Jahressteuergesetz 2024 – erstmalige Regelung der Grundstückszurechnung im Grunderwerbsteuergesetz

Das Jahressteuergesetz 2024 (Stand: Regierungsentwurf vom 5. Juni 2024) führt eine erstmalige gesetzliche Regelung zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken bei Share Deals ein und korrigiert damit den umstrittenen „Zurechnungserlass“ der Finanzverwaltung vom 16. Oktober 2023 (BStBl. I 2023, 1872).

Hintergrund

Das Grunderwerbsteuergesetz enthält bisher keine Regelung darüber, wann ein Grundstück einer Gesellschaft für Zwecke der Ergänzungstatbestände der §§ 1 Abs. 2a – 3a GrEStG „gehört“. Die Auslegung des Begriffs erfolgte damit notwendigerweise durch die Finanzverwaltung und Rechtsprechung. Die Finanzverwaltung reagierte im Oktober 2023 auf die komplexe BFH-Rechtsprechung der letzten Jahre mit einem Anwendungserlass, der für erhebliche Kritik sorgte, weil er von den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen teilweise abweicht, indem er unter bestimmten Voraussetzungen eine Doppelzurechnung desselben Grundbesitzes anordnet. Eine fiktive Zurechnung des Grundstücks der Tochtergesellschaft bei deren Mutter ist möglich, wenn diese einen sog. Ergänzungstatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt hat, d. h. mindestens 90 Prozent der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft (der Tochter) vereinigt hat. Im Ergebnis werden beide Gesellschaften als grundbesitzend behandelt mit der Folge, dass eine weitere, einzelne Anteilsübertragung zweimal Grunderwerbsteuer auslösen kann. Die damit einhergehende Doppelbesteuerung sorgt in der Praxis für Kritik unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich verankerte Übermaßverbot.

Regelung im Jahressteuergesetz 2024

Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll die Verwirklichung eines Ergänzungstatbestands des § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG nach dem neu formulierten § 1 Abs. 4a GrEStG nicht zu einer Veränderung der Zugehörigkeit führen, sodass in diesem Bereich keine Doppelzugehörigkeit des Grundstücks zum Vermögen zweier Gesellschaften mehr erfolgt. Ein Grundstück soll demnach zum Vermögen der Gesellschaft gehören, die zuletzt einen Grundtatbestand nach § 1 Abs. 1 GrEStG (z. B. Kauf) über das Grundstück verwirklicht hat, wenn und solange keine Rückgängigmachung des Erwerbs nach § 16 Abs. 1 GrEStG erfolgte. Ein Grundstück soll aber auch dann zum Vermögen einer (anderen) Gesellschaft gehören, wenn diese an dem Grundstück die Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG innehat.

Bedeutung für die Praxis

Nach der Begründung im Gesetzesentwurf dient die Neuregelung der Vereinfachung des Rechts und der Schaffung von Rechtssicherheit und -klarheit und erfüllt diese Aufgabe insoweit, als sie den umstrittenen Verwaltungserlass ablöst. Zu beachten ist allerdings, dass damit die Möglichkeit einer Doppelzurechnung nicht vollständig beseitigt wird. Nach dem neuen § 1 Abs. 4a GrEStG kann ein Grundstück sowohl der Gesellschaft, die es durch Kauf erworben hat, als auch der Gesellschaft, die die Verwertungsbefugnis an diesem Grundstück hat, gleichzeitig zugerechnet werden. Das steht wiederum im Widerspruch zur BFH-Rechtsprechung, die der Zurechnung aufgrund der Verwertungsbefugnis (z. B. bei Treuhandstrukturen) den Vorrang einräumt. Darüber hinaus besteht Klarstellungsbedarf betreffend die Anwendung der neuen Regelung. Der Gesetzesentwurf sieht ein Inkrafttreten am Tag nach Verkündung vor, enthält aber keine spezifische Anwendungsregelung hierzu.

Autorin: Paulina Oster

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

 

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