Entscheidung des BFH: Gemeinnütziges wissenschaftliches Editieren
I. Der Streitfall
Klägerin war die A gGmbH. Gesellschaftszweck der A gGmbH war die Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die Mittelbeschaffung hierfür. Der Zweck sollte insbesondere durch die Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge und Zurverfügungstellung von Techniken zur Informationsfindung verwirklicht werden. Die Veröffentlichung der wissenschaftlichen Beiträge erfolgte nicht unmittelbar durch die A gGmbH, sondern durch die B Limited Liability Company. Die wissenschaftlichen Beiträge wurden in dem von der Limited betriebenen Online-Journal als Open-Access-Publikation für die Allgemeinheit kostenlos veröffentlicht. Die fachliche Prüfung und Freigabe der von den Autor*innen eingereichten Beiträge wurde von der A gGmbH im sog. Peer-Review-Verfahren (wissenschaftliches Editieren) durchgeführt. Für diese Tätigkeit erhielt die A gGmbH von der Limited eine Vergütung.
Das Finanzamt und das Finanzgericht behandelten die „Editorentätigkeit“ der A gGmbH als steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und nicht als steuerbegünstigen Zweckbetrieb. Die A gGmbH verfolge nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. In erster Linie diene die Tätigkeit der A gGmbH der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen als Dienstleister gegenüber der Limited. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesfinanzhof.
II. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof hält die Revision für begründet. Die A gGmbH verfolge durch das wissenschaftliche Editieren im sog. Peer-Review-Verfahren und der damit verbundenen Open-Access-Publikation ihren steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck der Förderung von Wissenschaft und Forschung selbstlos, ausschließlich und unmittelbar.
- Selbstlos (§ 55 Abs. 1 AO): Die Förderung begünstigter Zwecke geschieht selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Das Finanzgericht leitete eine Gewinnerzielungsabsicht daraus ab, dass sich aus eventuellen Gewinnausschüttungen der Limited an die A gGmbH Gewinnchancen ergäben und die A gGmbH eine Zusatzgebühr erhielt, falls bestimmte Mengen an Beiträgen wissenschaftlich zu editieren waren. Eine mögliche Gewinnchance reicht nicht aus, um nicht selbstlos zu handeln. Ein Anspruch auf eine Zusatzgebühr entstand nur im Zusammenhang mit höheren Kosten, sodass die A gGmbH selbstlos handelte.
- Ausschließlich (§ 56 AO): Ausschließlichkeit liegt vor, wenn eine Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt. Das wissenschaftliche Editieren fördert im Interesse der Allgemeinheit die Wissenschaft. Es werden in einem umfangreichen Peer-Review-Verfahren Forschungsergebnisse bewertet und bei der Limited als Open-Access-Publikation kostenlos der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Die Körperschaft hat die allein obliegende wissenschaftliche Verantwortung für die Auswahl und Überprüfung der Beiträge auf ihren wissenschaftlichen Gehalt. Sie entscheidet, welche Artikel veröffentlicht werden. Damit wird Wissenschaftler*innen eine Veröffentlichungsmöglichkeit geschaffen, um den wissenschaftlichen Austausch zu intensivieren.
- Unmittelbar (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO): Eine Körperschaft verfolgt unmittelbar ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke, wenn sie selbst diese Zwecke verwirklicht. Die A gGmbH handelte, durch die bei ihrer angestellten Editorin, weisungsunabhängig und eigenhändig. Sie ist nicht lediglich bloße Hilfsperson der Limited, da sie die Möglichkeit hatte, unabhängig von der Limited Beiträge zur Publikation freizugeben. Die Limited ist nur das Medium, das die Beiträge der Autor*innen der Allgemeinheit als Open-Access-Publikation anbot.
III. Zusammenfassung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs macht deutlich, dass eine Körperschaft durch wissenschaftliches Editieren ihren steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweck der Förderung von Wissenschaft und Forschung selbstlos, ausschließlich und unmittelbar verfolgen kann. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zu begrüßen, da sie im Hinblick des wissenschaftlichen Editierens die von der Abgabenordnung vorgesehenen Voraussetzungen exemplarisch prüft und darlegt.