Neues, Altes und Verwirrendes zum GSVG

Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) geht in das parlamentarische Verfahren. Nach der Verabschiedung des Kabinettsentwurfs am 22. Mai 2024 fand am 28. Juni die erste Lesung im Bundestag und am 5. Juli der erste Durchgang im Bundesrat statt.

Die Anhörung im Bundestag ist für den 25. September 2024 vorgesehen, bevor am 17. und 18. Oktober 2024 die zweite und dritte Lesung im Bundestag und am 22. November 2024 der zweite Durchgang im Bundesrat folgen.

Am 28. Juni 2024 wurde im Zusammenhang mit dem GVSG auch der Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum stärken“ (20/11955) beraten. Im Anschluss an die Debatte überwiesen die Abgeordneten beide Vorlagen an die Ausschüsse. Bei den weiteren Beratungen ist der Gesundheitsausschuss federführend, heißt es auf der Website des Deutschen Bundestages. Im Antrag der CDU/ CSU-Fraktion fallen vor allem zwei Dinge auf. Der Begriff „Medizinische Versorgungszentren (MVZ)“ taucht nicht auf. Dagegen taucht der Begriff „Praxiskliniken“ auf, der von einer maximalen Unschärfe und minimalen praktischen Relevanz gekennzeichnet ist.

Antrag der CDU/CSU-Fraktion

Das Fehlen des Begriffs Medizinische Versorgungszentren verwundert im Kontext des Antrags aus zwei Gründen. Zum einen sind Medizinische Versorgungszentren auch im ländlichen Raum versorgungsrelevant. Zum anderen sind es auch und gerade konservative Kreise aus der ärztlichen Selbstverwaltung, die gegen Medizinische Versorgungszentren schießen. Gab es hier wirklich das Bemühen um eine sachliche Auseinandersetzung?

Vermutlich nicht. Dagegen spricht, dass der Antragsteller, der zwar zu Recht „Verbesserungen mit erheblichem Effizienzsteigerungspotential“ im Bereich der sektorenübergreifenden Versorgung zwischen Krankenhäusern und ambulanten Leistungserbringern sieht, weiter ausführt, dass „weitere verstärkte Entlastungen für den stationären Krankenhaussektor […], die konsequente Umsetzung der Ambulantisierung, die Verbesserung der Situation bei teilstationären Behandlungen und die stringente Einbeziehung von Praxiskliniken nach § 122 SGB V [wären] […].“ In der Praxis seien „[…] jedoch viele Versorger, insbesondere Praxiskliniken, von einer unklaren Rechtslage, welche Kosten bei einer ambulanten Operation übernommen werden, [betroffen].“

Vor diesem Hintergrund soll hier als Exkurs versucht werden, sich der Frage anzunähern, was Praxiskliniken eigentlich sind. Anknüpfungspunkt muss wie immer eine Norm sein. In Betracht kommen § 115 Abs. 2 Nr. 1 SGB V, § 122 SGB V und § 140a Abs. 3 Nr. 4 SGB V. Danach sind Praxiskliniken Einrichtungen, in denen Versicherte durch Zusammenwirken mehrerer Vertragsärzt*innen ambulant und stationär versorgt werden, nur dass dies auch für Belegkliniken gilt, da Belegkliniken regelmäßig auch von Medizinischen Versorgungszentren versorgt werden (vertragsärztlich, also z. B. durch ambulantes Operieren in den als ausgelagerte Praxisräume angezeigten Räumlichkeiten der Belegklinik und stationär im Rahmen des Belegarztwesens). Eine Praxisklinik wird zwar im Zusammenhang mit der Frage, wer Verträge nach § 115 SGB V bzw. Verträge zur besonderen Versorgung nach § 140a SGB V abschließen kann, erwähnt, ein eigener Leistungserbringerstatus wird der Praxisklinik damit aber m. E. nicht zuerkannt. Vielmehr kann man sich unter einer solchen Einrichtung eher ein Ärztehaus vorstellen, in dem sich verschiedene Vertragsärzt*innen, MVZ, Privatkliniken einmieten, ggf. auch gemeinsam (mittelbar) einen oder mehrere OPs betreiben, um dann nach außen als Praxisklinik aufzutreten. Hierfür spricht auch § 122 Abs. 1 SGB V, der von der Wahrnehmung der Interessen „der in Praxiskliniken tätigen Vertragsärzte“ spricht, also von Ärzt*innen oder MVZ mit eigenem Leistungserbringerstatus, die in der Praxisklinik (räumlich) tätig, aber nicht beim Träger der Praxisklinik angestellt sind. Die Abrechnung erfolgt somit durch die Leistungserbringer selbst.

Wenn aber die Praxisklinik gar kein Leistungserbringer ist, dann ist es doch etwas verwunderlich, warum die CDU/CSU-Fraktion unter Punkt 19 ihres Antrages „eine konsequente Berücksichtigung und Unterstützung bei der Umsetzung des § 122 SGB V für Praxiskliniken“ zur Verbesserung der Versorgungssituation erreichen will, und auch die Ausführungen zu Fragen der Abrechnung sind jedenfalls nicht selbsterklärend.

Meines Erachtens müsste der Antrag vielmehr lauten, Vertragsärzt*innen und MVZ dabei zu unterstützen, an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung tätig zu werden und diese Leistungen auch abrechnen zu können. Auch der Ausbau des Belegarztwesens wäre zu erwägen, wenn auch gegen den Trend der letzten Jahre.

Parlamentarisches Verfahren

Was das GVSG unmittelbar betrifft, so hat der Bundesgesundheitsminister im Zusammenhang mit den Medizinischen Versorgungszentren trompetet, dass noch kein Gesetz das Verfahren so verlassen habe, wie es eingebracht worden sei. Das mag sogar richtig sein. Allerdings sind bisher keine konkreten Änderungsanträge zu MVZ bekannt geworden. Der Bundesrat hat am 5. Juli 2024 lediglich seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzentwurf nicht die angekündigten Regelungen zur Regulierung von investorengesteuerten Medizinischen Versorgungszentren enthält, und dann auf seinen Entschließungsantrag „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ vom 16. Juni 2023 verwiesen und um Prüfung der darin enthaltenen Vorschläge gebeten. Diese sind jedoch, wie bereits im Newsletter 2/2023 ausführlich kommentiert, ungeeignet. In Erinnerung an das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) bleibt zu hoffen, dass sich im Gesundheitsausschuss und im Bundestag erneut die Vernunft durchsetzt und die ideologisch getriebenen Initiativen nicht angenommen werden. Andernfalls wird man sich wohl in Karlsruhe wiedersehen. Das Verfahren zum GVSG und der damit im Zusammenhang stehende Antrag der CDU/CSU-Fraktion zeigen eines sehr deutlich: Die Regulatorik im Gesundheitswesen ist (zu) komplex. Statt evidenzfreie Vorschläge zu diskutieren und immer neue Konzepte zu normieren, Versorgungsformen und Leistungserbringertypen zu schaffen (Stichwort: Gesundheitskioske, Besondere Einrichtungen etc.), sollte unnötige Regulierung sowie die immer noch vorherrschende Sektorentrennung konsequent abgebaut und Synergien zwischen den bestehenden ambulanten und stationären Leistungserbringern gebildet werden. Der Patient will die bestmögliche Behandlung. Wer diese erbringt, spielt keine Rolle.

Für Fragen zu diesem und anderen Themen aus dem Gesundheitswesen steht Ihnen unser interdisziplinäres Healthcare-Team gerne zur Verfügung.

Autor:

Dr. Moritz Ulrich

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 3-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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