C-Suite Barometer: Einblicke in die Automobilindustrie

Elektroantrieb, Emissionen und Effizienz: Das sind die großen Themen der Automobilindustrie. Im Fokus sind ein neues Verbraucherverhalten und regulatorische Vorgaben zur Nachhaltigkeit. Die Automobilindustrie ist eine der Key-Branchen, die Mazars im C-Suite Barometer untersucht hat. Christian Back, Partner und Global Co-Head Automotive bei Mazars, analysiert die Ergebnisse unserer Umfrage und kommt zu dem Schluss, dass Automobilunternehmen zunehmend Nachhaltigkeitsüberlegungen ins Zentrum ihres Geschäftsmodells rücken und optimistisch in die Zukunft blicken können.

1. Frage:

Laut dem C-Suite Barometer von Mazars zeichnet sich im Automobilsektor in den nächsten drei bis fünf Jahren ein grundlegender technologischer Wandel ab. Vor welchen wichtigen technologischen Umbrüchen steht die Branche genau?

Die Themen Nachhaltigkeit und damit auch emissionsfreie Antriebstechnologie, Digitalisierung und Connectivity sowie autonomes Fahren stehen alle ganz oben auf der Liste. Automobilhersteller und Zulieferer müssen jetzt die Themen priorisieren, die für sie am wichtigsten sind. Nachhaltigkeit steht dabei als ein gesellschaftlich und politisch getriebener Faktor ganz weit oben. Elektroautos prägen daher heute schon die Fahrzeugentwicklung, die Produktion und die Absatzmärkte und das wird rasant zunehmen. Bei der Weiterentwicklung von Elektroautos werden täglich Fortschritte gemacht. Der Entwicklungsaufwand ist enorm, trifft aber auf eine Branche, die über Jahrzehnte ihre Produkte hochinnovativ weiterentwickelt hat und zu deren Selbstverständnis es gehört, Entwicklungsressourcen aufzubauen und zielgerichtet einzusetzen. Hier kann man durchaus sehr optimistisch sein.  

Digitalisierung und Connectivity ist ein weiterer wichtiger Trend. Neue Features wie künstliche Intelligenz und die Verarbeitung natürlicher Sprache werden in Autos immer stärker genutzt. Das bedeutet für Automobilhersteller, dass sie die Stimmungslage des Fahrers einschätzen können, sodass es für sie einfacher wird, mit ihren Kunden zu interagieren und die Kundenerfahrung zu erweitern. Und die vom Auto an den Hersteller übermittelten Daten über das individuelle Nutzungsverhalten bilden mehr und mehr eine wichtige Basis für die Weiterentwicklung einzelner Fahrzeugfunktionen. Auch die vorausschauende Instandhaltung entwickelt sich weiter, sodass Wartungen rechtzeitig durchgeführt werden können, noch bevor es zu Schäden am Fahrzeug kommt. Zudem können Autos, die mit ihren Sensoren Straßenschäden oder kaputte Beschilderungen erkennen, den Zustand unserer Straßenverhältnisse überwachen. Connectivity ermöglicht es den Automobilherstellern auch, kostenpflichtige Live-Verkehrsdienste sowie Echtzeit-Parkassistenz, Musikstreaming, Integration des Smartphones, Sprachsteuerung und vieles weitere anzubieten. Allerdings ist hier auch erkennbar, dass viele Kunden solche Dienste als selbstverständlich voraussetzen und die Bereitschaft, dafür zu bezahlen, nicht immer gegeben ist.

Der Traum eines autonom fahrenden Autos jedoch, das uns abholt, an unserem Zielort absetzt und uns während der Fahrt entspannen, schlafen und arbeiten lässt, ist zwar weiterhin erreichbar, wird aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht zur verbreiteten Serienreife gelangen.

2. Frage:

Nachhaltigkeit und Reduzierung von CO2-Emissionen haben für die Öffentlichkeit und den privaten Sektor weltweit oberste Priorität. Inwieweit löst dies Veränderungen im Automobilsektor aus?

Weltweit rufen Verbraucher und Regierungen die Automobilhersteller dazu auf, die Emissionen ihrer Fahrzeuge deutlich zu senken. Einige Länder und insbesondere die EU haben bereits Vorgaben definiert, die finanzielle Strafen für Fahrzeughersteller vorsehen, wenn sie die Emissionen nicht unter einen bestimmten Schwellenwert drücken. Dies verleiht Elektroautos einen zusätzlichen Schub.

