Unwiderruflichkeit von Klagerücknahme und Einspruchsrücknahme
Klagerücknahme und Einspruchsrücknahme
Wesen der Klagerücknahme
Im Steuerrecht kann der Kläger einen Prozess durch eine Klage sowohl allein auslösen als auch durch eine Klagerücknahme wieder selbst beenden. Die Klagerücknahme ist eine Prozesshandlung, der grundsätzlich unmittelbare Gestaltungswirkung für das anhängige Verfahren zukommt.
Durch die wirksame Rücknahme der Klage entfallen die verfahrensrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit rückwirkend. Dies kann zu folgenden Konsequenzen führen:
- ein angefochtener Verwaltungsakt (z. B. Steuerbescheid, Einspruchsentscheidung) wird unanfechtbar,
- ein bereits ergangenes (verkündetes/zugestelltes) noch nicht rechtskräftiges Urteil ist oder wird wirkungslos, ohne dass es einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf,
- ein nachfolgendes Urteil wird wirkungslos,
- eine etwa eingelegte Revision wird gegenstandslos,
- parallel anhängigen selbstständigen Nebenverfahren (z. B. einem Antrag auf Prozesskostenhilfe) wird faktisch die Grundlage entzogen.
Die Rücknahme einer Klage hindert den Kläger zwar grundsätzlich nicht, zum selben Streitgegenstand eine neue Klage zu erheben. Im finanzgerichtlichen Verfahren hat die Rücknahme einer fristgebundenen Klage (Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) anders als im Zivilprozessrecht jedoch den Verlust des Klagerechts zur Folge.
Klagerücknahme ist als Prozesshandlung unwiderruflich
Die Folgen einer einmal erklärten Klagerücknahme können nicht so einfach rückgängig gemacht werden. Die Rücknahme einer Klage ist nämlich als Prozesshandlung grundsätzlich unwiderruflich und kann auch nicht – etwa in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Anfechtung von Willenserklärungen – angefochten werden. Zwar sieht die Finanzgerichtsordnung (FGO) in § 72 Abs. 2 S. 3 ausdrücklich den Fall vor, dass in einem Steuerrechtstreit nachträglich die Unwirksamkeit einer Klagerücknahme geltend gemacht werden kann. Das betrifft aber nur Fälle, in denen rechtsunkundige Steuerpflichtige in unzulässiger Weise – etwa durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch unbewusste Irreführung – zur Abgabe einer Erklärung veranlasst worden sind.
Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Rücknahme eines Einspruchs. Diese kann ebenfalls grundsätzlich nicht widerrufen, zurückgenommen oder wegen Irrtums angefochten werden. Die Möglichkeit zum Widerruf einer Einspruchsrücknahme besteht nur, wenn der Widerruf dem Finanzamt spätestens zeitgleich mit der Rücknahmeerklärung zugeht. Den Nachweis über den rechtzeitigen Zugang des Widerrufs haben die Steuerpflichtigen zu erbringen. Eine Beweisführung hierüber stellt sich in der Regel eher als schwierig dar.
Bedeutung für die Praxis
Angesichts der grundsätzlich endgültigen Folgen der Rücknahme von Einspruch oder Klage ist es wichtig, dass sich Steuerpflichtige vorher über alle Folgen informieren. Gerade die verfahrenstechnische Rückwirkung dieser Handlung, die Auswirkungen auf andere Steuerbescheide und -verfahren haben kann, muss im Blick behalten und beurteilt werden können. Im Prozessrecht besteht auch noch die Möglichkeit einer Erledigungserklärung statt der Rücknahme.
Haben Sie Fragen oder weiteren Informationsbedarf?
Autor*innen
Bernd Schult
Tel.: +49 30 208 88 1340
Thuy Linh Nguyen
Tel.: +49 30 208 88 1021
Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 3/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.