Scheinselbstständigkeit von Vertretungsärzten

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einem Urteil vom 7.2.2020 (L 9 BA 92/18; BeckRS 2020, 4465) entschieden, dass Vertretungsärzte, die in einem MVZ zeitlich befristet tätig sind, der gesetzlichen Versicherungspflicht unterliegen, wenn sie als Beschäftigte organisatorisch, personell und sachlich vollständig eingebunden sind und nach Stunden bezahlt werden. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Sachverhalt

Eine MVZ-GmbH hatte einen Internisten als Vertretungsarzt für drei Monate beschäftigt. In einem Statusfeststellungsverfahren wurde von der Kassenärztliche Vereinigung Berlin festgestellt, dass dieser Vertretungsarzt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Dagegen vertrat der Vertretungsarzt die Auffassung, dass er aufgrund von vertragsärztlichen Vorschriften weisungsfrei und selbstständig arbeiten müsse.

Rechtliche Würdigung des Urteils

In dem Urteil wird anhand von klaren Kriterien festgestellt, warum der Vertretungsarzt gem. § 7 SGB IV versicherungspflichtig ist. Gemäß der Urteilsbegründung erfolgt die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht nach dem vertraglichen Willen der Vertragsparteien, sondern nach der tatsächlich erbrachten Tätigkeit und dem konkreten Sachverhalt. Merkmale für eine Beschäftigung sind danach:

  • Weisungsabhängigkeit: Das MVZ hatte die Patienten für vereinbarte Dienste zu bestimmten Terminen einbestellt. Der Vertretungsarzt hatte die allgemeinen Behandlungsleitlinien des MVZ zu befolgen.
  • Eingliederung in die Organisationsstruktur des MVZ und Nutzung der Infrastruktur
  • Untergeordnetes Unternehmerrisiko: Der Arzt hatte keine Möglichkeit, durch unternehmerisches Geschick sein Gehalt zu erhöhen.

Das Landessozialgericht folgte mit seinem Urteil der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere einem Urteil des BSG vom 4.6.2019 (B 12 R 11/18 R) zur Frage eines im Krankenhaus beschäftigten Honorararztes.

Praktischer Hinweis

Die oben genannten Merkmale sind auch Hinweise für eine nichtselbstständige Tätigkeit im Sinne von § 1 LStDV. Ist der beschäftigte Arzt versicherungspflichtig, so ist die MVZ GmbH im Regelfall auch zum Einbehalt und zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet.

Autorin

Christine Schröer
Tel: +49 30 208 88-1284
christine.schroeer@mazars.de

    

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 3-2020. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnierenund erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.