EuGH prüft Steuerklassenprivileg für Stiftungen

Das Finanzgericht (FG) Köln hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 40 EWR-Abkommen vereinbar ist, dass die Errichtung einer Familienstiftung im Ausland nach deutschem Steuerrecht höher besteuert wird als die Errichtung einer Familienstiftung in Deutschland.

Einleitung 

Familienstiftungen haben bei der Gestaltung der Unternehmensnachfolge zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dabei geht es nicht nur um Familienstiftungen nach deutschem Recht, sondern auch um Familienstiftungen nach den Rechtsordnungen anderer Staaten. 

Im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht macht es einen erheblichen Unterschied, ob Vermögen auf eine deutsche Familienstiftung oder eine ausländische Familienstiftung übertragen wird. Für diese beiden Fallgestaltungen gelten unterschiedliche Steuerklassen, die für die Höhe der Freibeträge und der Steuersätze maßgeblich sind. Bei der Vermögensübertragung auf eine ausländische Familienstiftung kommt stets die mit der höchsten Besteuerung verbundene Steuerklasse III zur Anwendung, während es bei der Vermögensübertragung auf eine inländische Familienstiftung wegen der Berücksichtigung von Verwandtschaftsverhältnissen der Beteiligten regelmäßig zur Anwendung der günstigeren Steuerklassen I und II kommt. 

In dem vom FG Köln zu entscheidenden Fall ist eine rechtsfähige Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein Klägerin. Die Stiftung wurde von einer in Deutschland ansässigen Person nach liechtensteinischem Recht errichtet. Zweck der Stiftung ist die Förderung der gemeinsamen Nachkommen der Stifterin und ihres verstorbenen Ehegatten. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Vermögensübertragung auf die Familienstiftung der Steuerklasse I, II oder III unterliegt. Das zuständige Finanzamt vertritt die Auffassung, dass unabhängig von irgendwelchen Verwandtschaftsverhältnissen zwischen den Beteiligten per se die ungünstige Steuerklasse III angewendet werden muss. Dieses Ergebnis entspricht zwar dem deutschen Steuerrecht, könnte nach Auffassung des FG Köln aber gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen und damit europarechtswidrig sein.  

Vorlage beim EuGH 


Der EuGH hat nun zu entscheiden, ob es mit Art. 40 EWR-Abkommen vereinbar ist, dass bei der Errichtung einer Familienstiftung im Ausland stets die höchste Steuerklasse III zugrunde gelegt wird. Damit kommt es zu einer Benachteiligung der ausländischen Familienstiftungen im deutschen Steuerrecht gegenüber den nach deutschem Recht errichteten Familienstiftungen. Der EuGH dürfte insbesondere zu prüfen haben, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen. Als zwingender Grund wird unter anderem die Notwendigkeit anerkannt, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten. Dies ist der Fall, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht.  

Bedeutung für die Praxis 

Anders als im Gesellschaftsrecht besteht zur Anwendung der europäischen Grundfreiheiten auf Stiftungen noch viel Unklarheit. Durch das vom FG Köln angestoßene Verfahren hat der EuGH die Gelegenheit, erste grundlegende Pflöcke zur Anwendung des europäischen Rechts auf Stiftungen einzuschlagen. Sollte es dabei zu einem Gebot der Gleichbehandlung von Stiftungen kommen, unabhängig davon in welchem europäischen Staat sie errichtet wurden, würde dies für die Praxis viele neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Denn die rechtliche Ausgestaltung von Stiftungen ist in den europäischen Staaten sehr unterschiedlich geregelt, sodass es ganz unterschiedliche Typen von Stiftungen gibt. Eine steuerliche Gleichbehandlung würde es den Steuerpflichtigen damit ermöglichen, den für sie passenden Typus auszuwählen. Die anzuwendende Steuerklasse ist aber nur ein maßgeblicher Baustein. Bei der Auswahl sind noch viele andere wichtige Aspekte abzuwägen. 

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Autoren

Bernd Schult 

Ömer Ay

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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