Carried Interest ist ein steuerlich anzuerkennender Teil der Ergebnisverteilungsabrede
Hintergrund
Spätestens seit der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2003 besteht zwischen Finanzverwaltung und der Fondsbranche und deren steuerlichen Beratern Uneinigkeit über die Natur und die sich daraus ergebende steuerliche Behandlung des kapitaldisproportionalen Ergebnisanteils aus steuerlich vermögensverwaltenden geschlossenen Fonds-Personengesellschaften – prominenteste Vertreter dürften hier Private-Equity-Fonds sein –, dem sogenannten Carried Interest. So soll es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung bei dem Carried Interest um ein „(verdecktes) Entgelt für eine Tätigkeit“ handeln (vgl. BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2003, Tz. 24, BStBl. I 2004, S. 40) und nicht wie in der Ergebnisverteilungsabrede solcher Fonds (dem „Waterfall“) typischerweise vorgesehen, um einen Gewinnanteil.
Nachdem das Finanzgericht München mit Urteil vom 17. November 2020 (12 K 2334/18) zugunsten der klagenden Steuerpflichtigen entschieden hatte, durfte sich nun der BFH im Revisionsverfahren mit der Thematik befassen, nachdem dieser im Jahr 2018 (VIII R 11/16) bereits den Carried Interest aus gewerblichen Fonds-Personengesellschaften als Gewinnanteil beurteilt hat.
Die Entscheidung des BFH
Auf den ersten Blick suggeriert das Urteil einen Erfolg der Finanzverwaltung, da der Tenor der Revision der Finanzverwaltung stattgibt und das vorinstanzliche Urteil des FG München aufhebt. Allerdings bezieht sich das Urteil des BFH damit lediglich auf verfahrensrechtliche Verstöße des FG München. In der materiellen Streitfrage über die steuerliche Behandlung des Carried Interest konnte der BFH wegen der Verfahrensmängel zwar nicht selbst urteilen und musste das Verfahren an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung zurückverweisen, hat in seiner Urteilsbegründung dem FG München jedoch eine ausführliche „Segelanleitung“ über die Beurteilungsmaßstäbe an die Hand gegeben, deren Gewicht auf der Hand liegen dürfte.
Der BFH führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass der Carried Interest steuerlich als Gewinnanteil anzuerkennen ist, wenn die Ergebnisverteilungsabrede zivilrechtlich wirksam und fremdüblich, d. h. im natürlichen Interessengegensatz, ausgestaltet ist. Liegen diese Voraussetzungen vor (was in branchentypischen Strukturen der Fall sein dürfte), so ist eine davon abweichende steuerliche Zurechnung von Ergebnissen des Fonds, wie dies von der Finanzverwaltung vorgesehen war, nicht zulässig. Eine andere Einordnung, etwa als Tätigkeitsvergütung, kommt nur dann in Betracht, wenn der Carried Interest aus anderen Gründen gewährt wird, also keine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gegeben ist und die Regelung nicht fremdüblich ist, was in typischen Fondsstrukturen, bei denen sich Investoren und Initiatoren als Fremde gegenüberstehen, unzweifelhaft auszuschließen sein sollte.
Auch die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die den Carried Interest unter gewissen Voraussetzungen den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zuordnet und diese dann über § 3 Nr. 40a EStG zu 40 Prozent steuerfrei stellt (sog. Teileinkünfteverfahren), führt nicht zu einer Umqualifizierung des Carried Interest in eine schuldrechtliche Tätigkeitsvergütung.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil bzw. die Ausführungen des BFH geben der Fondsbranche in Deutschland Planungssicherheit und sind daher zu begrüßen.
Die Auswirkungen sind nicht nur für die Fondsinitiatoren relevant, sondern auch für Investoren. Denn ginge es nach der Auffassung der Finanzverwaltung, so würde auch der Anteil am Gewinn des Fonds, der auf den Carried Interest entfällt, den Investoren entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligungsquote zugerechnet und bei diesen der Besteuerung unterworfen werden und die „Tätigkeit“ würde erst in einem gedanklichen zweiten Schritt durch die Investoren gegenüber den Initiatoren vergütet werden.
Die „Segelanleitung“ des BFH dürfte außerdem den Schluss zulassen, dass die zugrunde liegenden, durch die Fonds-Personengesellschaft erzielten Einkünfte erst auf Ebene des den Carried Interest empfangenden Steuerpflichtigen (Carry-Holder) in Einkünfte aus selbstständiger Arbeit umqualifiziert werden, wenn es sich hierbei um eine natürliche Person handelt (und die übrigen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfüllt sind). Bezieht hingegen eine Kapitalgesellschaft, etwa die persönliche Holding-Kapitalgesellschaft des Carry-Holders, den Carried Interest (unmittelbar oder mittelbar über eine weitere Personengesellschaft, das Carry-Vehikel – eine in der Branche typische Struktur zur Bündelung der Carry-Holder), so dürfte der Carried Interest bei dieser – unter den übrigen Voraussetzungen – der steuerlichen Begünstigung des § 8b KStG unterliegen.
Autor: Lukas Redler
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