Und es ward Licht Gebot der zeitnahen Mittelverwendung ade?

Am 16. August 2024 hat die Bundesregierung dem Bundesrat den Entwurf eines Steuerfortentwicklungsgesetzes (SteFeG) vorgelegt.

Darin ist aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht eine kleine Sensation enthalten: Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) sowie die damit zusammenhängenden Vorschriften über die gemeinnützigkeitsrechtliche Rücklagen- und Vermögensbildung (§ 62 AO) und Sanktionsmechanismen (§ 63 Abs. 4 AO) sollen ersatzlos gestrichen und die Regelung zum sog. Endowment (§ 58 Nr. 3 AO) entsprechend angepasst werden. Die Gesetzesänderung soll am 1. Januar2025 in Kraft treten.

Nach der Gesetzesbegründung führe die Abschaffung der Zeitvorgaben für die Mittelverwendung zum Abbau bestehender Bürokratie, da eine Mittelverwendungsrechnung nicht mehr erforderlich ist. Ob eine Körperschaft tatsächlich gemeinnützig tätig ist und wie sie ihre Mittel einsetzt, könne die Finanzverwaltung anhand der ohnehin vorhandenen Aufzeichnungen prüfen.

Die Abschaffung der Mittelverwendungsfrist erleichtere nach der Begründung auch Leistungsbeziehungen zwischen gemeinnützigen Körperschaften. Vermiete beispielsweise eine gemeinnützige Körperschaft eine Immobilie, die sie mit zeitnah zu verwendenden Mitteln angeschafft hat, an eine andere gemeinnützige Körperschaft, die diese Immobilie für gemeinnützige Zwecke verwendet, führt diese Nutzungsänderung vom ideellen Bereich in die Vermögensverwaltung nach bisherigem Verständnis der Finanzverwaltung zum Wiederaufleben der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung. Die ursprünglich für die Anschaffung aufgebrachten Mittel müssten für den ideellen Bereich nachträglich zeitnah verwendet werden, obwohl sie weiterhin im Objekt „gebunden“ sind.

Die geplante Änderung erstaunt nicht, gab es doch in den letzten Jahren einige Entwicklungen, welche der – von der Finanzverwaltung bisher sehr eng und dogmatisch vorgenommenen – Auslegung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung zunehmend die Grundlage entzogen:

  • Mit Urteil vom 20. März 2017 (Az. X R 13/15, BStBl. II S. 1110) entschied der Bundesfinanzhof erstmals überhaupt zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Danach gebietet es der Zweck des Grundsatzes der zeitnahen Mittelverwendung, dass bei der Nachprüfung der Mittelverwendung nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände (im Urteilsfall: Barmittel) abzustellen ist, sondern auf die Gesamtheit aller zeitnah zu verwendenden Mittel (Saldobetrachtung bzw. Globalbetrachtung). Danach dürfte die in der Begründung als „altes Recht“ dargestellte Interpretation der Finanzverwaltung m. E. schon jetzt nicht mehr tragbar sein. 
  • Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde § 57 Abs. 4 AO in das Gesetz aufgenommen. Danach verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften hält und verwaltet. Die entsprechenden Beteiligungen sind dem ideellen Bereich zuzurechnen (vgl. AEAO zu § 57 Abs. 4 AO). Ein typischer Ansatzpunkt für Diskussionen um die „richtige“ Verwendung zeitnah zu verwendender Mittel, nämlich der Mitteleinsatz für die Beteiligung an einer anderen gemeinnützigen Körperschaft, ist damit schlicht entfallen. 
  • Ebenfalls mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde die Anwendung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung auf Körperschaften mit Einnahmen von mehr als 45 T€ beschränkt.

So folgerichtig die Aufhebung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung erscheint, so inkonsequent ist ein Inkrafttreten erst zum 1. Januar 2025. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung sich für frühere und noch offene Veranlagungszeiträume für eine maßvolle Auslegung entscheidet.

Für gemeinnützige Körperschaften stellt die geplante Gesetzesänderung jedenfalls eine zu begrüßende Verwaltungsvereinfachung und vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung dringend erforderliche Erweiterung des Handlungsspielraums dar.

Aber wie heißt es so schön, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Noch ist das Gesetz nicht durch den Bundestag …

Autor: 
Jens Krieger

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