Schenkungen ohne Schenkungswillen? – Der BFH öffnet mit seiner Auslegung zu § 7 Abs. 8 ErbStG die Büchse der Pandora

Eine Schenkung im Rahmen von Leistungen an eine Kapitalgesellschaft fingiert § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Ob der Tatbestand auch ein subjektives Bewusstsein hinsichtlich einer unentgeltlichen Bereicherung erfordert, war bisher umstritten und wurde nun vom Bundesfinanzhof (BFH) verneint.

Hintergrund

Gemäß § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt. Die vor mehr als zehn Jahren eingeführte Norm sollte insbesondere Besteuerungslücken im Zusammenhang von disquotalen Einlagen schließen, bei der Wertverschiebungen nicht der Besteuerung unterlagen. Seitdem ist der Tatbestand aufgrund seiner konturlosen Besteuerungsvoraussetzungen umstritten und Gegenstand zahlreicher finanzgerichtlicher Urteile.

Urteile des BFH

Mit Urteilen vom 10. April 2024 (Az. II R 22/21 und II R 23/21) hat sich der BFH eindeutig dahingehend positioniert, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG im Unterschied zum Grundtatbestand einer Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG keine freigebige Vermögensverschiebung voraussetzt. Freigebigkeit meint insoweit den Willen des Zuwendenden, den Empfänger unentgeltlich zu bereichern. Maßgeblich für eine Steuerbarkeit sei lediglich die objektive Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft. Ein subjektives Element sei für die Besteuerungsfiktion nicht erforderlich.

Ein kleines gallisches Dorf: das FG Münster

Das Finanzgericht (FG) Münster hat sich in seinem Urteil vom 23. Mai 2024 (Az. 3 K 2585/21 Erb) ebenfalls mit § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auseinandergesetzt. Gegenstand des Rechtsstreits waren Anteilsübertragungen zwischen zerstrittenen Brüdern, die im Rahmen intensiver Kaufpreisverhandlungen einen nach ihrem Dafürhalten marktgerechten Kaufpreis vereinbarten. Im Nachgang stellte sich unter Anwendung der gesetzlichen Bewertungsverfahren eine erhebliche Abweichung zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem bewertungsrechtlich ermittelten Wert der Anteile heraus. Obwohl zwischen den Brüdern aufgrund des familiären Zerwürfnisses unstrittig keine Bereicherungsabsicht bestand, nahm das Finanzamt eine steuerpflichtige Schenkung an. Im Unterschied zum BFH leitet das FG Münster im Rahmen einer überzeugenden Gesetzesauslegung ab, dass auch § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins der Unentgeltlichkeit erfordere, und verneinte daher eine Schenkung.     

Bedeutung für die Praxis und Ausblick

Insbesondere da die im Rahmen der Fiktion des § 7 Abs. 8 ErbStG zu versteuernde Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht den erbschaftsteuerlichen Befreiungen für Betriebsvermögen i. S. v. §§ 13a ff. ErbStG zugänglich ist, sind Entscheidungen zu § 7 Abs. 8 ErbStG stets von großer Bedeutung. Die Revision gegen das Urteil des FG Münster ist beim BFH anhängig (Az. II R 19/24). Der BFH hat im Rahmen dessen erneut die Möglichkeit, seine Auslegung des § 7 Abs. 8 ErbStG hinsichtlich eines subjektiven Tatbestands unter Berücksichtigung der überzeugenden Argumente des FG Münster kritisch zu hinterfragen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass der BFH von seiner bisherigen Position abweicht, die er erst jüngst im Urteil vom April 2024 eingenommen hat. Dennoch wäre dies sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Beratungspraxis wünschenswert, um den überschießenden Besteuerungsfolgen und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit bei Anwendung des § 7 Abs. 8 ErbStG Einhalt zu gebieten.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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