EuGH stärkt Rechte von Arbeitnehmern zum Urlaubsanspruch
Rechte von Arbeitnehmern zum Urlaubsanspruch
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 22. September 2022 in drei Fällen darüber zu entscheiden, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.
Den Entscheidungen liegen drei Fälle aus Deutschland zugrunde, in denen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub für das Urlaubsjahr geltend gemachten wurden, in dessen Verlauf die Beschäftigten vollständig erwerbs- bzw. arbeitsunfähig wurden. Die Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten, nach denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig darüber zu informieren hat, dass der Urlaub genommen werden muss, da er ansonsten ersatzlos verfällt, hatten die verschiedenen Arbeitgeber jeweils nicht erfüllt. Als jedoch die Betroffenen die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machten, beriefen sich die Arbeitgeber darauf, dass die Ansprüche zu spät geltend gemacht worden seien. Könne jemand erkrankungsbedingt seinen Urlaub nicht nehmen, sei dieser 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erloschen.
Der EuGH hat in allen drei Verfahren jedoch im Sinne des Arbeitnehmers entschieden: Der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, Urlaubsansprüche wahrzunehmen. Das bedeutet, er hat diesen rechtzeitig darüber zu informieren, dass der Urlaubsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres (oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums) genommen werden muss, da dieser ansonsten ersatzlos verfällt. Mache der Arbeitgeber dies nicht, könne er sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Auf den Einwand, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert zu werden, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden, entgegnete der EuGH, dass dieses Interesse nicht mehr berechtigt sei, wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten selbst in diese Lage versetzt habe. Schließlich müsse der Arbeitgeber damit rechnen, mit derartigen Anträgen konfrontiert zu werden, wenn er seine Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt.
Die Frage, ob bei Verletzung der Mitwirkungspflichten Arbeitgebern das Instrument der Verjährung zusteht, hat das Bundesarbeitsgericht dem EuGH zur Klärung vorgelegt.
Der EuGH reiht sich mit seinen Entscheidungen in die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall von Urlaubsansprüchen ein. Demnach verfällt ein Urlaubsanspruch nicht, wenn der Arbeitgeber nicht aktiv dazu beigetragen hat, dass der Urlaubsanspruch verwirklicht wird. Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass der Urlaubsanspruch auch nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber nicht rechtzeitig darauf hingewiesen hat. Zwar unterliege der Urlaubsanspruch der dreijährigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB), jedoch nur dann und ab dem Jahr, in dem der Arbeitgeber auf den möglichen Verfall bzw. die mögliche Verjährung hingewiesen hat.
Achtung: Die Beweislast dafür, dass der Arbeitgeber seine Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt hat, liegt bei ihm.
Das Bundesarbeitsgericht, das dem EuGH die Verfahren vorgelegt hatte, kündigte an, im Dezember 2022 abschließend darüber zu entscheiden. Es ist dabei an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden.
Worauf sollten Arbeitgeber ab jetzt achten?
Auf Arbeitgeber können bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen hohe Urlaubsabgeltungsansprüche zukommen. Ein ordentliches Management von Urlaubsansprüchen durch Einführung eines entsprechenden Prozesses aufseiten des Arbeitgebers ist daher ein Muss. Arbeitgeber müssen ihre Angestellten explizit darauf hinweisen, dass sie noch Resturlaub haben, und sie darum bitten, diese Urlaubstage zu nehmen. Diese Hinweise müssen individuell erfolgen; eine E-Mail an die gesamte Belegschaft oder ein Hinweis im Arbeitsvertrag reichen nicht aus.
Nur wer nachweisen kann, den Arbeitnehmer hinreichend unterrichtet zu haben, kann sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.