CSR-Berichtspflicht - Wie sag ich´s meinem Finanzvorstand?
Die EU-Direktive zur CSR-Berichtpflicht nimmt viele Firmen in die Pflicht. Andere folgen, weil über die Lieferketten Druck erfolgt. Damit rückt das Thema endgültig auf die Agenda der Vorstände und deren Finanzexperten. Die stellen neue Fragen. Wir sprachen darüber mit Kai Michael Beckmann, der bei Mazars den Geschäftsbereich Governance, Risk und Compliance (GRC) leitet.
UmweltDialog: Wie macht man einem Finanzvorstand Nachhaltigkeitsberichterstattung schmackhaft?
Kai Michael Beckmann: Auch wenn sich beim Thema Nachhaltigkeit und deren Bedeutung in den letzten zwei, drei Jahren nicht grundsätzlich etwas geändert hat: Der Blick des Gesetzgebers hat sich verändert. Die CSR- Berichtspflicht führt zu einer ganz anderen, neuen Aufmerksamkeit. Zum einen, da es ein Gesetz zur verpflichtenden Berichterstattung ist, zum anderen, weil die Überwachung durch den Aufsichtsrat darin prominent verankert ist. In dem Moment – sobald der Financial Officer das Thema als relevant erkennt – fängt es an, sich langsam in die bestehenden Steuerungs- und Kontrollmechanismen im Unternehmen zu integrieren.
UmweltDialog: Verschiebt sich das Thema jetzt von einer Abteilung zur nächsten? Oder verändert sich die Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsthemen an sich?
Kai Michael Beckmann: Unsere Beratungspraxis zeigt, dass viele Finanzverantwortliche erst jetzt angefangen haben, das Thema ernst zu nehmen und zu konsolidieren. Die Schnittstellen im Unternehmen zu CSR sind in der Vergangenheit vielfältig gewesen: Reputation lag bei der Kommunikation, Juristen hatten Gesetze und manchmal auch Selbstverpflichtungen im Blick, Einkäufer arbeiteten sich an Lieferkettentransparenz ab und die Finanzfachleute wurden mit zunehmenden ESG-Anfragen konfrontiert. Das Thema wurde zumeist heterogen behandelt und war an verschiedenen Stellen im Unternehmen angesiedelt. Das jährliche Reporting – wenn vorhanden – hatte selten Steuerungsambitionen. Der Sprung in den Aufmerksamkeitskosmos der Finanzvorstände ist bei vielen erst durch die EU-Richtlinie und somit durch die CSR-Berichtspflicht erfolgt. Sie adressiert zunächst Unternehmen, die direkt betroffen sind, aber zunehmend auch deren Lieferanten. Viele Firmenvertreter sagen sich heute zu Recht: Egal ob ich per Gesetz verpflichtet bin oder nicht, ich bin in der Lieferkette auf Platz 2 oder 3, also werden von den Impulsgebern der Lieferkette die gleichen Maßstäbe eingefordert. Ohne den gesetzgeberischen Druck wäre also wenig passiert. Das sagt nichts Gutes über Freiwilligkeit als lange gepriesenes Leitbild. Erst staatliche Vehemenz hat hier Bewegung reingebracht, nicht jedoch die oft zitierten Treiber wie die Finanzmärkte...
Der Druck vom Finanzmarkt nimmt zwar stetig zu, doch dies geschieht langsam, ohne spektakuläre Bewegungen. Das sind manchmal nur Details wie Begrifflichkeiten: So sprechen viele Unternehmen nicht mehr von „Non Financials“, sondern von „Pre Financials“. Und das ist der zweite große Erkenntnisgewinn: Finanzvorstände erkennen, dass die Themen wichtig sind. Sie lassen sich auch monetarisieren, aber nicht kurzfristig, sondern zum Teil mittel- und langfristig.
UmweltDialog: Das Institut der Wirtschaftsprüfer ist bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Global Compact kürzlich als Partner aufgetreten. Was erwarten oder erhoffen Sie sich davon?
