EuGH: Umsatzsteuerliche Behandlung der Vermietung von Betriebsvorrichtungen
Vermietung von Betriebsvorrichtungen
Der BFH hat mit Urteil 17. August 2023 (V R 7/23 (V R 22/20)) die Revision in der Hauptsache – entsprechend den Grundsätzen des EuGH – als unbegründet zurückgewiesen und damit seine bisherige Rechtsprechung geändert.
Zwar ist die Entscheidung in einem gänzlich anderen Kontext ergangen („Putenaufzucht“). Das Urteil dürfte allerdings insbesondere für niedergelassene Ärzt*innen und Gemeinschaftspraxen, die „nur“ nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbringen, interessant sein, da diesen, z. B. in Hinblick auf die Mitüberlassung von Großgeräten, die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für „eng verbundene Umsätze“ nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, anders als beispielsweise Krankenhäusern, nicht eröffnet ist.
Sachverhalt
Der Kläger vermietete im Rahmen eines Pachtvertrags Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Die mitvermieteten Betriebsvorrichtungen und Maschinen (Fütterungsvorrichtungen sowie ein Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystem) waren speziell auf die Nutzung des Gebäudes als Putenaufzuchtstall abgestimmt. Nach den Bestimmungen des Pachtvertrags erhielt der Kläger für die Überlassung des Stalls und der Vorrichtungen und Maschinen ein einheitliches Entgelt. Der Kläger behandelte daher die Pachteinnahmen insgesamt als umsatzsteuerfreie Grundstücksüberlassung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG.
Das Finanzamt teilte den Pachtzins hingegen auf: Die Vermietung des Zuchtstalls war nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Vermietung der Betriebsvorrichtungen stellte nach Finanzverwaltungsauffassung hingegen eine umsatzsteuerpflichtige Leistung dar. Hintergrund sei das gesetzliche „Aufteilungsgebot“ gemäß § 4 Nr. 12 S. 2 UStG. Dort heißt es:
Nicht befreit sind … und die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind.
Die Vorschrift geht auf eine ähnlich lautende Einschränkung in der übergeordneten Mehrwertsteuersystemrichtlinie zurück (Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStSystRL):
Die folgenden Umsätze sind von der Befreiung [als Grundstücksumsätze] ausgeschlossen: … [die] Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen …
Nach erfolgreicher erstinstanzlicher Klage legte der BFH – im Rahmen des Revisionsverfahrens – dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vor, ob die Steuerpflicht der Vermietung von dauerhaft eingebauten Betriebsvorrichtungen nur deren isolierte Vermietung erfasse oder auch deren Vermietung als Nebenleistung zu einer steuerfreien Gebäudevermietung bzw. -verpachtung.
Entscheidung des EuGH
Nach der Entscheidung des EuGH findet Art. 135 Abs. 2 S. 1 Buchst. c MwStSystRL auf die Vermietung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen (Betriebsvorrichtungen) keine Anwendung, wenn diese Vermietung lediglich eine Nebenleistung zur Hauptleistung (die steuerfreie Vermietung des Gebäudes) darstellt und beide Leistungen eine wirtschaftlich einheitliche Leistung bilden.
Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, sei im Wege einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob getrennte Leistungen vorliegen oder ob es sich um eine einheitliche Leistung handelt.
Eine einheitliche Leistung liege – so der EuGH – vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dabei ist eine Leistung als bloße Nebenleistung einzuordnen, wenn sie für den Kunden keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. In einem solchen Fall einer wirtschaftlich einheitlichen Leistung teile die Nebenleistung das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung.
Mit Verweis auf die bisherige Rechtsprechung liege es im Urteilsfall nahe, von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang auszugehen. Ob im Streitfall ein solches Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung vorliegt, müsse aber das jeweilige nationale Gericht entscheiden. Die entsprechende Folgeentscheidung des BFH steht noch aus.
Der BFH hat – unter Zugrundelegung der EuGH-Rechtsprechung – nunmehr mit Urteil vom 17. August 2023 die erste Instanz bestätigt, dass im Streitfall die Überlassung der Betriebsvorrichtungen eine Nebenleistung zur Grundstücksvermietung darstellt. Bei den Vorrichtungen und Maschinen im Streitfall handelte es sich – wie der BFH ausführt – um speziell abgestimmte Ausstattungselemente, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Vorrangig gewährleiste aber das Gebäude den Schutz und die Wärme der Puten zur Mast, sodass die Gebäudeverpachtung als Haupt- und die Überlassung der Betriebsvorrichtungen als Nebenleistung einzuordnen ist.
Auswirkungen
Die Entscheidungen des EuGH und BFH sind zu begrüßen, da sie insoweit Klarheit für die Frage der umsatzsteuerlichen Würdigung bei einer einheitlichen Vermietungsleistung von Grundstück und Betriebsvorrichtung bringen.
Insbesondere das Urteil des EuGH legt ein längst bestehendes Gesetz neu aus. Es kann daher grundsätzlich in allen noch offenen Fällen auch in der Vergangenheit herangezogen werden. Inwieweit dieses hilfreich ist, wird unter Berücksichtigung der dann ggfs. entfallenden Vorsteuerabzugsberechtigung sowie der formellen Notwendigkeit, Rechnungen neu zu erteilen (§ 14c UStG), und ggfs. entstehender Rückforderungsansprüche der Mieter*innen im Einzelfall zu entscheiden sein. Da die bisherige Verwaltungsauffassung (A 4.12.10 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE)) auf der alten Auslegung beruht, ist sie jedenfalls kein Orientierungsmaßstab mehr. Es ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung zeitnah die Rechtssprechungsänderung durch Anpassung des UStAE nachvollzieht.
Neben den eingangs erwähnten Erbringern von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) lohnt sich auch für Krankenhäuser und ähnliche Einrichtungen i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG zu prüfen, ob bisher umsatzsteuerpflichtige Mitüberlassungen an Dritte, die nicht als „eng verbundene Leistungen“ bewertet wurden, nach der Rechtsprechung ggfs. eine einheitliche steuerfreie Grundstücksvermietung darstellen könnten, beispielsweise die Überlassung von Kühlzellen in der Pathologie oder die Überlassung speziell eingerichteter Behandlungsräume (MRT, Radiologie usw.), aber auch betriebsfertiger Küchenräume.
Dagegen dürften Geschäftsmodelle von Investoren zur Bereitstellung solcher Räume und Betriebsvorrichtungen aufgrund der logisch folgenden Versagung des Vorsteuerabzugs unattraktiver werden. Da die ärztliche Nutzerschaft i. d. R. nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, wird die Optierung zur Umsatzsteuerpflicht gemäß § 4 Nr. 9 UStG typischerweise unzulässig sein.
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.