Aktuelle finanzgerichtliche Rechtsprechungsentwicklungen bei der steuerlichen Behandlung der entgeltlichen Ablösung
finanzgerichtliche Rechtsprechungsentwicklungen
Das FG Nürnberg stellt sich gegen die bisherige Beratungspraxis und behandelt die entgeltliche Ablösung von Nießbrauchsrechten an GmbH-Geschäftsanteilen als steuerpflichtig. Das FG Münster stellt sich hingegen auf die Seite des Steuerpflichtigen und verneint ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft beim entgeltlichen Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück.
Urteil des FG Nürnberg
Mit Urteil vom 29. September 2023 hat das FG Nürnberg (7 K 1029/21) entschieden, dass die Ablösung eines im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs am Gewinnbezugsrecht aus GmbH-Geschäftsanteilen gegen Einmalbetrag steuerbar ist. Die Ablösung stelle keine steuerfreie Vermögensumschichtung ohne steuerliche Relevanz dar, sondern unterliege vielmehr als Entschädigung für entgangene Einnahmen gemäß §§ 24 Nr. 1 lit. a) i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung als Kapitaleinkünfte. Das FG unterscheidet zwischen der Einräumung des Nießbrauchs und dessen späterer Ablösung. Insoweit lägen auch keine gewerblichen Einkünfte i. S. v. § 17 EStG vor; eine tarifbegünstigte Besteuerung gemäß § 24 i. V. m. § 34 EStG scheide aus.
Urteil des FG Münster
Das FG Münster hat mit Urteil vom 12. Dezember 2023 (6 K 2489/22 E) entschieden, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück kein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft darstellt. Zwar sei ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, jedoch fallen veräußerungsähnliche Vorgänge nicht unter § 23 EStG.
Das FG begründet seine Entscheidung insbesondere damit, dass der entgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchsrecht keine Veräußerung i. S. v. § 23 EStG sei. Diese setze die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf einen Dritten voraus. Ein Nießbrauchsrecht ist jedoch zivilrechtlich nicht übertragbar (§ 1059 BGB) und erlischt bei einem Verzicht. Es handele sich daher um einen nicht als privates Veräußerungsgeschäft erfassten veräußerungsähnlichen Vorgang.
Das FG Münster hat sich mit der Frage der Steuerbarkeit von Entschädigungsleistungen i. S. d. § 24 Nr. 1 lit. a) EStG – wie es das FG Nürnberg angenommen hat – nicht auseinandergesetzt.
Bedeutung für die Praxis
Nießbrauchsgestaltungen erfreuen sich zunehmend großer Beliebtheit im Rahmen der steueroptimierten Nachfolgeplanung. Die dargestellten Entscheidungen zeigen jedoch, wie komplex und vielschichtig Gestaltungen unter Nießbrauchsvorbehalt sind. Insbesondere sollten im Rahmen der erbschaft- und schenkungsteuerlich motivierten Gestaltungen auch stets die damit verbundenen ertragsteuerlichen Konsequenzen nicht aus den Augen verloren werden.
Die Revision ist zu beiden Urteilen beim BFH anhängig (IX R 4/24 und IX R 5/24). Es bleibt insoweit abzuwarten, wie sich der BFH hierzu positionieren wird. In jedem Fall sollten die steuerlichen Folgen entgeltlicher Verzichte bzw. entgeltlicher Ablösungen von Nießbrauchsrechten unter den dargestellten Grundsätzen geprüft werden.
Autoren: Sven-Oliver Stoklassa, Lennard Deutsch
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.