BMF-Einführungsschreiben zur Kostenteilungsgemeinschaft nach § 4 Nr. 29 UStG vor Finalisierung?
Kostenteilungsgemeinschaft nach § 4 Nr. 29 UStG
Nachdem der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2020 § 4 Nr. 29 UStG, in Umsetzung der europarechtlichen Regelung (Art. 132 MwStSystRL), kodifiziert hatte, wird sich die Finanzverwaltung zu der Norm voraussichtlich in diesem Jahr das erste Mal final äußern. Das Schreiben ist vor allem für Kooperationen im Krankenhausbereich und für Kooperationen von Sozialversicherungsträgern bedeutsam. In Erwartung stehen erste Auslegungshilfen für den langen und komplexen Wortlaut der Norm.
Hintergrund der Regelung des § 4 Nr. 29 UStG und Wortlaut der Regelung
Durch die Einführung des § 4 Nr. 29 UStG im Rahmen des JStG 20191 mit Wirkung zum 1. Januar 2020 bezweckte der Gesetzgeber die Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 lit. f) MwStSystRL auf nationaler Ebene. Im Vordergrund steht dabei die umsatzsteuerliche Befreiung von Dienstleistungen im Gemeinwohlbereich, sofern die Dienstleistungen in einer gemeinsamen Struktur ausgeübt werden.
Nach § 4 Nr. 29 UStG sind umsatzsteuerfrei: sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.
Praxisrelevanz
Der Gemeinwohlbereich und damit der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 29 UStG umfasst eine Vielzahl von möglichen Kooperationsformen. Neben den Bereichen Kunst und Kultur, Universitäten/Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Wohlfahrt und Kommunen sind Zusammenschlüsse insbesondere im Gesundheitsbereich denkbar.
Vorteil der Befreiung, insbesondere gegenüber einer umsatzsteuerlichen Organschaftsstruktur (keine umsatzsteuerliche Mehrmütterorganschaft möglich/ keine Gruppenbesteuerung im Inland), ist die Umsatzsteuerbefreiung für alle beteiligten Mitglieder des Zusammenschlusses, da ein gesellschaftsrechtliches Mehrheitserfordernis nicht vorausgesetzt wird.
Ausgewählte Inhalte der Entwurfsfassung im Einzelnen
Die Entwurfsfassung führt insbesondere zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen für Zusammenschlüsse von juristischen Personen des privaten Rechts sowie zu Zusammenschlüssen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts aus.
Unter anderem führt das BMF zur „Unmittelbarkeit der Leistungen“ als auch zur „Wettbewerbsverzerrung aus:
Unmittelbarkeit der Leistungen
Die Entwurfsfassung sieht vor, dass die vom Personenzusammenschluss an das jeweilige Mitglied erbrachte Leistung „beim Mitglied zur Ausführung der begünstigten Zwecke unmittelbar verwendet werden“ muss. Im Anschluss wird im Rahmen eines „Negativkatalogs“ weiter ausgeführt, dass allgemeine Verwaltungsleistungen nicht der Befreiung unterliegen, wie z. B. Buchführung, Pflege der Kunden- und Stammdaten, Backoffice-Tätigkeiten, allgemeine Reinigungs- und Verpflegungsleistungen etc.
Damit wird eine Vielzahl an möglichen und ggf. politisch gewünschten Kooperationen wegen der umsatzsteuerlichen Belastung aus wirtschaftlicher Sicht nicht realisierbar sein.
Wettbewerbsverzerrung
Die Entwurfsfassung stellt auch klar, dass die Befreiung nicht angewandt werden darf, sofern anderen Marktteilnehmern ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Hierfür sei anhand der Art der erbrachten Leistung und anhand der objektiven (Markt-)Umstände das Bestehen einer realen Gefahr zu ermitteln. Indizien für eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne der Norm können bspw. sein:
- Ausnutzung erheblicher Synergieeffekte durch entgeltliche Erbringung der gleichen Leistungen an Nichtmitglieder
- Verlagerung von externen beliebigen Dienstleistungen, die nicht auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten sind
- Zusammenschluss dient allein der Optimierung der umsatzsteuerlichen Vorbelastungen
Weitere Ausführungen
Weiterhin sind Ausführungen zu den Anforderungen an
- den Personenzusammenschluss selbst,
- die begünstigten Tätigkeiten der Mitglieder,
- die Kostenerstattung und
- begünstigtes Handeln der öffentlichen Hand enthalten.
Kritik im Rahmen der Verbandsanhörung
Im Rahmen der kurzfristigen Verbandsanhörung in der Vorweihnachtszeit haben sich diverse Verbände zu der Entwurfsfassung geäußert und ihre Stellungnahmen u. a. auch veröffentlicht.
Insbesondere haben die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städtetag; Deutscher Landkreistag; Deutscher Städte- und Gemeindebund; Verband kommunaler Unternehmen e. V.) eine gemeinsame, ausführliche Stellungnahme an das BMF verfasst und auch veröffentlicht. Die Stellungnahme fordert ebenfalls eine abweichende Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „Unmittelbarkeit der Leistungen“ dahingehend, dass es genügen sollte, wenn „die Leistungen auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten“ seien.
Diese Rechtsauffassung teilend haben noch weitere Interessensverbände Stellungnahmen an das BMF gesendet. Insofern bleibt abzuwarten, ob insbesondere an dieser Thematik die bisherige Einschätzung auf Seiten der Finanzverwaltung noch einmal überdacht wird.
Zusammenfassung und Ausblick
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben in gewissen Punkten Rechtssicherheit schafft und zumindest ihre Auffassung zur Norm konkretisiert.
Allerdings ist auch zu konstatieren, dass die Entwurfsfassung den Wortlaut aus Anwendersicht mitunter sehr restriktiv auslegt. Die praktische Anwendung der Norm wird daher auch nach Veröffentlichung der finalen Fassung, insbesondere auch vor dem Hintergrund bisheriger Rechtsprechung des EuGH zu Art. 132 MwStSystRL, weiter in Diskussion stehen.
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Autoren:
Alexander Becker
Tel: + 49 30 208 88 1212
Christian Hassa
Tel: + 49 341 60 03 2187
Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 1-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.