Wegweisendes Urteil für Arbeitnehmer: Das BAG folgt dem EuGH und stärkt damit den Anspruch von Arbeitnehmern auf Urlaub
Am 20. Dezember 2022 wurden die lang erwarteten Urteile des Bundesarbeitsgerichts zum Verfall bzw. zur Verjährung von Urlaubsansprüchen gefällt. Nachdem das Bundesarbeitsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) drei Verfahren vorgelegt hatte, in denen er darüber zu entscheiden hatte, inwiefern der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegt, hat das Bundesarbeitsgericht nun abschließend entschieden.
Das Bundesarbeitsgericht hat drei Verfahren an den EuGH verwiesen, in denen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub für das Urlaubsjahr geltend gemachten wurden, in dessen Verlauf die Arbeitnehmer vollständig erwerbs- bzw. arbeitsunfähig wurden. Alle drei Vorabentscheidungen des EuGH sind zugunsten der Arbeitnehmer ergangen. Denn der EuGH hat entschieden, dass ein Urlaubsanspruch nur verjähren kann, wenn der Arbeitgeber seine sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten erfüllt, also den Arbeitnehmer rechtzeitig darüber informiert, dass der Urlaub genommen werden muss. Nur wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, ihre (Rest-)Urlaubsansprüche auch wahrzunehmen, können diese verfallen bzw. verjähren.
Auch das Bundesarbeitsgericht legt in seinen Revisionsentscheidungen nun das Bundesurlaubsgesetz arbeitnehmerfreundlich aus: Der Arbeitgeber müsse seine Arbeitnehmer rechtzeitig über den Verfall ihres Urlaubsanspruchs informieren. Tut er dies nicht, verjährt der Urlaubsanspruch nicht.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Aus betrieblichen oder persönlichen Gründen kann der Urlaubsanspruch bis zum 31. März des jeweils folgenden Kalenderjahres (Übertragungszeitpunkt) übertragen werden. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass der Urlaubsanspruch auch über diesen Zeitpunkt hinaus nicht verfällt, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er seinen erforderlichen Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Seit diesem September ist zudem klar, dass es unionsrechtskonform ist, dass in Fällen, in denen der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommt, der Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Jetzt, mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, wird das Urlaubsrecht weiter zugunsten der Arbeitnehmer ausgelegt. Hat der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen, dass der Urlaubsanspruch bis zum Ende des Kalenderjahres (oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums) genommen werden muss, ist es nicht nur so, dass der Urlaub nicht verfällt, er verjährt auch nicht.
Damit hat das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen zur Verjährung von Urlaubsansprüchen der Unionsrechtsprechung in der nationalen Rechtsprechung gespiegelt. Diese Entscheidungen kamen nicht überraschend, da das Bundesarbeitsgericht an die Rechtsauslegung des EuGH gebunden ist.
Was die Entscheidungen konkret für Arbeitgeber bedeuten, bleibt bis zu den Urteilsbegründungen abzuwarten. Fest steht allerdings schon jetzt, dass sich ein Arbeitgeber nur dann auf die Einrede der Verjährung berufen kann, wenn er nachweisen kann, dass er den Arbeitnehmer hinreichend unterrichtet hat. Arbeitgebern ist daher zu raten, die Beschäftigten rechtzeitig schriftlich darüber zu informieren, dass der Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres oder bis zum Ende des Übertragungszeitraums genommen werden muss, da er ansonsten ersatzlos verfällt.
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