Investorenbetriebene MVZ können sich nicht auf Nachrangregelung berufen

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) hat mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 entschieden, dass die Nachrangregelung des § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V nicht anwendbar ist, wenn sich bei der Auswahl des Praxisnachfolgers zwei Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gegenüberstehen, die mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführt werden. Dies gilt auch dann, wenn eines der MVZ die Voraussetzungen der Bestandsschutzregelung des § 103 Abs. 4c Satz 4 SGB V erfüllt.

Sachverhalt

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war eine Vertragsärztin verstorben. Ein bei ihr angestellter Arzt wollte die Praxis fortführen, allerdings nicht freiberuflich, sondern als angestellter Arzt einer Zweigpraxis eines zwei Kilometer entfernten MVZ (im Folgenden: MVZ 1). An dem Praxissitz war aber auch ein anderes MVZ (MVZ 2) bzw. dessen Trägergesellschaft interessiert. Um dem Konkurrenten die Fortführung der Praxis unmöglich zu machen, mietete das MVZ 2 kurzerhand die Praxisräume an. Das MVZ 1 wies daraufhin auf Räume am eigenen MVZ-Standort als Alternative hin. Beide MVZ befanden sich zudem mehrheitlich im Besitz von Kapitalinvestoren. Solche MVZ sind nach dem Wortlaut des § 103 Abs. 4c Satz 3 SGB V „gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen“. Als das MVZ 1 bzw. dessen Trägergesellschaft im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens vor dem Zulassungsausschuss den Zuschlag erhielt, ging das MVZ 2, welches bereits zum 31. Dezember 2011 zugelassen war, gegen diese Entscheidung vor. Der Berufungsausschuss bestätigte die Entscheidung und ordnete die sofortige Vollziehung mit Beschluss vom 25. Januar 2023 an. Hiergegen erhob die Trägergesellschaft des MVZ 2 Klage (Az. S 87 KA 350/23) und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die das Sozialgericht Berlin (SG Berlin) mit Beschluss vom 10. Juli 2023 – S 87 KA 362/23 ER – abwies.

Entscheidung

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 – L 7 KA 26/23 B ER – bestätigte das LSG die Entscheidung des SG Berlin und stellte klar, dass § 103 Abs. 4c Satz 3 und 4 SGB V im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien. Zur Begründung führte es aus, dass mit den „übrigen Bewerbern“ allein freiberuflich tätige Ärzte gemeint seien, weshalb § 103 Abs. 4c Satz 3 und 4 SGB V nur für die Auswahl zwischen diesen und mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführten MVZ gelte. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut „übrige Bewerber“, aber unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu § 103 SGBV aus dem Zweck der Regelung. Dieser Schutz gerade freiberuflich tätiger Ärzte soll ausnahmsweise im Wege des Bestandsschutzes nicht gelten, wenn das MVZ gemäß § 103 Abs. 4c Satz 4 SGB V am 31.Dezember 2011 zugelassen war und bei ihm die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte bereits zu diesem Zeitpunkt nicht bei den dort tätigen Vertragsärzten lag. Ein darüber hinaus gehender Schutzzweck, der zugunsten des MVZ 2 darin bestehen würde, ein bestandsgeschütztes mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführtes MVZ gegenüber einem nicht bestandsgeschützten MVZ zu privilegieren, lasse sich § 103 Abs. 4c SGB V mit seiner Schutzwirkung zugunsten freiberuflich tätiger Ärzte nicht ohne Weiteres entnehmen. Schließlich hätten nach Auffassung des LSG die Zulassungsgremien das MVZ 1 für die Nachfolge ermessensfehlerfrei ausgewählt, weil der nun dort angestellte Arzt für die Fortführung der Praxis besonders geeignet sei. Wegen der Versorgung der Patienten, die dringend geboten sei, habe das SG Berlin auch zu Recht keine aufschiebende Wirkung angeordnet. 

Praxishinweis

Die Trägergesellschaft des MVZ 2 hat aus der Anmietung der Praxisräume keinen Vorteil ziehen können. Denn dass die Praxis aus Sicht des MVZ 1 nunmehr umziehen musste, beruhte allein darauf, dass die ursprünglichen Räumlichkeiten für die vorgesehene Trägergesellschaft des MVZ 1 nicht mehr zur Verfügung standen. Zweifel am ursprünglichen Fortführungswillen auch am ursprünglichen Standort ergeben sich nach Auffassung des LSG nicht.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Want to know more?