Bayern regelt die Abrechnung strahlentherapeutischer Leistungen in Krankenhäusern neu
Bayern regelt die Abrechnung
Hintergrund der Neuregelung
Bisher war es gängige Praxis, dass Krankenhäuser ohne eigene Strahlentherapie ihre Patient*innen zur Bestrahlung in nahe gelegene Praxen überwiesen. Dieses Vorgehen hatte sich bewährt, um eine kontinuierliche strahlentherapeutische Behandlung – auch über den Krankenhausaufenthalt hinaus – zu gewährleisten. Zwei Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. April 2022, B 1 KR 15/21 R, und vom 29. August 2023, B 1 KR 18/22 R, die wir in den Newslettern 2/2022 und 4/2023 vorgestellt haben, stellten diese Praxis jedoch infrage.
Zur Erinnerung: In der ersten Entscheidung vom 26. April ging es – stark verkürzt – um die Konstellation, dass in einem Krankenhaus, zu dessen Versorgungsauftrag neben der Inneren Medizin auch die Fachrichtung Strahlentherapie gehört, die regelmäßig in Arztpraxen durchgeführten strahlentherapeutischen Behandlungen nicht als „veranlasste Leistungen Dritter“ nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) abgerechnet werden können. Denn wesentliche Leistungen dürfen nicht dauerhaft an Dritte vergeben werden, auch wenn das Krankenhaus selbst nicht in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen.
Die zweite Entscheidung des BSG vom 29. August 2023 betraf den Fall, dass ein Krankenhaus über keinen ausdrücklich zugewiesenen Versorgungsauftrag für die Strahlentherapie verfügte. In diesem Fall sei zwar zu Recht eine in der Gesamtverantwortung des Krankenhauses verbleibende Drittleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG veranlasst worden; nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG dürften aber mit Ausnahme von Notfällen nur solche Leistungen abgerechnet werden, die zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehörten. Beide Entscheidungen führten zu Unsicherheiten bei der Abrechnung und drohten Versorgungslücken zu schaffen.
Inhalt der neuen Allgemeinverfügung
Mit der neuen Allgemeinverfügung vom 15. Mai 2024, Az. 24a-K9000-2022/29-415, reagierte das Bayerische Gesundheitsministerium auf diese Herausforderung. Im Wege einer Allgemeinverfügung wurde daher ausdrücklich klargestellt, dass der Versorgungsauftrag der zugelassenen Krankenhäuser auch ohne ausdrückliche Zuweisung des Fachgebietes Strahlentherapie die ergänzende strahlentherapeutische Behandlung von Patient*innen umfasst. Dies gilt insbesondere für Patient*innen mit onkologischen Erkrankungen.
Die Neuregelung ermöglicht es Krankenhäusern, strahlentherapeutische Leistungen bei qualifizierten Praxen in Auftrag zu geben. Wichtig dabei: Die Gesamtverantwortung für die Behandlung verbleibt beim Krankenhaus. Die beauftragte Praxis muss sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Krankenhaus befinden und zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sein. In welchen Fällen diese ergänzende Strahlentherapie zum Einsatz kommen darf, ist in der Allgemeinverfügung klar geregelt:
- wenn die Strahlenbehandlung zusätzlich zur stationären Hauptleistung dringend erforderlich ist, um Schäden oder Komplikationen beim Patienten zu vermeiden
- um die Kontinuität einer bereits laufenden Strahlentherapie bei einer stationären Aufnahme aus anderen Gründen zu gewährleisten
- Strahlenbehandlungen im Rahmen multimodaler Therapien, bei denen die Kompetenz anderer Disziplinen als der Strahlentherapie als vorrangig oder gleichwertig für den Behandlungserfolg anzusehen ist
- strahlentherapeutische Behandlungen bei multimorbiden Patienten oder Patienten, deren Allgemeinzustand eine ambulante Behandlung nicht zulässt und bei denen die Betreuung durch andere Disziplinen als die Strahlentherapie als gleichwertig oder vorrangig anzusehen ist
Bedeutung für die Gesundheitswirtschaft und Patient*innen in Bayern
Diese Neuregelung hat weitreichende Folgen für verschiedene Akteure im Gesundheitswesen:
Für die Krankenhäuser wird Rechtssicherheit geschaffen. Sie können die Kosten der Strahlentherapie in den vorgenannten Fallkonstellationen nunmehr als „veranlasste Leistungen Dritter“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG abrechnen. Dies sichert die Refinanzierung und erhält bewährte Versorgungsstrukturen. Die niedergelassenen Strahlentherapeut*innen profitieren von der Klarstellung ihrer Rolle in der Versorgungskette. Sie können weiterhin eng mit den Krankenhäusern kooperieren und ihre Expertise einbringen.
Für die Patient*innen bedeutet die Regelung vor allem eines: Kontinuität in der Behandlung. Sie müssen nicht befürchten, dass eine begonnene Strahlentherapie unterbrochen oder an einem anderen Gerät fortgesetzt werden muss. Die Kostenträger erhalten durch die klare Definition der Anwendungsfälle eine verlässliche Grundlage für die Kostenübernahme. Streitigkeiten über die Notwendigkeit und Angemessenheit von Behandlungen werden reduziert.
Fazit und Ausblick
Die neue Allgemeinverfügung in Bayern zeigt beispielhaft, wie komplexe Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen rechtssicher gestaltet werden können. Sie reagiert flexibel auf die Bedürfnisse der Patient*innen und die Realitäten des Versorgungsalltags. Gleichzeitig setzt sie klare Rahmenbedingungen für alle Beteiligten und ist ein gutes Beispiel dafür, wie medizinische Notwendigkeiten, wirtschaftliche Interessen und rechtliche Vorgaben in Einklang gebracht werden können.
Autor: Alexander Greiff
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