In Großbritannien ist ab 2030 die Zulassung von nicht-elektrischen Neuwagen verboten, für Hybridautos gilt das Verbot ab 2035; Frankreich verbietet Neuwagenverkäufe von Diesel- und Benzinautos ab 2040 und die EU hat ein solches Verbot für 2035 vorgeschlagen. Viele weitere Länder haben ähnliche Pläne und einzelne Fahrzeughersteller, wie bspw. Audi, kündigen ihrerseits den Ausstieg aus der Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren an.

Die Automobilhersteller sind also längst dabei ihr Geschäft zukunftssicher zu machen. Aber was bedeutet das für die Zulieferer? Viele Zulieferer werden den deutlichen Rückgang an Verbrennungsmotoren ausgleichen können, indem sie ihre Produkte neu ausrichten und vermehrt an andere Sektoren verkaufen oder eben Teile für den Elektromotor entwickeln, die mit ihrer grundsätzlichen Produktausrichtung kompatibel sind. Schwieriger wird es aber für Zulieferer, die sich bisher ausschließlich auf Verbrennungsmotoren oder die dazu gehörigen Aggregate und Leitungen konzentriert haben. Vielen dieser Unternehmen wird die strategische Perspektive fehlen, wenn die Volumen an Verbrennungsmotoren zukünftig deutlich zurückgehen und in manchen regionalen Märkten sogar auslaufen. Für manchen Zulieferer ist diese Perspektivlosigkeit schon heute absehbar und es stellt sich die Frage, wie diese Unternehmen junge talentierte Mitarbeiter gewinnen und Banken von einer Finanzierung überzeugen wollen.

3. Frage:

Was wird getan, um Automobilzulieferern zu helfen, die vollständig auf den Verbrennungsmotor setzen und nicht in der Lage sind, umzuschwenken?

Erstmal muss man betrachten, wie wichtig diese Zulieferer zumindest in einer Übergangsphase sind. Trotz der großen Anstrengungen wird es noch einige Jahre dauern bis eine ausreichende Anzahl an Elektroautos produziert werden kann und bis die Ladeinfrastruktur so weit steht, dass sie eine sehr große Fahrzeuganzahl mit großer Nutzungsvielfalt bedienen kann. Wenn in dieser Übergangszeit Zulieferer für Verbrennungsfahrzeuge ausfallen, drohen uns Lieferengpässe. Diese Engpässe können zu extremen Verteuerungen führen mit negativen Folgen für Mobilität, Lebensgefühl und unsere wirtschaftliche Entwicklung. Es gibt heute schon einige Finanzierungsgesellschaften, die überlegen, wie sie gezielt in „gefährdete“ Automobilunternehmen investieren können. Es sollte aber auch dringend überlegt werden, ob staatliche Unterstützungsmaßnahmen sinnvoll sind. Der Rückgang bzw. die Abwicklung der Verbrennungstechnologie könnte durch zielgerichtete Unterstützungen abgefangen werden, um Beschäftigung und die Lieferkette zu sichern. Wenn die Neuausrichtung der Antriebstechnologie politisch gewollt ist, kann man hier auch die Allgemeinheit in der Pflicht sehen. Die Situation ist durchaus vergleichbar mit dem Zechensterben und der staatlichen Unterstützung des Bergbaus in Westeuropa Ende des zwanzigsten Jahrhunderts.

4. Frage:

Unsere Umfrage zeigt, dass Nachhaltigkeit im Automobilsektor als der Trend mit der langfristigsten Wirkung angesehen wird. Wie entscheidend ist Nachhaltigkeit für den langfristigen Ausblick der Branche?

Nachhaltigkeit durchdringt alles, was heute im Automobilgeschäft getan wird: Autos produzieren, antreiben und kommunikativ verbinden – alles dreht sich um die Frage, wie man dies nachhaltig tun kann. Sogar Fabriken werden bald CO2-neutral sein müssen: Volkswagen, BMW und Ford haben sich verpflichtet, CO2-Neutralität bis 2050 zu erreichen, GM bis 2040, und weitere werden folgen. Aufsichtsbehörden setzen die Industrie gehörig unter Druck bestimmte Emissionsziele zu erreichen.

