanschluss hat.
Übergangsregelungen
Die Regelungen zur Erstvertragslaufzeit in § 32 Absatz 1 Satz 1 und 2 AVBFernwärmeV-E und die Anforderungen an die Ausgestaltung von Preisänderungsklauseln gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV- E sind nur auf Verträge anzuwenden, welche nach Inkrafttreten dieser Verordnung abgeschlossen wurden. Es erschließt sich nicht, warum bei den Anforderungen an Preisänderungsklauseln nach dem Datum des Vertragsschlusses differenziert werden soll. Die übrigen Regelungen sind auch auf Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen wurden.
Ausnahmeregelungen gelten für das Leistungsanpassungsrecht in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVBFernwärmeV- E. Allen Kunden steht innerhalb des ersten Jahres nach Inkrafttreten der Verordnung ein Anpassungsrecht zu. Wurde der Wärmelieferungsvertrag mehr als fünf Jahre vor Inkrafttreten der Verordnung geschlossen, bedarf es hierzu nicht einmal eines Nachweises.
Die vorgeschlagenen Änderungen wirken an vielen Stellen noch ungenügend durchdacht, sodass dadurch mehr Verunsicherung und Unklarheiten als Lösungen entstehen könnten. Insbesondere beim Anpassungsrecht der Wärmeleistung des Kunden, der Laufzeitverkürzung, dem Änderungsmechanismus von Preisänderungsklauseln in Zeiten der Wärmewende und den Informationspflichten an Mieter bei Zahlungsrückständen. Aktuell drängende Probleme, wie die Möglichkeit der Weitergabe von Gasumlagen, finden keine Berücksichtigung. Insgesamt ist zu hoffen, dass der vorliegende Entwurf durch die Stellungnahmen weitreichenden Bearbeitungen unterworfen wird.
Autoren
Dr. Hans-Christoph Thomale
Tel: +49 69 967 65 1750
Tarek Abdelghany
Tel: +49 69 967 65 1613
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