Lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn bei Feierlichkeiten im Betrieb
Lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn
Hintergrund
Sind persönliche Ereignisse von Angestellten Anlass für eine Feierlichkeit im Unternehmen, liegt die Vermutung nahe, dass private Interessen im Vordergrund stehen und die Finanzierung durch den Arbeitgeber zu lohnsteuerpflichtigem Arbeitslohn führt. In einigen üblichen Konstellationen erkennt die Finanzverwaltung jedoch seit jeher typisierend ein Überwiegen des eigenbetrieblichen Interesses an. So liegt nach R 19.3 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) bei Feiern zur Diensteinführung, eines Amts‑ oder Funktionswechsels, eines runden Arbeitnehmerjubiläums oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers kein Arbeitslohn vor, solange die sog. 110-€-Freigrenze (nicht zu verwechseln mit dem 110-€-Freibetrag für klassische Betriebsveranstaltungen in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG) nicht überschritten wird. Entsprechendes gilt bei Feierlichkeiten anlässlich eines runden Geburtstags eines Angestellten.
Wird die 110-€-Freigrenze je teilnehmender Person allerdings überschritten, unterscheidet die Finanzverwaltung bei den Steuerfolgen insbesondere zwischen Abschiedsfeier und Geburtstagsfeier. Im ersten Fall sollen die Gesamtaufwendungen der Abschiedsfeier dem steuerpflichtigen Arbeitslohn des verabschiedeten Angestellten zugerechnet werden, während im zweiten Fall nur die anteiligen Aufwendungen für die Geburtsfeier, die auf den Jubilar und seine Familienangehörigen sowie privaten Gäste entfallen, von diesem zu versteuern sind.
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die von der Finanzverwaltung festgelegten Abgrenzungskriterien (110-€-Freigrenze und Verabschiedung bzw. runder Geburtstag) für ungeeignet und widersprüchlich.
Entscheidung des Finanzgerichts
Veranstaltet ein Arbeitgeber anlässlich der Verabschiedung eines Angestellten einen Empfang, ist auch bei Überschreiten der 110-€-Freigrenze unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob es sich um ein Fest des Arbeitgebers (betriebliche Veranstaltung) oder um ein privates Fest des Angestellten handelt.
Für die Unterscheidung sind die vom Bundesfinanzhof (BFH) für den Fall eines besonderen runden Geburtstags eines Angestellten entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach ist u. a. entscheidend:
- Wer ist Gastgeber der Feier?
- Wer bestimmt die Gästeliste?
- Sind die Gäste Geschäftspartner des Arbeitgebers, Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, Verbandsfunktionäre sowie Mitarbeiter des Arbeitgebers oder private Freunde und Bekannte des Angestellten?
- Findet die Feier in den Räumen des Arbeitgebers statt?
- Weist das Fest den Charakter einer privaten Feier auf?
Führt die Würdigung dieser Umstände zu dem Ergebnis, dass es sich um eine betriebliche Veranstaltung des Arbeitgebers handelt, bedeutet die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber insgesamt grundsätzlich keinen Arbeitslohn für den Angestellten. Lediglich der Teil, der privat veranlasst ist und auf den Angestellten selbst und seine privaten Gäste entfällt, kann für ihn lohnsteuerpflichtig sein. Insoweit hält das Finanzgericht eine Differenzierung zwischen Abschiedsfeiern und Geburtstagsfeiern, wie sie die Finanzverwaltung in ihren LStR vornimmt, für widersprüchlich.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist sehr praxisrelevant, da in vielen Unternehmen Veranstaltungen anlässlich der Verabschiedung und/oder Begrüßung von Führungskräften gängig sind und nicht selten auch Anlass für kostspieligere Events bieten. Gerade in solchen Fällen können die LStR mit ihrer typisierenden Betragsgrenze und der Unterscheidung nach dem Anlass zu unangemessenen Lohnsteuerpflichten führen. Dann ist es für Arbeitgeber unter Bezug auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts ratsam, gegen entsprechende Haftungs- und Nachforderungsbescheide vorzugehen und diese „offenzuhalten“. Denn inzwischen ist bereits ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (VI R 18/24).
Autoren: Thomas Kriesel, Sargis Terzikyan
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