Vergütungspflicht von Umkleidezeiten

Das BAG hat seine Rechtsprechung zur Vergütungspflicht von Umkleidezeiten und Wegezeiten zur Dienststelle in Uniform oder anderer vorgeschriebener Arbeitskleidung bestätigt. Danach sind diese Zeiten keine vergütungspflichtige Arbeitszeit, da sie zur privaten Lebensführung zählen, wenn Umkleidemöglichkeiten vor Ort zur Verfügung stehen (BAG-Urteil v. 31. März 2021, Az.: 5 AZR 292/20). Die Rechtsprechung gilt für den gesamten öffentlichen Sektor.

Umkleidezeiten für verpflichtende Arbeitskleidung vor Ort sind dagegen in der Regel vergütungspflichtig. Es besteht eine umfangreiche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex.

1. Das BAG-Urteil

Geklagt hatten zwei Polizisten, die im Zentralen Objektschutz tätig sind. Sie forderten die Vergütung von Umkleide-, Rüst- und damit in Zusammenhang stehenden Wegezeiten ein. Die Kläger legten die vom beklagten Land als Arbeitskleidung vorgeschriebene Uniform mit dem Aufdruck „Polizei“ sowie mit den persönlichen Ausrüstungsgegenständen und der Dienstwaffe bereits zu Hause an. Der Arbeitgeber stellte es den Wachpolizisten frei, ob sie die in der Dienststelle zur Verfügung gestellten Umkleidemöglichkeiten nutzen oder den Weg zur und von der Arbeit in Uniform zurücklegen.

Bereits die Vorinstanz hatte die auf vollständige Vergütung der Umzugszeiten und Wegezeiten gerichteten Klagen im Wesentlichen abgewiesen. Nur für den Fall, dass die Kläger zwischen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestelltem Umkleideort und Wachobjekt Wegezeiten zurücklegen würden, stellte das LAG die Vergütungspflicht fest. Dies sei vergütungspflichtige, fremdnützige Zusammenhangstätigkeit.

Dies bestätigte das BAG. Der Weg von zu Hause zur Arbeitsstelle sei eigennützig und deshalb nicht vergütungspflichtig. Der Arbeitnehmer stehe in der Verpflichtung, seine Arbeitsleistung am Ort der Dienststelle anzubieten, das Zurücklegen des Arbeitsweges liege deshalb primär in dessen Interesse. Außerdem unterliege der Arbeitsweg nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber habe insbesondere keinen Einfluss auf die Wahl des Wohnortes und die damit verbundene Entfernung zum Dienstort.

2. Rechtsprechungsübersicht über die Vergütungspflicht von Umkleidezeiten

Umkleiden ist am Ort der Dienststelle als Arbeit anzusehen, wenn es der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG, Urteil vom 11. November 2000, NZA 2001, 458). Eine solche Fremdnützigkeit liegt nicht vor, wenn zugleich ein „eigenes Bedürfnis“ befriedigt wird.

Das Umkleiden am Ort der Dienststelle dient vorwiegend dem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers, wenn der Arbeitnehmer arbeitsschutzrechtlich die Arbeit ohne Dienstkleidung gar nicht aufnehmen darf und diese vorgeschrieben ist (BAG, Urteil vom 26.10.2016, NZA 2017, 323).

Außerdem ist das Tragen von Dienstkleidung fremdnützig und die Umkleidungszeit am Ort der Dienststelle damit vergütungspflichtig, wenn es sich um eine besonders auffällige Dienstkleidung handelt. Eine solche soll jedenfalls dann gegeben sein, wenn die Arbeitnehmer aufgrund der Ausgestaltung ihrer Kleidungsstücke, z. B. wegen einer typischen Farbgestaltung (wie das IKEA-Blau-Gelb), ohne Weiteres als Angehörige ihres Arbeitgebers oder einer bestimmten Branche erkannt werden können (vgl. BAG, Urteil vom 6.9.2017, NZA 2018, 180). Denn an der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer kein eigenes Interesse. Die Arbeitskleidung wird auf Anweisung des Arbeitgebers getragen.

Kleidet sich ein Arbeitnehmer im Betrieb auf Weisung des Arbeitgebers an, auch wenn er Gelegenheit hätte, sich zu Hause anzukleiden, und die Kleidung unauffällig ist, so ist die Ankleidezeit im Betrieb ebenfalls zu vergüten (so inzwischen BAG, Urt. v. 15.7.2021 – 6 AZR 207/20 zur Umkleidezeit eines Zugbegleiters).

Als fremdnützig sieht die Rechtsprechung auch das An- und Ablegen von Dienstkleidung an, wenn diese zu Hause vorgenommen werden muss, da der Arbeitgeber am Einsatzort zwar Umkleidemöglichkeiten zur Verfügung stellt, dessen Nutzung aber nicht zumutbar ist. In diesem Fall besteht Vergütungspflicht für Umkleide- und Wegezeiten (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.8.2019 – 15 Sa 575/19).

Soweit nicht anderweitig geregelt, lassen sich die Grundsätze zur Vergütungspflicht wie folgt vereinfacht darstellen:

NPO 2/22 1

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten immer wieder im Fokus arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen steht. Wenngleich viele Fallgestaltungen inzwischen höchstrichterlich geklärt sind, sind auch bei Rückgriff auf das vorstehende Schaubild immer die Umstände im Einzelfall (wie z. B. insbesondere im Falle von Außendiensttätigkeiten, Einsatzwechseltätigkeiten, Rufbereitschaften) zu berücksichtigen und sorgfältig zu prüfen.

Autor*innen

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

Maximilian Sprakel
Tel: +49 30 208 88 1633

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Public Sector Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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