Schweiz als Drittland nach der MDR – rechtlicher Rahmen für Medizinprodukte in der Schweiz und der EU

1. Einleitung

Der Beitrag beschäftigt sich mit den Auswirkungen der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation – MDR) auf die Schweiz. Vor Inkrafttreten der MDR gab es für EU-grenzüberschreitende Tätigkeiten mit Medizinprodukten in der Schweiz keine besonderen Anforderungen zu beachten, da das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Mutual Recognition Agreement – MRA) sicherstellte, dass die europäische Medizinprodukterichtlinie (Medical Device Directive – MDD) auch in der Schweiz umgesetzt wurde.

Allerdings konnten sich die Schweiz und die EU in Verhandlungen über das Institutionelle Abkommen (InstA) aufgrund von substanziellen Differenzen in zentralen Bereichen des Lohnschutzes und der Unionsbürgerrichtlinie nicht einigen. Das Scheitern dieser Einigung bedeutete gleichzeitig das Ende des MRA. Damit endete auch der unkomplizierte Vertrieb von Medizinprodukten zwischen der EU und der Schweiz.

Die Schweiz ist ein wichtiger Akteur auf dem Markt der Medizinprodukte und der Artikel beleuchtet die Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Geltung und Umsetzung der MDR ergeben.

2. Das Ende des MRA – die Bedeutung für die Praxis

Da die Schweiz nach der MDR als Drittstaat anzusehen ist, muss ein Unternehmen aus der Schweiz, das seine Medizinprodukte auf den europäischen Markt bringen will, die gleichen Anforderungen erfüllen wie z. B. ein US-amerikanisches Unternehmen oder ein chinesisches Unternehmen. Wenn jedoch ein EU-Unternehmen seine nach EU-Recht zugelassenen Produkte auf dem Schweizer Markt platzieren möchte, gelten einige Erleichterungen. 

HC NL 2/23 Grafik 1

Im Folgenden wird aufgeführt, welche Anforderungen aus Sicht der MDR und der MepV für die jeweiligen Unternehmen erfüllt werden müssen.

a) MDR-Sicht

Wenn ein Schweizer Unternehmen Medizinprodukte in der EU verkaufen möchte, braucht es zunächst einen Bevollmächtigten mit Sitz in der EU, um ein Medizinprodukt auf den EU-Markt bringen zu können.

Der EU-Bevollmächtigte muss über ein fundiertes Wissen über die Inhalte und Anforderungen des Medizinprodukterechts verfügen, um in der Lage zu sein, die vorgelegten Unterlagen zur Konformitätsprüfung inhaltlich nachvollziehen zu können.

Das Schweizer Unternehmen sollte vertraglich sicherstellen, dass sein EU-Bevollmächtigter die folgenden Mindestaufgaben wahrnimmt und dazu ermächtigt wird:

  • Überprüfung, ob die EU-Konformitätserklärung und die Technische Dokumentation erstellt und ein entsprechendes Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurde
  • Vorhaltung der Kopien der Technischen Dokumentation, der Konformitätserklärung und ggf. der Konformitätsbescheinigung, einschließlich etwaiger Änderungen und Nachträge für die zuständigen Behörden
  • Registrierung als Akteur in EUDAMED und Überprüfung der Registrierungspflicht des Herstellers
  • Aushändigen aller zum Nachweis der Konformität der Produkte notwendigen Dokumentationen und Informationen auf Ersuchen der zuständigen Behörden
  • Bereitstellung von Proben oder Ermöglichung des Zugangs zum Produkt auf Ersuchen der zuständigen Behörden
  • Engmaschige Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden bei allen präventiven oder korrektiven Maßnahmen zur Abwendung bzw. Minderung von Gefahren im Zusammenhang mit den Produkten
  • Unverzügliche Unterrichtung des Herstellers über Beschwerden und Berichte der Angehörigen der Anwender, Patienten und sonstigen Dritten über mutmaßliche Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Produkt

Es ist wichtig zu beachten, dass der EU-Bevollmächtigte nicht für alle Herstellerpflichten verantwortlich sein kann. Zum Beispiel können die Durchführung einer klinischen Bewertung oder die Verantwortung für das Risikomanagement gem. der MDR nicht in den Aufgabenbereich des Bevollmächtigten fallen.

