BFH-Beschlüsse zur Verfassungswidrigkeit der Bewertungsregeln bei der Grundsteuer im sog. Bundesmodell
BFH-Beschlüsse zur Verfassungswidrigkeit
Hintergrund
In beiden Fällen rügten die Antragsteller insbesondere, dass es nach den neuen Bewertungsvorschriften keine Möglichkeit gebe, niedrigere Werte für den Grundbesitzwert nachzuweisen. Die Bewertungsregeln sehen nicht vor, einen (individuellen) wertmindernden Umstand zu berücksichtigen, wogegen sich die Steuerpflichtigen wehrten und die Aussetzung der Vollziehung des entsprechenden Grundsteuerwertbescheides beantragten. Zwar wurde die Ermittlung des festgestellten Grundsteuerwerts korrekt gemäß den gesetzlichen Regelungen durchgeführt; die entsprechenden Regelungen basierten jedoch auf einem stark typisierten Verfahren und lassen keine individuelle Verkehrswertermittlung zu. In den Vorverfahren vor dem FG (siehe dazu unser Steuernewsletter 1/2024) hatte dieses erhebliche Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der neuen grundsteuerlichen Regelungen geäußert und den Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben. Hiergegen wendete sich das Finanzamt mit der Beschwerde an den BFH.
Verfassungskonforme Auslegung der Bewertungsvorschriften
In seiner summarischen Einzelfallprüfung hat der BFH vorerst die neuen Regelungen nicht für verfassungswidrig erklärt. Könnten die Vorschriften der §§ 218 ff. BewG zum Zwecke der Vermeidung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot verfassungskonform ausgelegt werden, sind die pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften seiner Meinung nach nicht verfassungswidrig. Nach Ansicht des BFH könne der Steuerpflichtige unter verfassungskonformer Auslegung der §§ 218 ff. BewG bei groben Abweichungen des berechneten Werts von dem gemeinen Wert einen niedrigeren Wert nachweisen. Eine grobe Abweichung sieht der BFH unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 16. November 2022 – II R 39/20) dann, wenn der vom Finanzamt festgestellte Wert einen nachgewiesenen gemeinen Wert um 40 Prozent übersteigt. Ein erfolgreicher Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts führe daher zur Vermeidung des Übermaßverbots.
Die weiteren vom FG aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken hielt der BFH im Rahmen der summarischen Prüfung nicht für entscheidungserheblich, da bereits die einfachrechtliche Rechtswidrigkeit des Bescheides durch die fehlende Möglichkeit des Nachweises des geringeren Werts zur Zurückweisung der Beschwerde des Finanzamts führe.
Bedeutung für die Praxis
Mit den Beschlüssen wird für die betroffenen Grundstückseigentümer im Bundesmodell die Möglichkeit eröffnet, einen niedrigeren gemeinen Wert etwa mithilfe eines Sachverständigengutachtens nachweisen zu können, sofern der gemeine Wert weit vom festgestellten Wert abweicht. Wirtschaftlich wird ein Verfahren daher nur sein, wenn die Kosten für das Gutachten (siehe auch § 198 BewG) oder für die Ermittlung des Liquidationswertes (im Rahmen des § 166 BewG) durch die Steuerersparnis „gedeckt“ sind.
Der BFH hat noch einmal verdeutlicht, dass es sich bei dem Grundsteuerwertbescheid um einen bindenden Grundlagenbescheid handelt. Einwände gegen die Wertfeststellungen sind daher verfahrensrechtlich zwingend gegen diesen und nicht gegen den später ergehenden Grundsteuerbescheid zu erheben.
Für die weitere verfassungsrechtliche Prüfung der neuen Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer bedarf es daher weiterer Verfahren vor dem BFH. Zuletzt wies das Finanzgericht Baden-Württemberg die beiden anhängigen Verfahren (8 K 2368/22, 8 K 1582/23) zum Grundsteuermodell in Baden-Württemberg ab. Die Revision zum BFH wurde zugelassen (vgl. Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg vom 11. Juni 2024). Damit besteht die Chance, dass zeitnah ein Hauptsacheverfahren zur neuen Grundsteuer beim BFH anhängig wird.
Autorin: Julia Wunderlich
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.