Heilberufs- und krankenhausrechtliche Zuwendungs- und Zuweisungsverbote

Heilberufsträger und medizinische Einrichtungen unterliegen einer Vielzahl von Regelungen, die ihr Verhalten zu anderen Marktteilnehmern und gegenüber ihren Patient*innen regeln. Die Missachtung der Compliance-Regelungen kann erhebliche zivil- und/ oder strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Als Teil unserer Serie „Compliance im Gesundheitswesen“ geben wir mit dem folgenden Artikel einen Überblick über heilberufs- und krankenhausrechtliche Zuwendungs- und Zuweisungsverbote und weisen auf die Verhaltensregeln zu compliancegerechtem Verhalten hin.

Grundlagen der heilberufs- und krankenhausrechtlichen Zuweisungsverbote

Die jeweiligen (Muster-)Berufsordnungen für Ärzt*innen, Zahnärzt*innen und Tierärzt*innen (vgl. die Musterberufsordnungen: §§ 31–33 MBO-Ä, §§ 2, 8 MBO-Z, § 12 Abs. 8 MBO-TÄ) sowie die Regelungen in §§ 10, 11 ApoG für Apotheker*innen als auch Vorschriften im Krankenhausbereich (§§ 31a KHGG NRW, 32 BremKrhG, 25a ThürKHG) enthalten Zuweisungs- und Zuwendungsverbote. Es handelt sich hierbei um Marktverhaltensregeln nach § 3a UWG, weshalb bei Verstoß – neben z. B. berufsrechtlichen Konsequenzen – auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche durch Konkurrenten drohen.

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Das Zuwendungsverbot des § 32 MBO-Ä schützt die ärztliche Unabhängigkeit. Danach ist es Ärzt*innen nicht gestattet, von Patient*innen oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Unter den Begriffen „Geschenke“ und „sonstige Vorteile“ sind alle Formen einseitiger Zuwendungen von Zuwendenden (vgl. BerufsG München 13. August 2014 – BG-Ä 5/13), auf die kein durch eine Gegenleistung abgedeckter Anspruch besteht, erfasst. Als solche sind beispielhaft Spenden, Einladungen zu Golfturnieren, Bewirtungen, Geld von Patient*innen, Wein- und Champagner, die Finanzierung von Arztstellen, das Überlassen von Medizinprodukten oder die Gewährung von Darlehen zu nennen. In der Praxis handelt es sich bei den Zuwendenden regelmäßig um Patient*innen und deren Angehörige, Hersteller und/oder Händler von Arzneimitteln, Medizinprodukten oder Hilfsmitteln, Krankenkassen, andere Ärzt*innen oder Apotheker* innen.

Nach § 32 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä erstreckt sich das Zuwendungsverbot nicht auf sozialrechtlich erlaubte Beeinflussungen der ärztlichen Entscheidung. Eine solche sozialrechtlich erlaubte Beeinflussung liegt nach § 32 Abs. 1 S. 2 MBO vor, wenn die wirtschaftliche Behandlungs- oder Verordnungsweise auf sozialrechtlicher Grundlage basiert und dem*der Arzt*Ärztin die Möglichkeit erhalten bleibt, aus medizinischen Gründen eine andere als die mit finanziellen Anreizen verbundene Entscheidung zu treffen. Ferner ist nach § 32 Abs. 2 MBO-Ä die Annahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe nicht berufswidrig, sofern diese ausschließlich für berufsbezogene Fortbildungen verwendet werden. Der für die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltung gewährte Vorteil ist unangemessen, wenn er über die notwendigen Reisekosten und Tagungsgebühren hinausgeht. Die aktive Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, z. B. als Referent*in, ist hinsichtlich der gewährten Vorteile (u.a. Vergütung) nach dem in § 33 MBO-Ä verankerten Äquivalenzprinzip zu beurteilen. Danach müssen Leistung und Gegenleistung immer in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Hier gilt es zu beachten, dass die Höhe der Vergütung den objektiven Marktwert („fair market value“) der Leistung widerspiegelt und verhältnismäßig zu Aufwand und Kosten der

Leistung ist. Hintergrund hierfür ist, dass jede erbrachte Leistung einen Wert darstellen sollte, um den Verdacht von „Scheinleistungen“ – bspw. korruptionsstrafrechtlich relevanten verdeckten Bestechungsgeldern – auszuräumen. Schließlich ist nach § 32 Abs. 3 MBO-Ä das Sponsoring ausschließlich für die Finanzierung des wissenschaftlichen Programms ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen in angemessenem Umfang als weitere Ausnahme vom Zuwendungsverbot anerkannt. Erlaubtes Sponsoring setzt voraus, dass der Veranstalter einen Eigenanteil trägt oder von den Teilnehmer*innen erhebt, keine von dem wissenschaftlichen Programm abweichenden Nebensächlichkeiten (Verpflegung oder weiteres Rahmenprogramm) finanziert wird und ein dem Äquivalenzprinzip entsprechendes angemessenes Verhältnis zu den Werbeaktivitäten des Sponsors vorliegt.

Bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das Zuwendungsverbot nach § 32 MBO-Ä vorliegt, kommt es ausschließlich auf den Eindruck der Beeinflussung der ärztlichen Unabhängigkeit aus Sicht eines objektiven Betrachters an. Die Rechtsprechung ist an dieser Stelle streng. Selbst ein geringer wirtschaftlicher Wert ist grundsätzlich von § 32 MBO-Ä tatbestandlich erfasst. Eine Ausnahme dürfte entsprechend den Wertgrenzen des § 7 HWG, wonach keine unlautere Beeinflussung der Fachkreise bei Geringwertigkeit der Werbegabe vorliegt, für Zuwendungen von geringem Wert gelten, wobei hier die Wertgrenze von den Gerichten regelmäßig bereits bei 1,00 € vorgenommen wird. Wir empfehlen, im Zweifel von der Annahme von Zuwendungen abzusehen, denn es genügt bereits der Eindruck einer Beeinflussung, um den Tatbestand des § 32 MBO-Ä zu erfüllen.

Ein für die Praxis bedeutsames berufsrechtliches ärztliches Zuweisungsverbot ist in § 31 MBO-Ä verankert. Danach ist es Ärzt*innen untersagt, für die Zuweisung von Patient*innen Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Der Begriff des Vorteils ist mit dem des § 32 Abs. 1 MBO-Ä identisch. Unter dem Begriff Zuweisung ist jegliches Einwirken auf den*die Patient*in zu verstehen. Im Gegensatz zum Zuwendungsverbot des § 32 MBO-Ä setzt § 31 Abs. 1 MBO-Ä allerdings tatbestandlich eine Unrechtsvereinbarung im Sinne eines Kopplungsgeschäfts zwischen Zuwendung und erfolgter Zuweisung – z. B. von Patient*innen – voraus. Dabei sieht die Rechtsprechung unter anderem ein der Gegenleistung nicht adäquat gegenüberstehendes Honorar als Indiz für eine Unrechtsvereinbarung an.

Nach § 31 Abs. 2 MBO-Ä ist die Empfehlung oder das Verweisen von Patient*innen an Ärzt*innen, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen ohne hinreichenden Grund untersagt. Die Begriffe „Empfehlen“ und „Verweisen“ sind inhaltlich deckungsgleich mit dem Begriff der Zuweisung in § 31 Abs. 1 MBO-Ä. Das Empfehlungs- und Verweisungsverbot soll die Wahlfreiheit der Patient*innen schützen. Als hinreichende Gründe für eine Empfehlung sind u.a. anerkannt:

  • körperliche Einschränkungen der Patient*innen, welche eine wohnortnahe Versorgung erforderlich machen;
  • medizinisch komplexe Fälle und eine besonders auf die Bedürfnisse des*der Patient*in zugeschnittene Versorgung;
  • Notfälle.

Nach der ständigen Rechtsprechung dürfen Empfehlungen zur Erfüllung der ärztlichen Fürsorgepflicht auf konkrete Bitten von Patient*innen und unter Zugrundelegung sachlicher Kriterien ausgesprochen werden. Die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass der*die Arzt*Ärztin durch einen Praxisaushang Patient*innen darauf hinweisen kann, dass er auf deren gezielte Nachfrage hin einen bestimmten Anbieter empfehlen kann (vgl. BÄK DÄBl. 2013, A-2226 [2230]).

Für den zahnärztlichen Bereich existieren mit § 2 Abs. 7 und 8 MBO-Z gleichartige Regelungen. Zudem ist es auch Tierärzt*innen nach § 12 Abs. 8 BOTÄ untersagt, gegen Entgelt oder sonstige Vorteile Patient*innen anderen Kolleg*innen zuzuweisen oder sich selbst zuweisen zu lassen.

