Fokus: Bewertung – Bilanzierung, Steuern und Transaktionspreise machen Bewertungen zu einem zentralen Aspekt im Carve-Out

Im Zuge eines Carve-Outs sind regelmäßig Bewertungsfragen auf mehreren Ebenen zu beantworten. Diese sind zum Teil abhängig von der konkreten Motivation des Vorhabens. In jedem Fall sind handels- und steuerrechtliche Anforderungen zu erfüllen. Hier stehen dem Unternehmen oft Bewertungswahlrechte mit möglicherweise weitreichenden Folgen offen. Eine frühzeitige Planung auch dieser Aspekte ist bei einem Carve-Out daher von wesentlicher Bedeutung.

Jedes Carve-Out muss entlang der rechtlichen und wirtschaftlichen Transaktionsausgestaltung in der handelsrechtlichen Rechnungslegung bei den involvierten Unternehmen abgebildet werden:

  • Ist eine Abspaltung, Aufspaltung oder Ausgliederung (oder etwas anderes) vorzuziehen und wie unterscheiden sie sich in der Bilanzierung?
  • Was hat die abgebende Einheit als „Gegenposten“ für das abgehende Nettovermögen zu erfassen und wie wirkt sich dies auf die Bilanzstruktur, auch bzgl. Financial Covenants, aus?
  • Zu welchem Gesamtwert (Unternehmenswert) und zu welchen Einzelwerten (Assetwerte) erfasst die aufnehmende Einheit die übergehenden Posten? Entsteht ein Geschäfts- oder Firmenwert, der durch den Erwerber steuerlich nutzbar ist?
  • Bestehen Wahlrechte, den Abgang bzw. Zugang unter Aufdeckung stiller Reserven (zu Zeitwerten) oder ohne Aufdeckung stiller Reserven (zu Buchwerten) zu bilanzieren?
  • Ergeben sich durch den Carve-out Auswirkungen auf künftige Impairment-Tests, die vorab durchdacht werden sollten?

Weiterhin hat jedes Carve-Out steuerliche Folgen (bzw. ist sogar Teil steuerplanerischer Gestaltung), zu deren Bestimmung regelmäßig Bewertungen vorzunehmen sind:

  • Löst der Abgang des Nettovermögens einen steuerlich relevanten Gewinn (oder Verlust) aus? Wie hoch ist dieser?
  • Bestehen auch steuerlich Wahlrechte zur Berücksichtigung von Zeitwerten oder Buchwerten? Können diese Wahlrechte unabhängig von den handelsrechtlichen Wahlrechten ausgeübt werden?
  • Bindet (bzw. beeinflusst) mich meine heutige Entscheidung für die Zukunft?

Sofern der Carve-Out der geschäftlichen Aktivitätenoptimierung in ihrer bisherigen Eigentümerstruktur dient, sind die Bewertungsaufgaben der Fragenschwerpunkt. Die anzuwendenden Bewertungsmethoden und -annahmen für den Carve-Out-Betrieb, sowie für einzelne Vermögenswerte, müssen in diesen Fällen die handels- und steuerrechtlichen Anforderungen an beizulegende Zeitwerte/gemeine Werte/Teilwerte erfüllen.  In der Regel entsprechen die „objektivierten Werte“ der einschlägigen Bewertungsstandards dieser Anforderung.    

Sofern der Carve-Out aber vor allem dazu dient, eine Veräußerung oder eine andere Art des Exit für den Carve-Out-Betrieb einzuleiten, tritt häufig die Frage nach dem Verkaufspreis in den Vordergrund:

  • Was muss ich mindestens verlangen? Was ist ein fairer Preis? Wie hoch kann ich maximal gehen?
  • Was ändert sich bei einer Herauslösung des Carve-Out-Betriebs aus dem bisherigen Unternehmensverbund? Gehen Synergien verloren? Wie sieht eine stand-alone Kostenstruktur aus? Und wie wirken sich diese ganzen Punkte auf eine Unternehmensbewertung aus?

Unternehmensbewertungen sind dann zentrale Grundlage, um diese Überlegungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu führen. Die objektivierte Sicht auf den Unternehmenswert ist in diesem Umfeld aber nur noch ein Element der Entscheidungsfindung. Vielmehr spielen jetzt auch individuelle, subjektive Vorstellungen des Verkaufenden und gegebenenfalls eine Antizipation entsprechender Überlegungen des potenziellen Kaufenden eine wesentliche Rolle. Die Anforderungen an die Unternehmensbewertung werden dadurch vielschichtiger, erfordern weitergehende Information bzw. Annahmen und können zum Beispiel durch Szenariomodelle erfüllt werden.

Darüber hinaus kann auch ein Absicherungsbedarf des handelnden Managements bezüglich des Kaufpreises, zum Beispiel gegenüber Eigentümern oder Aufsichtsrat, bestehen. Diesen Ansprüchen kann regelmäßig über Bewertungen in Form von Fairness Opinions begegnet werden. Grundsätzlich ist daher eine Bewertung, welche die maßgeblichen wirtschaftlichen Zukunftsszenarien angemessen berücksichtigt und dazu passend sachgerechte bewertungstechnische Annahmen definiert, Voraussetzung einer ökonomisch erfolgreichen Transaktion.

Unabhängig von der konkreten Bewertungsanforderung aus handelsrechtlichem, steuerrechtlichem oder transaktionsbezogenem Antrieb, besteht im Fall von Carve-Out-Bewertungen oftmals eine große Herausforderung in der praktischen Umsetzung: die Verfügbarkeit von historischen und prognostizierten Finanzzahlen für den Carve-Out-Betrieb. Infolge der bisherigen Verflechtung mit anderen Unternehmenseinheiten müssen Carve-Out-Financials in vielen Fällen auch für die Vergangenheit neu erstellt werden, da der „Zuschnitt“ des Carve-Out-Objekts vielfach nicht entlang etablierter Berichtsstrukturen erfolgt.

Dabei können sich in größerem Ausmaß „Zurechnungsfragen“ stellen, wenn Intercompany-Transaktionen zwischen dem Carve-Out-Betrieb und der restlichen Unternehmensgruppe bestehen. Aber auch wenn Ressourcen der Unternehmensgruppe von verschiedenen Einheiten gemeinsam genutzt werden. Da eine belastbare Bewertung dieser Informationen kann aber erst vorgenommen werden, sobald sie vorhanden sind. Deswegen kommt einer rechtzeitigen Initiierung des Carve-Out-Prozesses zur Finanzberichterstattung eine entscheidende Bedeutung zu. Diese ist nicht nur für die eigenen Bewertungsüberlegungen unerlässlich, sondern steht auch für Kaufinteressierte regelmäßig im Fokus der Due Diligence. Bei intransparentem Zahlenwerk können sie zu erhöhter Unsicherheit und in deren Folge auch zu Wertabschlägen führen.

Und natürlich beeinflusst aktuell die Corona-Pandemie auch, und zum Teil erheblich, die maßgeblichen Einflussgrößen der Unternehmensbewertung. Insbesondere die Erstellung und Plausibilisierung von Planungsrechnungen stellt Unternehmen und Bewerter*innen aktuell regelmäßig vor große Herausforderungen. Gleichzeitig sind die Planzahlen ein Haupttreiber von Unternehmenswerten. Und dabei muss eine Unternehmensbewertung, vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Corona-Folgen, den konkreten Einzelfall sachgerecht abbilden. Das kann sie allerdings nur leisten, wenn zusätzlich zur Aufbereitung der historischen Carve-Out-Financials auch das Planungsthema rechtzeitig im Carve-Out-Prozess angegangen wird.

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