Der Schweizer Hersteller muss zudem seinen Registrierungspflichten nachkommen und sich in EUDAMED als Akteur und voraussichtlich ab Dezember 2023 auch seine Produkte registrieren lassen. Diese Pflicht wird in der Praxis von dem Importeur wahrgenommen.

Es wird empfohlen, dass das Schweizer Unternehmen direkt einen EU-Importeur benennt. Falls kein Importeur benannt wird, wird automatisch der Händler, der das Produkt als Erster auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt, zum Importeur – auch wenn mit dem Schweizer Hersteller keine Vereinbarung hierüber getroffen wurde.

Der EU-Importeur hat eigene Pflichten gemäß der MDR zu erfüllen. Er muss sich vor allem in der EUDAMED registrieren, sich auf der Produktkennzeichnung angeben lassen, die Produkte hinsichtlich der Konformität prüfen und zu der Kommunikation zwischen dem Hersteller, Anwendern und Behörden beitragen. Nicht ganz geklärt ist derzeit, ob der Importeur eine 100-Prozent-Prüfung hinsichtlich des Vorhandenseins der CE-Kennzeichnung, Konformitätserklärung, der UDI und der weiter aufgeführten Aspekte durchführen muss. Die MDR nennt zwar in Bezug auf den Importeur im Gegensatz zu den Händlern keine Ausnahmeregelung (z. B. Stichprobenverfahren); man geht aber mit Bezugnahme auf den Blue Guide davon aus, dass eine 100-Prozent- Prüfung nicht gewollt war.

Zu den wichtigsten Meldepflichten des Importeurs zählen

  • Kontaktierung des Herstellers oder von dessen Bevollmächtigten bei fehlender MDR-Konformität
  • Kontaktierung der Aufsichtsbehörden bei schwerwiegender Gefahr
  • Weiterleitung von Kundenbeschwerden an den Hersteller oder den Bevollmächtigten 

Aufgrund des Zusammenspiels der Akteure besteht eine spezielle Kennzeichnungspflicht der Produkte, die berücksichtigt werden müssen. Der Schweizer Hersteller und sein EU-Bevollmächtigter mit Sitz innerhalb der EU müssen auf dem Produkt oder der Verpackung angegeben werden. Der EU-Importeur muss zumindest auf einem dem Produkt beiliegenden Dokument angegeben sein.

b) MepV-Sicht

Möchten EU-Hersteller ihre Medizinprodukte in der Schweiz vertreiben, so müssen ihre Produkte keine zusätzlichen Zertifizierungspflichten erfüllen, sofern sie eine gültige MDD- oder MDR-Kennzeichnung tragen.

Nichtsdestotrotz müssen die EU-Hersteller einige schweizspezifische Anforderungen erfüllen, um ihre Produkte legal in der Schweiz auf den Markt zu bringen.

In der Schweiz gelten ähnliche Registrierungs- und Kennzeichnungspflichten für Medizinprodukte wie in der EU. Allerdings gibt es auch Unterschiede, da Swissmedic beispielsweise keinen Zugriff auf die europäische Datenbank EUDAMED hat. Die Akteure und die Produkte müssen daher in der Schweiz registriert werden. Die bei Swissmedic zu hinterlegenden Daten sind jedoch identisch mit denen, die gemäß der MDR an die EUDAMED zu liefern sind. Eine Ausnahme bildet die Frist für die Registrierung vor Inverkehrbringung: Während die MDR eine solche Registrierung vorschreibt, lässt die Schweiz eine dreimonatige Frist ab Inverkehrbringung zu. Diese Maßnahme soll die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Medizinprodukten gewährleisten.

