Revision beim BFH: Umsatzsteuerlicher Status unselbstständiger Stiftungen
Der Streitfall
Ein gemeinnütziger Verein war im Streitfall Träger von rechtlich unselbstständigen, gemeinnützigen Stiftungen (Treuhandstiftungen). Gegen Entgelt überließ der Verein Personal an einzelne dieser Stiftungen. Außerdem war der Verein aufgrund einer „Beitragsordnung“ berechtigt, aus den jeweiligen Stiftungsvermögen einen jährlichen „Kostenbeitrag“ für den entstandenen Verwaltungsaufwand und die eigene gemeinnützige Tätigkeit zu entnehmen.
Das Finanzamt behandelte diese Personalüberlassungen gegen Entgelt und die Beiträge für die Verwaltung des Stiftungsvermögens als einen umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).
Das Finanzgericht nahm dagegen weder bei der Personalüberlassung gegen Entgelt noch für die Beiträge der Verwaltung des Stiftungsvermögens einen umsatzsteuerbaren Leistungsaustausch zwischen dem Verein und den unselbstständigen Stiftungen an. Ein umsatzsteuerrechtliches Leistungsverhältnis komme grundsätzlich durch einen zivilrechtlichen Vertrag zustande. Der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags setzt mindestens zwei (natürliche oder juristische) Personen voraus. Maßgeblich sei, dass eine rechtlich unselbstständige Stiftung zivilrechtlich nicht fähig ist, Trägerin von Rechten und Pflichten zu sein. Zivilrechtlich handelt die unselbstständige Stiftung nur durch ihren Rechtsträger. Mangels ihrer Rechtsfähigkeit kann sie keine Partei eines zivilrechtlichen Vertrags für einen Leistungsaustausch sein. Außerdem gehört das Stiftungsvermögen zivilrechtlich bereits zum Vermögen des Klägers als Stiftungsträger. Daher sei eine nichtselbstständige Stiftung kein tauglicher Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschverhältnis.
Praxishinweis
Gerade bei Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen ergeben sich ähnliche Konstellationen durch zweckgebundene Zuwendungen, beispielsweise im Rahmen von Erbschaften und Vermächtnissen. Bis zum Ergehen der Revisionsentscheidung sollten in ähnlich gelagerten Fällen Umsatzsteuerveranlagungen des Trägers der unselbstständigen Stiftung – und soweit gesondert veranlagt – der unselbstständigen Stiftung offengehalten werden.
Weiterführend wäre – wenn der BFH die eigenständige umsatzsteuerliche Rechtsfähigkeit bejahen sollte – u. E. zu prüfen, ob zwischen Trägerverein und unselbstständiger Stiftung eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht, und damit der vielschichtigen Prüfung der Organschaftsvoraussetzungen durch BFH und EuGH eine neue Facette hinzuzufügen.
Soweit Leitungsorgane identisch oder weisungsgebunden sind und in der Regel sich ergänzende Tätigkeiten ausgeübt werden, könnten jedenfalls die Voraussetzungen der organisatorischen und wirtschaftlichen Eingliederung zu bejahen sein. Bei der Prüfung des Merkmals der finanziellen Eingliederung müsste berücksichtigt werden, dass zivilrechtlicher Eigentümer des Stiftungsvermögens typischerweise der Stiftungsträger ist. Soweit erkenntlich, wurde die Frage, ob dieses zur Annahme einer finanziellen Eingliederung bzw. nach EU-Recht zu einer engen finanziellen Verbundenheit führt, bisher nicht diskutiert. Nach Unionsrecht muss lediglich eine „enge Verbundenheit durch gegenseitige Beziehungen“ zwischen den Unternehmen vorliegen. Wie diese ausgestaltet sein soll, ist nicht näher umschrieben. Daher sind unionsrechtlich sowohl neben- als auch untergeordnete Unternehmen denkbar.
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