Kein Arbeitslohn bei Veräußerung von Mitarbeiterbeteiligungen

Halten Beschäftigte Kapitalbeteiligungen an ihrem Arbeitgeber oder einem Konzernunternehmen, so stellt sich aus steuerlicher Sicht die Frage, ob daraus resultierende Vorteile und Erträge als Kapitaleinkünfte oder als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern sind. Im ersten Fall gilt ein Steuersatz von 25 Prozent, im zweiten Fall ist der individuelle Steuersatz der Beschäftigten anzuwenden. Da der individuelle Steuersatz deutlich über 25 Prozent liegen kann, kommt es öfter zum Streit um die „richtige“ Einkunftsart für Mitarbeiterbeteiligungen. Mit Urteil vom 14. Dezember 2023 (Az. VI R 1/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) wichtige Grundsätze für die Abgrenzung klargestellt.

Sachverhalt

Ausgewählte Führungskräfte beteiligten sich im Rahmen eines Managementbeteiligungsprogramms über eine Kommanditgesellschaft (übliche Manager-KG) an einer zum Konzern des Arbeitgebers gehörenden Kapitalgesellschaft (Beteiligungsgesellschaft). Hierfür leisteten sie Kommanditeinlagen. Bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mussten sie auf der Grundlage von sogenannten Bad- und Good-Leaver-Klauseln aus der Manager-KG ausscheiden.

Die Beteiligungsgesellschaft brachte eine Tochtergesellschaft (Zwischengesellschaft) an die Börse. In der Folge erhielten alle Führungskräfte entsprechend ihrer Beteiligung an der Manager-KG über individuelle Unterdepots Aktien an der börsennotierten Zwischengesellschaft. Dem lag eine Vereinbarung über den Rückkauf aller von der Manager-KG gehaltenen Anteile an der Beteiligungsgesellschaft gegen Übertragung von wertgleichen Aktien an der Zwischengesellschaft zugrunde.

In diesem Rückkauf gegen Aktien sah das zuständige Finanzamt steuerpflichtigen Arbeitslohn von dritter Seite. Dem folgte der BFH nicht. Er bestätigte vielmehr, dass der „Umtausch“ der Anteile an der Beteiligungsgesellschaft gegen wertgleiche Aktien an der Zwischengesellschaft keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn begründet und auch sonst zu keinem steuerpflichtigen Veräußerungserlös geführt hat.

Kernaussagen des BFH

Der Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung zu einem marktüblichen Preis kann keinen steuerpflichtigen Vorteil bewirken. Dementsprechend begründet auch die marktübliche Veräußerung einer Beteiligung keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn. Ein geldwerter Vorteil kann nur vorliegen, wenn Beschäftigte bei der Veräußerung einen marktunüblichen Überpreis erzielen. Im Streitfall standen sich jedoch beim Erwerb der Aktien an der Zwischengesellschaft Leistung und Gegenleistung ausgeglichen gegenüber.

Im Übrigen führt die Veräußerung einer Beteiligung nicht zu Arbeitslohn, wenn es sich dabei um eine eigenständige, vom Arbeitsverhältnis unabhängige Erwerbsgrundlage bzw. Einkunftsquelle handelt. Das ist der Fall, wenn die Beteiligung nicht lediglich auf der Nutzung der Arbeitskraft gründet, sondern ihr eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt.

Auch die vereinbarten Leaver-Klauseln standen der steuerlichen Anerkennung der Kommanditbeteiligung als selbstständige Einkunftsquelle nicht entgegen. Zwar verknüpfen Leaver-Klauseln den Fortbestand des Beteiligungsverhältnisses mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Sie sind aber nicht geeignet, einer bestehenden Beteiligung ihren eigenständigen Rechtscharakter zu nehmen.

Schließlich führt laut BFH selbst ein durch das Arbeitsverhältnis bedingter vergünstigter Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung nicht dazu, dass die Veräußerung der Beteiligung ebenfalls durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Denn mit der Lohnversteuerung des Vorteils aus dem vergünstigten Erwerb ist dieser Sachverhalt abgeschlossen und wirkt sich nicht mehr auf die Veräußerung der Beteiligung aus.

Bedeutung für die Praxis

Aus dem Urteil sind zwei wesentliche Folgerungen für die Praxis abzuleiten. Zum einen bestätigt der BFH seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zu Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit führt, wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung zu Marktpreisen erworben hat. Zum anderen stellt der BFH klar, dass Anschaffung und Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung zwei voneinander unabhängige Vorgänge sind. Selbst wenn der vergünstigte Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung zu Arbeitslohn führt, so heißt das nicht, dass alle weiteren Geldzuflüsse aus der Beteiligung ebenfalls als Arbeitslohn anzusehen sind. Vielmehr sind diese weiteren Erträge (Wertsteigerungen) nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern durch das Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“. Ist also für den vergünstigten Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung die darauf anfallende Lohnsteuer entrichtet worden, sind weitere Vorteile aus der Kapitalbeteiligung (z. B. Gewinne aus ihrer Veräußerung) nicht mehr lohnsteuerverhaftet. Dies hat auch die Finanzverwaltung grundsätzlich anerkannt (BMF-Schreiben vom 1. Juni 2024 zur Anwendung von § 3 Nr. 39 und § 19a EStG, Rz. 31).

Autoren: Thomas Kriesel, Sargis Terzikyan 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

Want to know more?