Umfang der erbschaftsteuerlichen Befreiung eines Familienheims

Mit seinem Urteil vom 12. Juli 2023 (3 K 14/23) hat das FG Niedersachsen Neuland betreten. Denn es hat für die Bestimmung der Grundstücksfläche, die als Teil eines Familienheims steuerfrei übertragen werden kann, entschieden, dass nur eine angemessene Fläche, nämlich nur das tatsächlich bebaute Grundstück oder eine bebaute Teilfläche, mitbegünstigt wird.

Hintergrund

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG können Eheleute/Lebenspartner untereinander oder Eltern an ihre Kinder steuerfrei ein Einfamilienhaus oder eine Wohnung vererben, wenn die verstorbene Person darin vorher selbst gelebt hat und die erbende Person anschließend darin lebt. Per Schenkung kann eine solche steuerfreie Übertragung zwischen Eheleuten/Lebenspartnern bereits zu Lebzeiten erfolgen, wenn die beschenkte Person anschließend in dem Objekt lebt.

Im Gesetz ist hingegen nicht geregelt, wie viel Grundstücksfläche mitbegünstigt übertragen werden kann. In dem vom FG Niedersachsen entschiedenen Fall ging es unter anderem um mehrere nebeneinanderliegende Grundstücke, die teilweise als Garten für das Einfamilienhaus genutzt wurden. Das Finanzamt war der Auffassung, dass nur eine Teilfläche der Grundstücke als Teil des Familienheims steuerfrei vererbt wurde, während andere Flächen, darunter auch das Gartengrundstück, steuerpflichtig vererbt wurden.

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht und wagte sich erstmals an eine Definition bzw. Abgrenzung der steuerfrei mit einem Familienheim übertragbaren Grundstücksfläche.

Eigenständige steuerrechtliche Bestimmung der mitbegünstigten Grundstücksfläche

Zunächst führt das Finanzgericht aus, dass es für die Begünstigung der Grundstücksfläche nicht auf das im Grundbuch eingetragene Grundstück ankommt. Denn in den zivilrechtlichen Möglichkeiten, Flurstücke bzw. Grundstücke zusammenzulegen und als ein Grundstück im Grundbuch eintragen zu lassen, sieht das Finanzgericht eine große Gefahr, dass Steuerpflichtige die steuerfrei übertragbare Grundstücksfläche großzügig selbst bestimmen könnten.

Nach Ansicht des Finanzgerichts darf auch nicht auf die wirtschaftliche Einheit gemäß den §§ 2, 181 BewG abgestellt werden, weil es dabei für die Zusammengehörigkeit von Flurstücken/Grundstücken unter anderem auf beeinflussbare Faktoren wie Verkehrsanschauung, tatsächliche Übung, Zweckbestimmung und wirtschaftliche Zusammengehörigkeit ankommt.

Weil die Steuerbefreiung für die Übertragung eines Familienheims ausschließlich dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums dienen soll, ist deren Anwendungsbereich eng auszulegen. Nur die für das gemeinsame familiäre Leben notwendige Grundstücksfläche soll nach Ansicht des Finanzgerichts zusammen mit dem Haus/der Wohnung steuerfrei übertragbar sein.

Daher ist das Finanzgericht der Auffassung, dass nur das tatsächlich bebaute Grundstück bzw. die bebaute Teilfläche begünstig sein kann. Welche das ist, hat das Finanzamt in seinem Wertfeststellungsbescheid mitzuentscheiden.  

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des Finanzgerichts führt zu großen Unsicherheiten. Da die Finanzämter weder an das Grundbuch noch an die wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsgesetzes gebunden sind, muss man künftig Diskussionen mit dem Finanzamt darüber befürchten, wie viel Gartenfläche für das familiäre Zusammenleben notwendig bzw. angemessen ist. Eine solche konturlose Bestimmung der zum Familienheim gehörigen Grundstücksfläche erscheint für die Praxis nicht geeignet. Da dem Finanzgericht bewusst war, dass es mit seinem Urteil Neuland betritt, hat es die Revision zum BFH zugelassen. Bis der BFH entschieden hat, sollte man in allen Fällen, in denen die Finanzverwaltung Grundstücksflächen aus der Familienheimbegünstigung herausnimmt, Einspruch einlegen und das Ruhenlassen des Verfahrens bis zur BFH-Entscheidung beantragen. Dabei müssen die Steuerpflichtigen darauf achten, dass sie den Einspruch gegen den Wertfeststellungsbescheid einlegen und nicht gegen den Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheid.

Autor: Bernd Schult

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