Serie: Aufsichtsräte als Treiber der Transformation (Teil 3)

Bislang galt unternehmerische Erfahrung als wichtigstes Qualitätsmerkmal für Aufsichtsrät*innen. Jetzt rücken stärker digitale Kompetenzen in den Fokus. Im dritten Teil unserer Serie „Aufsichtsräte als Treiber der Transformation“ erläutern wir, welche Kompetenzen heute wichtig sind.

Die Diskussion um ChatGPT und die dadurch ausgelöste Grundsatzdebatte über Künstliche Intelligenz zeigt, wie schnell sich das Umfeld von Unternehmen durch neue Technologien weiterentwickelt. Plötzlich sind neue Dienstleistungen und Produkte denkbar, die bis vor Kurzem noch unmöglich schienen. Neue Geschäftsmodelle werden dadurch möglich. Die Entwicklung ist rasant, schnelles Handeln wichtig. In diesem Umfeld ist nicht nur die Kompetenz von Vorstand oder Geschäftsführung gefragt, auch dem Aufsichtsrat kommt eine wichtige Rolle zu, um diesen Wandel einschätzen und begleiten zu können.

Nicht nur die Künstliche Intelligenz, sondern die Digitalisierung insgesamt wirkt sich stark auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen aus. Im Blickpunkt stehen dabei Daten. Mit der Digitalisierung fallen viel mehr Daten an, die Unternehmen erheben und verarbeiten können, um sie möglichst auch für neue Produkte und Dienstleistungen zu nutzen. Mit Daten umgehen zu können, ist eine Kernkompetenz. Nun auch für den Aufsichtsrat.

Digitales Know-how wichtig, um Kontrollfunktion auszuüben

Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigt das Kontrollgremium mehr Wissen rund um die Digitalisierung, als das heute durchschnittlich der Fall ist. „Nur dann ist der Aufsichtsrat in der Lage, seine Kontrollfunktion zu erfüllen“, sagt Christian Sengewald, Partner bei Forvis Mazars mit Schwerpunkt Transformation im Finanzbereich. Dieser Anspruch lässt sich aus den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex ableiten. Der Grundsatz 11 des Kodex lautet: „Der Aufsichtsrat ist so zusammenzusetzen, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“

In anderen Worten: Der Aufsichtsrat benötigt Kompetenzen, um den digitalen Wandel verstehen und begleiten zu können. Ein grundlegendes Verständnis für moderne Technologien ist unverzichtbar. Schließlich berührt die Digitalisierung zahlreiche Facetten eines Unternehmens. Es beginnt bei Prozessen und reicht bis zum kompletten Umbau von Geschäftsmodellen.

Eigenmotivation ist gefragt

Doch wie können Aufsichtsrät*innen sich das nötige Know-how sichern? „Aufsichtsrät*innen benötigen ein hohes Maß an Motivation, um sich fortzubilden und digitales Handwerkzeug zu erwerben“, sagt Sengewald. Der Deutsche Corporate Governance Kodex macht dazu keine konkreten Vorgaben. Grundsatz 19 des Kodex fordert aber, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats die für ihre Arbeit erforderliche Aus- und Fortbildung eigenverantwortlich wahrnehmen. Jeder*Jede Aufsichtsrät*in muss sich mit dem Thema auseinandersetzen. „Das Gremium sollte sich insgesamt Gedanken machen und ein Konzept erstellen, wie sich digitales Know-how passend zum Unternehmen aufbauen und fortentwickeln lässt. Digitale Kompetenz wird somit auch zu einem wichtigeren Kriterium, um Aufsichtsrät*innen auszuwählen“, sagt Sengewald.

Mittlerweile bieten viele Vereinigungen und Institutionen Seminare an, in denen sie Wissen zur Digitalisierung vermitteln. Sie offerieren auch maßgeschneiderte Schulungen für Aufsichtsrät*innen von Unternehmen bestimmter Branchen. Ebenso kann die Teilnahme an Konferenzen helfen, sich über die neuesten Entwicklungen in der Digitalisierung zu informieren und Best Practices anderer Unternehmen zu verstehen.

Netzwerke ausbauen

Für einen*eine Aufsichtsrät*in kann es Sinn ergeben, Netzwerke aus- und aufzubauen, um das eigene digitale Wissen zu verbessern. „Wer sich zum Beispiel in der Start-up-Szene umsieht, kann sehr viel über neue Geschäftsideen und digitale Geschäftsmodelle lernen“, sagt Sengewald. So haben sich zum Beispiel in der Versicherungsbranche innovative Start-ups mit etablierten Unternehmen im InsurLab Germany zusammengeschlossen. Auf öffentlichen Veranstaltungen werden neue Ideen diskutiert und entwickelt. Hier können Aufsichtsrät*innen den Austausch suchen und neue Impulse für ihre Arbeit im Kontrollgremium erwerben.

Für die Praxis des Aufsichtsrats bedeutet das aber nicht, dass jedes Mitglied umfassende digitale Expertise braucht. Auch hier ist eine Arbeitsteilung sinnvoll. Bislang galt Erfahrung als wichtigstes Kriterium, um sich für einen Job als Aufsichtsrät*in zu qualifizieren. Die Logik: Wer in seinem Berufsleben schon viele Erfahrungen gesammelt hat, kann Entwicklungen besser einschätzen und auch bei Krisen entsprechend regieren. „Natürlich ist auch heute Erfahrung wertvoll. Aber digitales Know-how wird immer wichtiger, um innovative Geschäftsmodelle zu verstehen und weiter voranzutreiben“, erklärt Christian Sengewald.

Erfahrungswissen reiche deswegen nicht mehr aus, um Unternehmen adäquat kontrollieren zu können. Schlicht und ergreifend deswegen, weil wir derzeit Innovationen erleben, die es bislang so noch nie gegeben hat. „Eine gute Alters- und Kompetenzstruktur und eine Mischung aus Erfahrung und digitalem Know-how zahlen sich aus“, ist Sengewald überzeugt. Dabei können junge Mitglieder von erfahrenen Mitgliedern lernen und umgekehrt. Zahlreiche Studien zeigen, dass divers zusammengesetzte Führungsgremien den Erfolg von Unternehmen steigern können. Das gilt ganz besonders in Zeiten des Wandels.

 

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