Nachhaltigkeit ist aber mehr als die Berücksichtigung von Umweltbelangen. Nachhaltigkeit ist ein umfassendes, die gesamte Tiefe der Wertschöpfungskette abdeckendes Thema. Dazu gehört auch die weltweite soziale Verantwortung von Unternehmen. Gerade von Automobilherstellern werden die westlichen Gesellschaften zunehmend verlangen, dass innerhalb der gesamten weltweiten Lieferkette bestimmte soziale Standards eingehalten werden – und das bis zur Mine, in der die relevanten Rohstoffe abgebaut werden. In Deutschland wurde jüngst das Lieferkettengesetz verabschiedet und auch die EU hat bereits weitreichende Regulierungen in diesem Bereich angekündigt. Dies stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen bei der Frage, welche konkreten Überwachungsmaßnahmen erfolgen müssen und wie man ggf. mit Menschenrechtsverletzungen innerhalb der eigenen Lieferkette umgehen muss. Es gilt hier aber ganz klar: wer mitmacht, der kann seine Marke in ein gutes Licht rücken; wer nicht mitmacht, der ist raus.

5. Frage:

Mehr als zwei Drittel der Befragten aus dem Automobilsektor rechnen 2021 mit Wachstum. Was sind die Wachstumsmotoren für die Automobilbranche? Gibt es Herausforderungen, die das Wachstum bremsen könnten?

Der Optimismus kommt nicht unerwartet: Durch die Pandemie war 2020 ein schwieriges Jahr für die Automobilbranche: Bei Produktions- und Absatzvolumina wurden Einbußen von circa 15–20 Prozent verbucht. 2021 muss für die Branche fast schon zwangsläufig ein besseres Jahr werden: Der Markt für Elektrofahrzeuge wird weiter wachsen, die individuelle Mobilität wird aufgrund der COVID-19-Pandemie zunehmend als vernünftige Alternative gesehen und durch geringere Ausgaben für Freizeitaktivitäten und Reisen ist mehr Geld für den Autokauf übrig geblieben. Der durchaus positive Ausblick wird allerdings etwas eingetrübt. Mobility-as-a-Service, ein Bereich, der in Vor-Corona-Zeiten gut anlief und vielfach schon als Heilsbringer für die automobile Mobilität angesehen wurde, ist ins Stocken geraten. Und es gibt den bekannten Engpass bei Halbleitern, der derzeit die Automobilproduktion in einigen Ländern stark beeinträchtigt und zu größeren Produktionsausfällen führt. Hier bleibt abzuwarten, wie schnell die Automobilhersteller die Lieferkette neu ausrichten können.

6. Frage:

Markenstrategie, Wirtschaftlichkeit und Kostensenkung werden laut dem Barometer als weitere Schwerpunkthemen des Automobilsektors genannt. Spiegelt dies angemessen den Ansatz wider, den die Branche im Jahr 2021 bislang verfolgt?

Für die Fahrzeughersteller ist die Markenstrategie einer der wichtigsten Aspekte ihres Geschäftsmodells und das wird sich so schnell nicht ändern. Es gibt immer wieder neue Akteure, die um Marktanteile kämpfen. Nehmen Sie zum Beispiel Tesla: Das Unternehmen ist noch keine zwanzig Jahre alt und nach Marktkapitalisierung bereits der wertvollste Fahrzeughersteller. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie entscheidend die Markenstrategie ist. Die Unterscheidbarkeit des Produkts und damit die Kaufentscheidung des Kunden wird durch die Markenstrategie gesteuert.

Und auch bei der Effizienz macht die Industrie seit Jahrzehnten Monat für Monat und Jahr für Jahr Fortschritte. Scharfer Wettbewerb und strenge Regulierung führen dazu, dass Automobilunternehmen seit jeher Wege suchen, um durch Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen die Kapazität zu erhöhen und Gewinne zu erzielen. Diese Themen gehören auch weiterhin alle zur DNA des Automobilsektors.

   

Das C-Suite Barometer von Mazars hat über 500 Führungskräfte weltweit befragt, einschließlich Vertretern aus 16 Branchen in über 20 Ländern. Die weltweiten Ergebnisse und Analysen finden Sie hier.

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