Unrichtiger/Unberechtigter Steuerausweis an Endverbraucher*innen – BMF-Schreiben vom 27. Februar 2024
Unrichtiger/Unberechtigter Steuerausweis
43 Das BMF-Schreiben kann nach unserer praktischen Erfahrung wesentliche Auswirkungen auf die Abrechnung von Zytostatika und Fertigarzneimittel (FAM) der Krankenhäuser – auch gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen – haben.
BMF-Schreiben vom 27. Februar 2024
Das BMF hat mit Schreiben vom 27. Februar 2024klargestellt, dass § 14c UStG unionsrechtskonform auszulegen ist und falsch ausgewiesene Umsatzsteuer nicht geschuldet wird, soweit
- ein Unternehmer (einschließlich Kleinunternehmer) die in Rechnung gestellte Leistung tatsächlich ausgeführt hat und
- die Rechnungsempfänger Nichtunternehmer oder Unternehmer sind, die nicht als solche handeln(insbes. Unternehmer, die die Leistung für ihren privaten Bereich oder eine nicht wirtschaftliche Tätigkeit beziehen) und
- der Steuerpflichtige dies glaubhaft darlegen bzw. plausibel begründen kann.
Diese Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung sollen jedoch keine Anwendung finden für Leistungen, die an einen Unternehmer (einschließlich Kleinunternehmer sowie Unternehmer mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen) für dessen unternehmerischen Bereich erbracht wurden, oder wenn nicht sicher beurteilt werden kann, ob der Rechnungsempfänger als Unternehmer oder als Endverbraucher gehandelt hat. Wird in diesen Fällen eine falsche Steuer in der Rechnung ausgewiesen, soll die zu viel geschuldete Steuer bestehen bleiben.
Hintergrund im Bereich der Abrechnung von Zytostatika und FAM
Insbesondere im Bereich der Abrechnung von Zytostatika und FAM gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen hat dies praktische Bedeutung.Bereits in ihrem Schreiben vom 13. Dezember 2022hat die Finanzverwaltung vor dem Hintergrund der EuGH- und BFH-Rechtsprechung (siehe hierzu unseren Beitrag im Newsletter Healthcare 1/2023)bestätigt, dass neben der Verabreichung von Zytostatika, die individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke eines Krankenhauses hergestellt und im Rahmen einer ambulant in dem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung verabreicht werden, auch die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten (Fertig-)Medikamenten von der Umsatzsteuer befreit ist. Voraussetzung ist,dass die Abgabe ein integraler Bestandteil einer Therapie ist und damit einen eng mit der ärztlichen Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG verbundenen Umsatz darstellt (Abschnitt 4.14.6 Abs.2 Nr. 3 UStAE).
Weiter hat das BMF die Aussage getroffen, dass es für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2023 ausgeführt werden, nicht beanstandet wird, wenn der Unternehmer seine Leistungen – hiervon abweichend –weiterhin als umsatzsteuerpflichtig behandelt.Soweit es sich hierbei um die Abgabe von Arznei-mitteln innerhalb des Zweckbetriebs eines Krankenhauses nach § 67 AO handelt, ist in allen offenen Fällen auf diese Lieferung der ermäßigte Steuersatz (derzeit sieben Prozent) anzuwenden. Aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen kann unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden.
Auswirkungen für die Praxis
Nun hat das BMF mit Schreiben vom 27. Februar2024 klargestellt, dass eine Rechnungskorrekturin den Fällen nicht erforderlich ist, in denen der unrichtige Steuerausweis nicht zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führt. Die § 14c-UStG-Steuerentsteht in diesen Fällen – auch ohne Rechnungskorrektur – nicht. Dies betrifft insbesondere Leistungen an Endverbraucher*innen, in denen kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht.
Damit besteht nunmehr Rechtssicherheit in Fällen, in denen Leistungen gegenüber Endverbraucher*innen mit zu hoher ausgewiesener Steuer abgerechnet wurde.
Für Krankenhausträger bedeutet dies, dass in der Vergangenheit zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer auf die Lieferung von Zytostatika und FAM nun auch ohne Rechnungskorrektur von der Finanzverwaltung zurückgefordert werden kann. Relevant ist dies insbesondere für die Abrechnung der Krankenhäuser gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen.So haben – wegen der bestehenden unsicheren Rechtslage vor 2023 – Krankenhausträger jahrelang Leistungen über die Lieferung von Fertigarzneimitteln gegenüber Patient*innen mit 19 Prozent anstatt sieben Prozent abgerechnet. Entsprechend wurden den gesetzlichen Krankenkassen zu hohe Beträge in Rechnung gestellt.
Nach nun geklärter und durch die Finanzverwaltung anerkannter Rechtslage stehen nunmehr (sichere) Erstattungsansprüche der Krankenhäuser gegenüber der Finanzverwaltung zu, ohne dass eine – in der Praxis in vielen Fällen gar nicht mehr mögliche – Rechnungskorrektur erforderlich ist. Inwieweit die gesetzlichen Krankenkassen andererseits Ansprüche gegenüber den Krankenhausträgern aus vermeintlich – aufgrund des Ausweises der Umsatzsteuer – zu hohen Abrechnungen haben, ist eine in vielen Fällen schwierige und vom Einzelfallabhängige Frage, in der zivilrechtlich und (umsatz-)steuerliche Aspekte zu beachten sind. In diesem Zusammenhang beraten wir Sie gerne.
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.