FG Köln vom 17. Januar 2024 – 13 K 843/20: Ausschließlichkeitsgebot erstreckt sich auch auf Tätigkeiten im Ausland

Das Finanzgericht (FG) Köln hat in der Frage entschieden, ob eine ausländische Gesellschaft die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG in Anspruch nehmen kann. Das Gericht lässt jedoch nur die einfache Kürzung zu und weist die Klage im Hinblick auf die erweiterte Kürzung zurück, da die Klägerin im Ausland nicht ausschließlich begünstigte Tätigkeiten ausübt.

Hintergrund 

An die Stelle der sogenannten Einheitswertkürzung tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Das in dieser Vorschrift enthaltene Ausschließlichkeitsgebot stellt die Praxis regelmäßig vor immense Herausforderungen, da die Rechtsprechung diese Tatbestandsvoraussetzung in qualitativer, quantitativer wie zeitlicher und nun auch in örtlicher Hinsicht sehr streng auslegt. 

Sachverhalt 

Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der türkischen Rechtsform einer „Anonim Sirket“ (vergleichbar einer deutschen Aktiengesellschaft) mit Sitz in der Türkei. Die Gesellschaft hielt in Deutschland Vermietungsobjekte. In einer Immobilie nutzte die Gesellschaft Büroräume zu eigenen Zwecken (Büro eines Vorstandsmitglieds). Die von ihr in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten bestanden nach den Feststellungen der Betriebsprüfung ausschließlich in der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. In der Türkei ist die Klägerin im Baugewerbe tätig. 

Begründung des Gerichts 

Das FG Köln hat mit Urteil vom 17. Januar 2024 die sehr eng am Wortlaut des Gesetzes ausgerichtete Auslegungsweise fortgesetzt.  

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die türkische Gesellschaft der inländischen Gewerbesteuerpflicht unterlag, da sie einen Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG unterhielt (Kapitalgesellschaft nach Rechtstypenvergleich) und diesen u. a. durch eine Betriebsstätte in Deutschland betrieb (Nutzung der eigenen Büroräume durch Vorstand).  

Die erweiterte Kürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei nicht zu gewähren, da das Unternehmen nicht ausschließlich begünstigte oder daneben erlaubte Tätigkeiten ausübe. Nach Überzeugung des Senats sind nicht nur die im Inland ausgeübten Tätigkeiten, sondern auch die Aktivitäten im Ausland (Baugewerbe) für das qualitative Kriterium der erweiterten Kürzung zu berücksichtigen. 

Diese Ansicht begründet das Gericht insbesondere mit dem Wortlaut des Gesetzes. Eine Beschränkung hinsichtlich des Ausschließlichkeitsgebots nur auf den inländischen Teil der Tätigkeit des Unternehmens sei der Regelung nicht zu entnehmen.  

Außerdem würde im umgekehrten Fall nach Überzeugung des Gerichts unter Verweis auf eine Literaturmeinung (Roser in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 3 Rn. 2 f.), bei dem eine inländische Gesellschaft neben der Vermietung und Verwaltung eigenen Grundbesitzes auch ausländische Betriebsstätten-Einkünfte erzielt, die erweitere Kürzung ebenfalls verwehrt. Dies wäre auch der Fall, wenn die ausländischen Betriebsstätten-Einkünfte aufgrund abkommensrechtlicher Freistellungen nicht der inländischen Gewerbesteuer unterlägen.  

Darüber hinaus beziehe sich die erweiterte Kürzung auf den Begriff des „Unternehmens“. Dieser Begriff ist gleichbedeutend mit dem Begriff des „Gewerbebetriebs“ nach § 2 GewStG, und da die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft (wie hier) in vollem Umfang als gewerblich einzustufen ist (§ 2 Abs. 2 GewStG), befindet sich in diesem Umfang auch der ausländische Teil der Tätigkeit.  

Als weiteres Argument führt das Gericht an, dass eine inländische Kapitalgesellschaft die erweiterte Kürzung für Vermietungseinkünfte (auch) in Anspruch nehmen könne, die ausschließlich ausländische Grundstücke verwaltet (falls das Besteuerungsrecht durch Doppelbesteuerungsabkommen nicht dem Ausland zusteht).  

Abschließend begründet das Gericht die Entscheidung mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG: „Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.“ Daraus wird abgeleitet, dass bei Unternehmen im Sinne des GewStG zunächst jede Tätigkeit, unbeachtlich ob inländisch oder ausländisch berücksichtigt wird. Erst durch den Zusatz „soweit er im Inland betrieben wird“ wird eine Einschränkung auf einen Unternehmensteil vorgenommen. Diese Einschränkung ist eben nicht bei der erweiterten Kürzung in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu finden. 

Bedeutung für die Praxis 

Das Urteil befindet sich aktuell in der Revision (Az. XI R 7/24). Somit ist noch die Entscheidung des BFH abzuwarten. Erfahrungsgemäß orientiert sich der BFH in Bezug auf die erweiterte Kürzung jedoch ebenfalls am Wortlaut der Norm. Da der BFH die erweiterte Kürzung im Grunde als bloße Begünstigungsnorm ansieht, wurde in der Vergangenheit auch vom BFH eine sehr strenge Auslegung vorgenommen. Es ist somit zu erwarten, dass der BFH dem FG Köln folgt.  

Gleichwohl kann eingewendet werden, dass die Gewerbesteuer, anders als die Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer, dem Inlands- oder Territorialitätsprinzip unterliegt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 3 GewStG). Außer § 9 Nr. 3 GewStG beziehen sich die Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften der §§ 8 und 9 GewStG lediglich auf die Ermittlung des Ertrags aus dem Unternehmen, soweit es im Inland betrieben wird (vgl. Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 3 Rn. 2). Da für die Beurteilung die Einhaltung des Ausschließlichkeitsgebots in § 9 Nr.1 GewStG das FG Köln ausländische Tätigkeiten mit einbezogen hat, muss man feststellen, dass damit das Territorialitätsprinzip in der Gewerbesteuer durchbrochen wurde.   

Vor dem Hintergrund des Risikos, dass der BFH dem FG Köln folgen wird, bleibt es bei der Empfehlung, die Fälle in der Gestaltung gut zu planen. Entweder kann sichergestellt werden, dass keine Betriebsstätte in Deutschland begründet wird, oder man bedient sich einer inländischen Tochterkapitalgesellschaft, um zu verhindern, dass sich die Tätigkeiten der ausländischen Mutterkapitalgesellschaft auf das Ausschließlichkeitsgebot auswirken (Abschirmung). 

 

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Autor:

Max Ullenboom 

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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