Eine Führungsposition zeitnah und passend zu besetzen, ist eine Herausforderung. Unternehmen sollten dies zum Anlass nehmen, um über ihre Nachfolgeplanung und Führungskräfteentwicklung grundsätzlich nachzudenken, empfiehlt Dr. Elke Hofmann. Die Münchner Büroleiterin des Beratungsunternehmens Egon Zehnder erläutert, wie sich Talente halten lassen und warum gerade der Aufsichtsrat gefordert ist, eine systematische Nachfolgeplanung zu entwickeln.
Sie machen sich dafür stark, dass Firmen die erfolgreiche Besetzung einer Führungsposition zum Anlass nehmen, ihre Hausaufgaben bei der Nachfolgeplanung und Führungskräfteentwicklungzu machen. Wie lässt sich das Thema Nachfolge denn strategisch angehen?
Talente sind heutzutage rar und können daher auch schneller abhandenkommen. Dem gilt es vorzubeugen, indem entsprechende Strukturen aufgebaut werden, damit sich diese Talente entwickeln können. Der Aufsichtsrat muss sich fragen: Welche Priorität haben Talentmanagement und Nachfolgeplanung für uns? Beides sollten regelmäßige Agendapunkte sein, bei denen geprüft wird, wo das Unternehmen steht, wie die Pipeline aussieht und wo die eigenen Talente stehen. Der Aufsichtsrat sollte sich persönlich Zeit nehmen, vielversprechende Mitarbeiter*innen auf einem gewissen Senioritätslevel kennenzulernen. Das bedeutet Wertschätzung. Dabei erfahren die Aufsichtsrät*innen zugleich, wie die Talente im direkten Umgang sind und wie sie die tägliche Führungsarbeit leisten. Letztlich muss sich der Aufsichtsrat die Frage stellen: Ist diese Person geeignet, zukünftig eine verantwortliche Rolle in unserer Unternehmensführung zu übernehmen? Die Nachfolgeplanung ist eine wichtige Sorgfaltspflicht jedes Aufsichtsrats gegenüber der Firma.
Aber auch eine noch so ausgefeilte Nachfolgeplanung nutzt wenig bis nichts, wenn mir die Talente weggekauft werden.
Richtig. Aber Geld ist nicht alles. Es gibt unterschiedliche Wirkungsfelder, wie ich das gerade als mittelständische Firma verhindern kann. Das Wichtigste ist, dass ich mich um meine eigenen Talente intensiv kümmere – und das nicht erst, wenn sie kurz vor der Unterschrift des Arbeitsvertrags bei der Konkurrenz stehen. Dazu gehören nicht nur regelmäßige Zielgespräche und Incentives. Zentral ist es, den Menschen zu zeigen, dass sie wahrgenommen werden, dass sie unterstützt und in ihrer Arbeit als Führungskräfte wertgeschätzt werden. Wer als Führungskraft mit Ambitionen diese Wertschätzung an der eigenen Arbeit und an der eigenen Person erfährt, fühlt sich dem Unternehmen deutlich stärker verbunden. Doch das alles geschieht nicht einfach so – dafür braucht es als Basis strukturierte Entwicklungspläne und konsequente Nachfolgeplanungen. Besonders wichtig ist die frühzeitige Planung der Nachfolge auf besonders exponierten Positionen: Wie sehen die nächsten Schritte aus? Wer fehlt uns perspektivisch aus Altersgründen, und wer kann uns hier aus dem eigenen Kreis helfen? Auch die Unternehmenskultur spielt eine wichtige Rolle dafür, ob Talente einer Firma die Treue halten oder wechseln. Kodizes und schriftlich verankerte Werte sind wichtig. Aber noch bedeutsamer ist, dass sie auch gelebt werden. Wenn Talente die Organisation verlassen, dann tun sie das häufig, weil sie sich nicht mehr wohlfühlen. Sie sind nicht glücklich damit, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickelt. Es fehlt der Purpose. All das sind Themen, die das Unternehmen selbst in der Hand hat.
Sind deutsche Mittelständler in dieser Hinsicht gut aufgestellt?
Es gibt sicherlich eine große Bandbreite im Mittelstand – in familiengeführten Unternehmen, aber auch in Konzernen. Daher würde ich nicht sagen, dass die einen per se besser und die anderen grundsätzlich schlechter sind. Was ich häufig aus meiner eigenen Erfahrung mit dem Mittelstand mitbekomme: Hier suchen die Firmen langfristige Personallösungen – ein auffälliger Unterschied zum eher kurzfristigen Zeithorizont des Kapitalmarkts. Der verstärkte Wunsch nach Sustainability in einem grundlegenden Sinne ist klar erkennbar.
Warum verlassen dann viele Top-Führungskräfte nach kurzer Zeit wieder ihre Position?
Dazu sollte man immer den Einzelfall betrachten. Aber sehr wahrscheinlich gab es im Vorfeld zu unterschiedliche Vorstellungen. Womöglich stimmte die Chemie nicht. Ich vermute, dass in all diesen Fällen im Vorfeld mutmaßlich nicht oder nicht ausreichend klar über wichtige Fragen gesprochen wurde.
Welche Fragen meinen Sie?
Die zentrale Frage ist: Was wird von dem oder der Neuen erwartet in den kommenden Jahren? Wie wird er oder sie das angehen? Wichtig ist es zudem, gedanklich eine Ebene nach oben zu gehen und sich gemeinsam den strategischen Kontext, in dem die Position neu besetzt wird, bewusst zu machen: Wie ist die Kultur, in die jemand hineinkommt? Wie funktioniert das Unternehmen? Wer sind die Führungskräfte, wer sind die Kolleg*innen im Vorstand? Wie passt die oder der Neue da rein?
Zur Person:
Dr. Elke Hofmann leitet das Münchner Büro von Egon Zehnder sowie die deutsche Praxisgruppe CEO & Board Advisory des Beratungsunternehmens. Egon Zehnder ist eines der führenden Beratungsunternehmen für Executive Search und Leadership Advisory im deutschen Sprachraum. Als Mitglied der CEO und der Executive Assessment & Development Praxisgruppen unterstützt Elke Hofmann Klienten bei der Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratspositionen. Sie bringt weitreichende Managementerfahrung in unterschiedlichen Funktionen und Industrien mit.
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