Eine ermächtigte Psychiatrische Institutsambulanz muss nicht über einen eigenen ärztlichen Leiter verfügen
Psychiatrische Institutsambulanz
Mit Urteil vom 23. März 2023 hat das BSG entschieden, dass eine Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) gemäß § 118 SGB V nicht über eine gesonderte ärztliche Leitung verfügen muss. Diese Aufgabe kann vielmehr von der Leitung des psychiatrischen Plankrankenhauses wahrgenommen werden, soweit sich diese auf die PIA erstreckt.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Trägerin eines psychiatrischen Krankenhauses mit mehreren Standorten. Darunter befindet sich eine Tagesklinik, in der sie eine PIA betreibt. Dabei handelt es sich um eine u. a. an Fachkrankenhäuser angegliederte Einrichtung mit multiprofessionellem ambulanten Behandlungsangebot, die zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 118 SGB V ermächtigt ist.
Nach dem Betrieb zunächst mehrerer eigenständiger Krankenhäuser wurden diese im Mai 2018 zu einem „Krankenhaus im Rechtssinne“ mit insgesamt neun Standorten zusammengeführt. Anstelle von mehreren ärztlichen Leitern wie bisher wurde nun ein Arzt ärztlicher Leiter des gesamten Krankenhauses mit allen neun Standorten.
Die Klägerin informierte den Zulassungsausschuss (ZA) über den Wechsel in der ärztlichen Leitung mit der Bitte um Anpassung des Ermächtigungsbescheides für die PIA, dem der ZA nachkam. Dem hiergegen erhobenen Widerspruch der Krankenkassen und Krankenkassenverbände gab der beklagte Berufungsausschuss statt. Zwar enthalte § 118 Abs. 1 SGB V nicht wörtlich das Erfordernis einer eigenständigen ärztlichen Leitung einer PIA. Insoweit liege aber eine planwidrige Lücke im Normtext vor. Das Erfordernis ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang. Es handele sich um ein notwendiges und vom Gesetzgeber offensichtlich vorausgesetztes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal. Ein (einzelner) Arzt könne seine Funktion als ärztlicher Leiter nicht gleichzeitig an deutlich voneinander entfernten Standorten wahrnehmen. Der Berufungsausschuss kündigte der Trägerin an, die Zulassung für die PIA zu widerrufen, sollte sie keinen eigenen ärztlichen Leiter für die PIA benennen.
Gegen die Entscheidung des Berufungsausschusses hat die Trägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben, das der Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2020 – S 49 KA 287/18 – stattgegeben hat. Das Bayrische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 19. Januar 2022 – L 12 KA 39/20 – zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei nicht zwischen der Leitung des psychiatrischen Krankenhauses und dessen Ambulanz zu differenzieren. Weder enthalte § 118 SGB V ein entsprechendes ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal noch liege eine Regelungslücke vor. Ermächtigungssubjekt hinsichtlich der Leistungserbringung aufgrund der Ermächtigung sei – so das LSG – nach § 118 Abs. 1 SGB V das psychiatrische Krankenhaus und nicht eine aufgrund der Ermächtigung herausbildende Ambulanz. Die fachärztliche Leitung des psychiatrischen Krankenhauses sei zugleich die ärztliche Leitung der PIA. Hiergegen legten der beklagte Berufungsausschuss und die Krankenkassen Revision ein.
Entscheidung
Das BSG hat die Revision mit Urteil vom 23. März 2023 – Az. B 6 KA 6/22 R – zurückgewiesen. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die vorinstanzlichen Entscheidungen aus, dass die ärztliche Leitung der PIA durch die Krankenhausleitung wahrgenommen werden kann. Dem Wortlaut des § 118 SGB V ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Darüber hinaus hat das BSG klargestellt, dass notwendige weitergehende Bestimmungen zu Qualitätsstandards für die Erbringung ambulanter psychiatrischer oder psychotherapeutischer Leistungen durch Krankenhäuser unter Beachtung des Gewaltenteilungsprinzips zu treffen sind.
Ob Anforderungen an eine gesonderte ärztliche Leitung von PIA gestellt werden sollten oder ob diese unter fachlichen Gesichtspunkten verzichtbar oder sogar kontraproduktiv wären, weil dadurch eine möglichst dezentral zu organisierende ambulante psychiatrische Versorgung unnötig erschwert würde, ist eine gesundheitspolitische Frage, die entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ohne einen konkreten normativen Anknüpfungspunkt durch die Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung beantwortet werden kann.
Praxishinweise
Auch wenn das Urteil des BSG – ebenso wie die Entscheidungen der Vorinstanzen – nachvollziehbar ist, wäre es bei konsequenter Anwendung des geltenden Rechts durch den Berufungsausschuss (u. a.) nicht notwendig gewesen. Insbesondere die Urteilsgründe des BSG zur Gewaltenteilung sollten von den Zulassungsgremien zur Kenntnis genommen werden, die – wie auch die Besprechung meines Kollegen RA Dr. Moritz Ulrich zum Urteil des SG Marburg vom 3. Mai 2023 (S 17 KA 642/22) zeigt – nicht selten durch das „Draufsatteln“ vermeintlich gesetzlicher Anforderungen den Betrieb ambulanter ärztlicher Versorgungsstrukturen erschweren und zunächst eine gerichtliche Klärung erforderlich machen.
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Autor
Alexander Greiff
Tel: +49 30 208 88 1305
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.