Bundesverwaltungsgericht
BVerwG (8. Senat), Urteil vom 28. Juli 2021 – 8 C 33.20
Die Erteilung einer (hier: eigenwirtschaftlichen) Linienverkehrsgenehmigung kann versagt werden, wenn der beantragte Verkehr den Anforderungen des einschlägigen Nahverkehrsplans zum Schulverkehr nicht entspricht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 28. Juli 2021 entschieden. Der Vorrang der eigenwirtschaftlichen Erbringung von Verkehrsleistungen im Öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 und § 8a Abs. 1 Satz 1 PBefG verpflichtet nicht dazu, einen nach Umfang oder Qualität von der geforderten Gesamt- oder Teilleistung abweichenden Verkehr zu genehmigen und dessen Defizite durch Vergabe der Restleistungen als öffentlichen Dienstleistungsauftrag auszugleichen (Schutz vor „Rosinenpicken“).
In dem entschiedenen Fall beantragten die Klägerin und die beiden miteinander kooperierenden Beigeladenen jeweils die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung für den eigenwirtschaftlichen Betrieb einer Buslinie für einen Zeitraum von 10 Jahren. In ihrem Antrag sicherte die Klägerin zu, „das Fahrtenangebot für Schüler in Abstimmung mit den Aufgabenträgern entsprechend der Nachfrageentwicklung anzupassen“. Der einschlägige Nahverkehrsplan sah neben dem Fern- und dem Regionalverkehr insoweit „sonstige“ Linien vor und wies ihnen eine Erschließungsfunktion „in der Regel mit Bedeutung vorrangig für den Schulverkehr“ zu.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin zum einen deshalb ab, weil die Verkehre eine (teilweise) parallele Linienführung und (teilweise) Überschneidung der Zielgruppen in Bezug auf bereits vorhandene Busverkehre aufweisen, was den Versagungsgrund gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b PBefG begründe. Zusätzlich wurde die Antragsablehnung auf § 13 Abs. 2a PBefG gestützt, weil der beantragte Verkehr über die in dem Nahverkehrsplan zugewiesene Erschließungs- oder Zubringerfunktion hinausgehe sowie auch anderen Verkehren Konkurrenz mache. Die Kernaufgabe der Schülerbeförderung werde durch die beantragte Linie nicht hinreichend erfüllt, da zwingend notwendige Fahrten fehlen und nicht alle erforderlichen Haltestellen bedient würden.
Während das Verwaltungsgericht die Klage noch insgesamt abgewiesen hatte, war das Oberverwaltungsgericht der Auffassung, dass der Erteilung der von der Klägerin begehrten Genehmigung keine zwingenden Versagungsgründe entgegenstehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil indessen bestätigt, dass die Erteilung der Linienverkehrsgenehmigung versagt werden durfte, da der Antrag der Klägerin nicht alle notwendigen Heimfahrten nach Beendigung des Nachmittagsunterrichts enthalten hat. Soweit das Oberverwaltungsgericht der Ansicht gewesen ist, der Nahverkehrsplan habe die Klägerin nicht dazu verpflichtet, den Schulverkehr vollständig zu bedienen, bewertete das Bundesverwaltungsgericht die im Nahverkehrsplan beschriebene Erschließungsfunktion der Buslinien („in der Regel mit Bedeutung vorrangig für den Schulverkehr“) so, dass damit eine ausreichende Bedienung des Schulverkehrs durch entsprechende Linien gefordert sei, weitere Aufgaben regelmäßig nachrangig seien. Das Bundesverwaltungsgericht hat dabei offengelassen, ob einem Genehmigungsantrag beigefügte verbindliche Zusicherungen geeignet sind, der Genehmigung entgegenstehende Mängel des Antrags zu beheben. Die Zusicherung der Klägerin war nach Auffassung des Gerichts zu unbestimmt, weil sie keine ausreichende Bedienung des Schulverkehrs für den gesamten Genehmigungszeitraum gewährleistet habe.
Ein eigenwirtschaftliches „Angebot“ mit dem Inhalt, die Gesamt- oder Teilleistung eigenwirtschaftlich nur unvollständig oder in geringerer als der verlangten Qualität zu erbringen, zwingt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts – mangels ausreichender Verkehrsbedienung – folglich auch dann nicht zur Genehmigung, wenn es das einzige eigenwirtschaftliche Angebot darstellt.
Autor
Marcus Weicken
Tel: +49 30 208 88 1149
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