Für die Inverkehrbringung von Medizinprodukten auf dem Schweizer Markt benötigen die EU-Unternehmen einen Schweizer Bevollmächtigten (CH-REP). Der Bevollmächtigte trägt die Verantwortung für die formalen und sicherheitsrelevanten Angelegenheiten in Bezug auf das Produkt, das in den Verkehr gebracht wird. Im Gegensatz zur MDR muss der Schweizer Bevollmächtigte jedoch keine Kopie der Technischen Dokumentation bereithalten, sondern es reicht aus, wenn der Hersteller auf Verlangen die Dokumentation innerhalb von sieben Tagen direkt an Swissmedic zustellt. Diese Regelung muss vertraglich vereinbart werden. Im Zusammenhang mit der Berichts- und Meldepflicht gilt eine Schweizer Besonderheit: Bei grenzüberschreitenden Konstellationen verpflichtet das Gesetz direkt den Schweizer Bevollmächtigten, die schwerwiegenden Vorkommnisse zu melden, sodass dieser die Verantwortung für die Meldung und die in der Schweiz ergriffenen Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld trägt.

Ähnlich wie in der EU muss der Hersteller und der Schweizer Bevollmächtigte auch nach dem Schweizer Recht in jedem Fall auf dem Produkt oder der Verpackung angegeben sein. Händler sind nicht verpflichtet, ihre Anschrift auf dem Produkt oder einem beiliegenden Dokument anzugeben, wenn sie Produkte nur bereitstellen. Der Schweizer Importeur kann auf dem Produkt, auf der Verpackung oder einem dem Produkt beiliegenden Dokument (z. B. Lieferschein, Garantieschein, Zollpapiere, Rechnung, Aufkleber) angegeben werden.

Die Pflichten des Schweizer Importeurs sind vergleichbar mit denen des EU-Importeurs. Ähnlich wie in der EU benötigt der Importeur im Unterschied zu dem Bevollmächtigten kein spezifisches regulatorisches Fachwissen im Bereich der Medizinprodukte.

Zu erwähnen ist zudem, dass die Schweiz die MDCG 2022-18 „Bescheinigungslücken-Regelung“ übernommen hat und dem CH-REP die Pflicht auferlegt wurde, zu überprüfen, ob eine Bestätigung gemäß MDCG 2022-18 von einer zuständigen EU/ EWR-Behörde ausgestellt wurde. Eine entsprechende Grundlage in der MepV gibt es dazu nicht. Der CH-REP sollte aufgrund dieser Neuregelung seine Haftpflichtversicherung daraufhin überprüfen, ob Fehler im Zusammenhang mit der Prüfung der „Bescheinigungslücke“ von der bisherigen Versicherung gedeckt sind.

3. Beurteilung der Folgen für die Schweiz und die EU/EWR

In der Schweiz als Drittland für die EU führt die derzeitige Situation zu einer unnötigen Vervielfachung von formellen Voraussetzungen, die keinen zusätzlichen Mehrwert für die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten bieten. Besonders in den Fokus gerückt ist das Problem drohender Versorgungslücken mit Medizinprodukten in der Schweiz, auf das Marktteilnehmer, Branchenverbände und Vertreter aus der Politik bereits seit Längerem hinweisen. Der Schweizer Bundesrat strebt nach wie vor die Aktualisierung des MRA an, da er dies als die beste Option im Hinblick auf Versorgungs- und Patientensicherheit ansieht. Bislang wurden „Notlösungen“ bevorzugt, jedoch wurde ein wichtiger Schritt in Richtung der Akzeptanz von ausländischen-Zulassungen unternommen. Die UK-Zertifikate sind seit dem 1. Januar 2023 in der Schweiz anerkannt. Zudem sollen zukünftig auch Medizinprodukte mit einer FDA-Zulassung anerkannt werden.

Die EU-Hersteller profitieren zwar derzeit von der Anerkennung der Verkehrsfähigkeit ihrer Medizinprodukte mit CE-Kennzeichnung. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen droht der EU jedoch ein Rückgang des Imports aus der Schweiz zugunsten des UK- und/oder US-Imports: Laut Statista Research Department sank der Anteil der Schweizer Exporte in die Europäische Union im Jahr 2021 im Vergleich zu vor zehn Jahren. Während im Jahr 2011 noch 52,9 Prozent der Schweizer Exporte in die EU gingen, betrug dieser Anteil im Jahr 2021 rund 50,1 Prozent. Dieser Anteil umfasst auch den Export von Medizinprodukten.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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