Die Zusammenarbeit zwischen Apotheker*innen und Ärzt*innen sowie Unternehmen wird mit der apothekenrechtlichen Vorschrift des § 11 ApoG reguliert. Danach sind Rechtsgeschäfte und Absprachen mit den folgenden Inhalten verboten:

  • bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel
  • Zuführung von Patient*innen
  • Zuweisung von Verschreibungen
  • Fertigung von Arzneimitteln

Besonders relevant sind die Regelungen im Hinblick auf Plattformmodelle in Bezug auf das „Makeln von Rezepten“. Nach § 11 Abs. 1 ApoG dürfen Apotheken mit Dritten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, welche die Zuweisung von Verschreibungen oder E-Rezept-Token zum Gegenstand haben. Spiegelbildlich ist es den sog. Dritten nach § 11 Abs. 1a ApoG untersagt, Verschreibungen oder E-Rezept-Token gegen Entgelt an Apotheken weiterzuleiten bzw. zu vermitteln. Damit zielt die gesetzliche Regelung bei erster Betrachtung auf die Serviceleistung der „Weiterleitung von Verordnungen“ der Platt*informbetreiber an die Partnerapotheken ab. Nach der bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde eine Zuweisung angenommen, wenn Verschreibungen unter Ausschluss anderer Apotheken „unmittelbar“ an einzelne Apotheken oder an mehrere Apotheken anteilsmäßig oder im Wechsel weitergeleitet werden. Dabei soll eine Verschreibung als „unmittelbar“ weitergeleitet gelten, wenn diese nicht ausgehändigt und damit das Recht auf freie Apothekenwahl eingeschränkt wird (OVG Münster, Urteil vom 2. September 1999 – 13 A 3323/97), selbst wenn die Weiterleitung auf Veranlassung des*der Patient*in erfolgte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Juni 2013 – 4 U 254/12). Das Bundesverfassungsgericht weist in einem Nichtannahmebeschluss im Fall von meinRezept. online (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, Beschluss v. 12. November 2020 – 1 BvR 2424/20, Braun, PharmR 2020, 315 [319 f.]) darauf hin, dass in der Fachliteratur der Wortlaut des § 11 ApoG als

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zu weit kritisiert und eine einschränkende Auslegung gefordert werde. Eine Rechtsprechungsänderung dürfte vor dem Hintergrund der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten sein.

Darüber hinaus ist auf das Arzneimittelbevorzugungsverbot hinzuweisen, womit die Unabhängigkeit der Arzneimittelauswahl gewährleistet werden soll. Nach § 10 Abs. 1 ApoG dürfen sich die Apotheken nicht verpflichten, bestimmte Arzneimittel ausschließlich oder bevorzugt anzubieten oder abzugeben oder anderweitig die Auswahl der von ihm abzugebenden Arzneimittel auf das Angebot bestimmter Hersteller oder Händler oder von Gruppen von solchen zu beschränken.

Schließlich existieren mit den §§ 31a KHGG NRW, 32 BremKrhG, 25a ThürKHG in den Ländern Nordrhein- Westfalen, Bremen und Thüringen Vorschriften, wonach der Regelungsgehalt des § 31 MBO-Ä auch für Krankenhäuser gilt. Danach ist es untersagt, für die Zuweisung von Patient*innen ein Entgelt oder andere Vorteile zu gewähren, zu versprechen, sich gewähren oder versprechen zu lassen. In der Praxis können Sanktionsmaßnahmen von der Rechtsaufsicht ergriffen werden. Diese kann Unterlagen einsehen, Vereinbarungen untersagen oder planerische Konsequenzen (z. B. Herausnahme aus dem Krankenhausplan bei besonders schwerwiegenden Verstößen gem. § 31a Abs. 3 KHGG) vornehmen.

Was zu tun ist und wie wir Ihnen helfen können

Healthcare-Compliance ist die Grundlage einer wettbewerbsfähigen Gesundheitswirtschaft und regelt die gesetzeskonforme Zusammenarbeit von Herstellern von Medizinprodukten oder Pharmazeutika mit Ärzt*innen, Kliniken und medizinischen Einrichtungen.

Gemeinsam mit Ihnen entwickeln wir maßgeschneiderte, in der Praxis umsetzbare Lösungen und unterstützen Sie bei compliancekritischen Maßnahmen sowohl beratend als auch im Rahmen der Rechtsverteidigung und Rechtewahrnehmung gegenüber Dritten bzw. Behörden oder Gerichten.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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