Vermieter macht aus 800 DM Mietsicherheit 115.000 € – Gewinne gehen in die Taschen der Mieter

In einem kuriosen Fall sprach das Amtsgericht Köln (Urteil vom 19. Juli 2022, Az. 203 C 199/21) den Mietern die Erträge von über 115.000 € zu, die der Vermieter dadurch erwirtschaftet hatte, dass er die hinterlegte Mietsicherheit in Höhe von gerade einmal 800 DM seinerzeit in Aktien angelegt hatte.

Sachverhalt

Die Eltern der Klägerin mieteten im Jahr 1960 bei einer Wohnungsgesellschaft eine in Köln gelegene Wohnung an und hinterlegten eine Mietsicherheit in Höhe von 800 DM. Laut Mietvertrag sollte der Vermieter berechtigt sein, diese in Aktien anzulegen und den Mietern bei Ende des Mietverhältnisses wahlweise die Aktien zu übertragen oder ihnen den Nominalbetrag von 800 DM auszuzahlen. Der Vermieter ging auf Risiko und investierte in (eigene) Wertpapiere.

Im Jahr 2005 wechselten die Mieter in eine andere Wohnung des Vermieters und vereinbarten in diesem Zuge u. a. die Übertragung der Mietsicherheit (Zeitwert: 409,03 €). Ab diesem Zeitpunkt wurden an die Mieter immerhin regelmäßig die Dividenden aus der Anlage ausbezahlt – insgesamt gut 6.000 €.

Das Mietverhältnis endete im Jahr 2018. Der Tochter der verstorbenen Mieter war der Wert der gegenständlichen Aktie offenbar bekannt. Sie ließ sich nicht abspeisen, als der Vermieter ihr lediglich 409,03 € auszahlte, und klagte auf Herausgabe der Wertpapiere, die in diesem Zeitpunkt einen Kurswert von gut 115.000 € hatten.

Inhalt der Entscheidung

Juristisch bemerkenswert ist schon die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, ist diese nach dem Gerichtsverfassungsgesetz doch grundsätzlich nur bis zu einem Streitwert von 5.000 € gegeben. Da es sich hier jedoch nach wie vor „nur“ um einen Streit über ein Wohnraummietverhältnis handelte, war die Spezialzuständigkeit trotz allem gegeben.

Das Amtsgericht Köln urteilte, dass das seinerzeit vereinbarte Wahlrecht des Vermieters unwirksam sei. § 551 BGB sehe vor, dass Erträge aus der Mietsicherheit – unabhängig von der gewählten Anlageform – dem Mieter zustünden. Jede zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung sei unwirksam. Der Clou: Auch wenn es die Vorschrift zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses noch nicht gegeben habe, sei sie hier anzuwenden, da die Parteien im Jahr 2005 einen neuen Mietvertrag geschlossen und sich auf die Übertragung der Mietsicherheit verständigt hätten.

Fazit und Ausblick

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das gefundene Ergebnis gerecht ist. Auf der einen Seite handelt es sich um das Geld der Mieter, das hier jahrzehntelang „gearbeitet“ hat. Insofern scheint es gerechtfertigt, ihnen eine gewisse Wertsicherung zuzusprechen. Auf der anderen Seite dürfte der enorme Wertzuwachs wohl der Investitionsentscheidung des Vermieters und des für ihn tätig gewordenen Treuhänders zu verdanken sein.

Spektakuläre Fälle wie dieser dürften jedenfalls die Ausnahme bleiben. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass hier einige wenige „Trittbrettfahrer“ folgen, deren Mietsicherheit die Wohnungsbaugesellschaft in gleicher Weise angelegt hat, hing der Erfolg der Mieter im hiesigen Fall doch von speziellen Umständen wie der extrem langen Dauer des Mietverhältnisses und des zwischenzeitlichen Wechsels der Wohnung ab.

Zudem findet die Vorschrift des § 551 BGB nur Anwendung bei der Vermietung von Wohnraum, insbesondere also nicht in Bezug auf Geschäftsräume. Hier kann das Ergebnis also bereits gänzlich anders ausfallen. Selbst bei der Vermietung von Wohnraum bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung im Mietvertrag darüber, dass der Vermieter auch zur Anlage der Mietsicherheit in Wertpapiere berechtigt ist. Grundsätzlich hat er sie nämlich „bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen“ (§ 551 Abs. 3 BGB).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Mit Blick auf die in Streit stehende Summe ist zu erwarten, dass die Wohnungsbaugesellschaft in Berufung gehen wird. Um welche Wohnungsbaugesellschaft es sich handelt, wurde nicht veröffentlicht.

Autor

David Pamer
Tel: +49 30 208 88 1167

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Immobilienrecht Newsletter 3-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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