Serie: Aufsichtsräte als Treiber der Transformation (Teil 4)

Mit der Transformation zu digital gestützten Geschäftsmodellen benötigen Unternehmen auch neue Führungskonzepte: Zukünftiges Arbeiten findet immer stärker in agilen Teams statt, die sich auf Zeit für ein Projekt zusammenschließen. Die Hierarchien sind flach, Entscheidungswege kürzer und direkter. Welche Form von Führung benötigen Unternehmen und wie können sich Aufsichtsräte einbringen?

Unternehmen verändern zunehmend ihre Arbeitskultur. „Wir haben uns auf den Weg gemacht, weg vom hierarchischen Arbeiten. Heute arbeitet man eher in projektgebundenen Gruppen, und das Projektmanagement wird immer wichtiger. Unternehmen müssen schneller und agiler werden, um die Herausforderungen besser zu meistern“, sagt Mazars Experte Christian Sengewald.

Flexibilität in allen Bereichen

Schon die umfassenden Transformationsprozesse, die aktuell auf Unternehmen zukommen, erfordern ein hohes Maß an interner Beweglichkeit. Die Management-Methode, flexibel, proaktiv, vorausschauend und initiativ zu agieren, um Veränderungen einzuführen, ist mittlerweile auch bei Beschäftigten ein Maßstab zur Bewertung der Arbeitgeberattraktivität.

Doch nicht nur aus Sicht der Mitarbeiter*innen ist agiles Arbeiten wichtig. Auch der Markt fordert von Unternehmen, sich permanent neu zu erfinden. „Die Firmen müssen schnell auf Veränderungen des Marktes reagieren können. Es gibt heute viel mehr Druck, der auf den Geschäftsmodellen liegt“, erklärt Christian Sengewald. „Die Geschäftswelt wandelt sich von der Produktorientierung zur Serviceorientierung. Das sieht man in ganz vielen Branchen: Man bindet Kund*innen über Abo-Modelle – da muss ein Unternehmen schnell und flexibel agieren, um letztendlich die Bedarfe des Marktes aufzugreifen.“

Das verändert zwangsläufig auch die Leitung von Unternehmen. Christian Sengewald umschreibt das Spannungsfeld, das aus den veränderten Arbeitsbedingungen entsteht: „Man muss sich als Unternehmensführung von den klassischen hierarchischen Organisationsformen verabschieden. Gleichzeitig braucht man dennoch eine gewisse Führungsstruktur, weil diese auch in selbst organisierten Projektteams notwendig ist. Letztendlich müssen neue Führungsstrukturen und selbst organisiertes Arbeiten auf eine gemeinsame Strategie einzahlen. Es ist essenziell, dass man dabei eine Art von Governance um diese selbst organisierten Teams herum definiert.“

Neue Strukturen gefragt

Diese Veränderung beschäftigt auch Aufsichtsgremien. Doch hier kommt ein weiteres Spannungsfeld hinzu: Die beratende und kontrollierende Tätigkeit von Aufsichtsräten ist einer sehr genauen Regulatorik unterworfen. Dies ist auch aus strukturellen Gründen nötig, denn sie sichert die Arbeitsfähigkeit der Mandatsträger*innen in den Gremien.

„Wenn man sagt, dass Unternehmen sich innovationsfreudiger und agiler zeigen müssen, betrifft das natürlich auch die Aufsichtsräte: Wie müssen diese Gremien agieren, um derartige Prozesse zu begleiten? Welche Kompetenzen braucht es im Aufsichtsrat, um in dieser neuen Unternehmenswelt präsent zu sein? In einem sich so schnell wandelnden Markt muss sich auch die Struktur und die Arbeitsweise von Aufsichtsräten verändern“, so Christian Sengewald.

Notwendig sei, die ganze Gremienstruktur flexibler zu gestalten, um schneller auf Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds reagieren zu können. Für die Mandatsträger*innen wird somit im übertragenen Sinn ein Spagat erforderlich, in dem sie einerseits die turnus- und routinemäßigen Arbeiten und Arbeitsintervalle einhalten müssen. Andererseits müssen Aufsichtsräte aber auch moderner werden, um in ihrer Funktion als Beratung der Geschäftsführungen wahrgenommen zu werden.

Dafür braucht es mehr digitale und mediale Kompetenz. Die Möglichkeiten moderner Kommunikationsmittel sollten nach Ansicht Christian Sengewalds umfassend genutzt werden. Das ermögliche mehr Informationsaustausch und Kommunikation. Beratungen in kürzeren Intervallen, auch über elektronischem Weg und nicht immer in Präsenz, ermöglichen dem Aufsichtsrat eine enge thematische Betreuung.

Aufsichtsrat als Mentor im Transformationsprozess

Außerdem sollten die Mandatsträger*innen Verständnis und Offenheit für den Wandel mitbringen: „Wenn sich ein Unternehmen das Ziel setzt, eine agile Organisation zu werden, muss das natürlich auch regelmäßig auf der Agenda des Aufsichtsrates stehen. Nur dann kann er dem Unternehmen dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Im Idealfall unterstützt der Aufsichtsrat Führungskräfte mit entsprechend aufgebauten Kompetenzen dabei, als Mentor diese Veränderung voranzutreiben.“

Begibt sich ein Unternehmen auf diesen Weg, ist es ganz wesentlich auch eine Frage der Unternehmenskultur, den Wandel zu leben. „Wenn der Aufsichtsrat diese Prinzipien versteht, kann er helfen, diese Transformation zu fördern.“

Keine Scheu vor externer Beratung

Neben der eigenen Erfahrung sollten Aufsichtsrät*innen die notwendigen Kompetenzen ins Gremium holen. Das kann durch eine Verjüngung geschehen, aber auch durch externe Beratung. „Hilfreich könnte es sein, sich einmal in der Start-up-Szene umzusehen“, rät Christian Sengewald. Hier sprudele es vor innovativen Ideen und unkonventionellen Organisationsstrukturen. Gleichzeitig zeigen aber auch die dabei gemachten Fehler die vielfältigen Gefahren auf, vor denen Unternehmen in Transformationsprozessen ebenfalls stehen. Aufsichtsräte können aus diesen Prozessen lernen, Impulsgeber zu sein und gleichzeitig die Risikoorientierung ihrer Kontrollfunktion wahrzunehmen.

Im Aufsichtsrat sind also Perspektive, Mut und Offenheit gefragt. Im Rahmen der Gesetze und Vorschriften bieten sich vielfältige Möglichkeiten, Transformationsprozesse zu begleiten, sie aber auch anzustoßen. Die Bereitschaft, durch das Einholen externer Beratung und durch neue Kommunikationsformen selbst agiler zu werden, kann helfen, dass Aufsichtsrät*innen auch beim Thema Agilität zu Treibern der Transformation in Unternehmen werden.

 

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