Ende der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung mit Unterschreiten des Schwellenwerts

Wird der Schwellenwert für die Errichtung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 177 Abs. 1 SGB IX unterschritten, endet die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung – so entschied das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) mit Beschluss vom 31. August 2021 (4 TaBV 19/21).

Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 1 SGB IX werden in Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, eine Vertrauensperson und wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt.

Im Streitfall, der dem LAG Köln vorlag, stritten die Beteiligten um die Fortdauer der Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung in einem Betrieb mit etwa 120 Mitarbeiter*innen, nachdem die Anzahl der schwerbehinderten Personen in dem Betrieb unter die Zahl von fünf abgesunken war.

Während bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung am 13. November 2019 noch fünf Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Personen in dem Betrieb beschäftigt waren, sank die Zahl zum 1. August 2020 auf vier ab – womit aus Sicht der Arbeitgeberin die Beendigung der Amtszeit des Vertretungsgremiums einherging. Die Schwerbehindertenvertretung begehrte sodann die arbeitsgerichtliche Feststellung, dass die Amtszeit trotz des Absinkens der Anzahl der schwerbehinderten Personen fortzusetzen sei. Nach Auffassung der Antragstellerin seien die Gründe für eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit in § 177 Abs. 7 SGB IX abschließend geregelt. Nach § 177 Abs. 7 S. 3 SGB IX ende das Amt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlege, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide oder die Wählbarkeit verliere. Zudem stehe die Dauerhaftigkeit des Absinkens unter den Schwellenwert von fünf nicht fest bzw. es sei zu erwarten, dass der Schwellenwert aufgrund der Tatsache, dass allein drei Langzeiterkrankte beschäftigt seien, wieder erreicht werde.

Unter Heranziehung und Übertragung des im Betriebsverfassungsrecht verankerten Grundsatzes, dass bei Absinken der wahlberechtigten Beschäftigtenzahl unter fünf die Amtszeit des Betriebsrats ende, wies die 4. Kammer des LAG Köln den Antrag zurück. Abgesehen vom Wortlaut des § 177 Abs. 1 SGB IX, dem sich nicht entnehmen lasse, dass hinsichtlich der erforderlichen Anzahl von schwerbehinderten Beschäftigten nur auf den Zeitpunkt der Wahl abzustellen sei, sprächen insbesondere Systematik sowie Sinn und Zweck der Norm für eine Übertragung der im Betriebsverfassungsrecht geltenden Grundsätze und einen entsprechenden Gleichlauf.

Nach allgemeiner Auffassung endet das Amt des Betriebsrats, wenn die Zahl der in der Regel ständig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen nicht nur vorübergehend die vorgeschriebene Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmer*innen unterschreitet und deshalb der Betrieb nicht mehr betriebsratsfähig ist (vgl. BAG-Entscheidung vom 7. April 2004 – 7 ABR 41/03). Die Betriebsratsfähigkeit sei nicht bloß eine Voraussetzung für die Wahl des Betriebsrats, sondern bestimme gleichzeitig den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes und die damit verbundenen Rechte und Pflichten.

Das Merkmal „nicht nur vorübergehend“ in § 177 SGB IX regele die Frage, welche schwerbehinderten Beschäftigten und diesen Gleichgestellten für den Schwellenwert zählen. Es regele hingegen nicht, ob für die Frage des weiteren Bestands nur „punktuell“ auf den Zeitpunkt der Wahl abzustellen wäre.

Praxishinweise

Gesetzlich ist die Frage, ob das Amt der Scherbehindertenvertretung mit Absinken des Schwellenwerts endet, nicht ausdrücklich geregelt; in § 177 VII SGB IX werden vielmehr lediglich Umstände beschrieben, die sich auf das Mandat der Vertrauensperson als solches beziehen und nicht auf das Gremium.

In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beantwortet. Die Entscheidungsgründe des LAG Köln, das sich sehr ausführlich mit den verschiedenen Argumenten auseinandersetzt, ist u. E. nachvollziehbar.

Gegen die Entscheidung wurde Rechtsbeschwerde eingelegt, sodass mit Spannung abzuwarten bleibt, ob das Bundesarbeitsgericht die vorangegangenen Entscheidungen bestätigen wird.

Autorinnen

Ramona Leutschaft
Tel: +49 30 208 88 1251

Marion Plesch
Tel: +49 30 208 88 1146

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