Kai Michael Beckmann: Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) wird aus meiner Sicht die Funktion eines weiteren Treibers in den nächsten Jahren übernehmen. Da geht es etwa um die Frage, welche Konsequenzen der Risikobegriff aus der EU-CSR-Richtlinie für bestehende Prüfungsstandards, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Risiko-Früherkennungssystem KontraG, hat – welche Bedeutung hat dies für die Lageberichtsprüfung insgesamt? Wir haben zwar ein Gesetz zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, aber erst die Praxis wird zeigen, wie das Gesetz umgesetzt und gelebt wird. Der IDW ist hier ein wichtiger Player, der letztendlich den Rahmen definiert, an dem sich die Wirtschaftsprüfer orientieren werden.
UmweltDialog: Es gibt verschiedene Berichtsstandards wie GRI oder DNK. Woran sollen Firmen sich orientieren, um rechtskonform zu sein?
Kai Michael Beckmann: GRI, die Global Reporting Initiative, wird weiterhin – gerade im Rahmen einer international ausgerichteten Kommunikation – der führende Standard für die Berichterstattung sein. Alle anderen Standards, auch der DNK, sollten jetzt, nachdem das Gesetz veröffentlicht ist, noch einmal kritisch überprüft werden, ob sie den Anforderungen genügen. Es gibt im Moment viele Stimmen, die sagen, die Anforderungen reichen noch nicht aus.
UmweltDialog: Am Ende des Reporting-Prozesses steht der vom Gesetzgeber gewünschte Bericht, aber dies allein sagt nichts über die Qualität des Berichtes aus. Manche Berichte sind liebevoll erarbeitet, andere eher hingeworfen. Gibt es so etwas wie eine Roadmap oder eine Blaupause für gute CSR-Reports?
Kai Michael Beckmann: Der Weg sollte nicht mit dem Reporting starten, sondern mit dem Reporting enden. Selbst das Gesetz sagt klipp und klar, dass es um Konzepte gehen muss, wie ein Unternehmen mit dem Thema umgeht. Es geht darum, dass ein Wesentlichkeitsprozess gestartet und etabliert wird, sprich: Managementsysteme sind entscheidend. Die große Chance in der CSR-Richtlinie besteht für viele Unternehmen aus meiner Sicht sogar darin, sich zu fokussieren und den Berichtsaufwand zu reduzieren. In vielen Berichten, die ich heute am Markt sehe, finden sich Inhalte, die zwar schön für die unternehmerische Selbstdarstellung sind, die mit dem Geschäft aber nichts zu tun haben. Da gibt es viele Kennzahlen, die zum Teil auch aufwendig geprüft werden, aber die letzten Endes keine Auswirkung auf die Unternehmensentwicklung haben. Unternehmen sollten die Richtlinie zum Anlass zu nehmen, sich zu fokussieren, zu standardisieren und zu systematisieren. Das ist eine große Chance.
UmweltDialog: Das CSR-Thema ist mit der EU-Verordnung noch lange nicht abgeschlossen. Neue Teilbereiche wie der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, Diversitätsentsprechungen und Klima-Reporting drängen nach vorne. Welche Teil- oder Unterthemenbereiche sollten Firmen unbedingt auf dem Radarschirm behalten?
Kai Michael Beckmann: Die „one fits all“-Lösung wird tatsächlich in der Zukunft immer weniger funktionieren. Es wird einen Kern geben – das ist der Governance- und Steuerungsbereich –, der Firmen in die Lage versetzt, flexibel und angemessen die wichtigen Themen zu identifizieren und zu entwickeln. In welcher Ausprägung dies geschehen wird und zu welchen Themenschwerpunkten – etwa mehr Klima, mehr Menschenrechte –, diese Fragen stellen sich im nächsten Schritt. Erst dort trifft man auf spezifische Stakeholder, die interessiert sind, einen Menschenrechts- oder Klimabericht durchzulesen. Der „normale“ Finanzinvestor oder Aufsichtsrat wird mit einem Human Rights Report oder einem detaillierten CO2- oder Water Report nur bedingt viel anfangen können. Und dennoch: Er muss die Sicherheit haben, dass es diesen auf Basis eines standardisierten, systematisierten Systems gibt und dass das Management alle wichtigen Themen im Blick hat und beherrscht.
Publikation: UmweltDialog