Organschaft: neue EuGH-Vorlage zu Innenumsätzen, Rechtsprechungsänderung zur Stimmrechtsmehrheit

Nachdem der EuGH die beiden EuGH-Vorlagen „Finanzamt T“ und „Norddeutsche Diakonie“ entschieden hatte, ist die Frage nach der Steuerbarkeit von Innenumsätzen weiterhin offen. Was das Erfordernis der Stimmrechtsmehrheit für die finanzielle Eingliederung betrifft, passt sich der BFH an die EuGH-Rechtsprechung an.

Hintergrund: deutsche EuGH-Vorlagen zur Organschaft

In den Rechtssachen „Finanzamt T“ (C-269/20) und „Norddeutsche Diakonie“ (C-141/20) hat der EuGH am 1. Dezember 2022 entschieden, dass das deutsche Konzept der Organschaft grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar sei, auch wenn statt einer Mehrwertsteuergruppe der sogenannte Organträger Steuerpflichtiger ist.

Steuerbarkeit von Innenleistungen

Allerdings hat der EuGH die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen nicht so deutlich bestätigt, wie es wünschenswert gewesen wäre. Der V. Senat des BFH (Beschl. v. 26. Januar 2023 – V R 20/22 (V R 40/19)) legt den Fall „Finanzamt T“ daher erneut dem EuGH (C-184/23) vor.

Der BFH stellt dabei verschiedene Überlegungen an: Die Organschaft sei zu einer Zeit eingeführt worden, in der das Umsatzsteuersystem noch keinen Vorsteuerabzug vorsah, sodass steuerbare Innenumsätze zu einer Steuerkumulation innerhalb verbundener Unternehmen geführt hätten. Zudem könne der Vereinfachungszweck der Organschaft, nur eine einzige Steuererklärung abzugeben, trotz Steuerbarkeit von Innenumsätzen erreicht werden. Der Effekt der Vorsteueroptimierung durch Organschaft könne dagegen zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU führen, da nicht alle Mitgliedstaaten die Organschaft vorsehen.

Für den Fall, dass der EuGH Innenumsätze für steuerbar halte, stellt der BFH bereits jetzt fest, dass dies mit dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 UStG vereinbar sei.

Stimmrechtsmehrheit

Im Fall „Norddeutsche Diakonie“ hat der EuGH entschieden, dass die Stimmrechtsmehrheit von den Mitgliedstaaten für die finanzielle Eingliederung nicht gefordert werden darf.

Der BFH gibt daher seine bisherige Rechtsprechung für den Fall der fehlenden Stimmrechtsmehrheit einerseits ausdrücklich auf, betont aber an anderer Stelle, es sei doch „im Grundsatz“ daran festzuhalten. Es sei gerechtfertigt, eine Mehrheitsbeteiligung trotz Stimmrechten von nur 50 Prozent als lediglich schwächer ausgeprägte finanzielle Eingliederung anzusehen, wenn wie vorliegend Personenidentität in den Geschäftsführungsorgangen besteht. In dieser Konstellation könne der Organträger seinen Willen durchsetzen und mit seinen Stimmrechten eine abweichende Weisung durch die Gesellschafterversammlung verhindern.

Bedeutung für die Praxis

Was die mögliche Steuerbarkeit der Innenleistungen betrifft, kann kaum mehr getan werden, als das Ergebnis der neuen EuGH-Vorlage abzuwarten.

Wegen der geänderten Rechtsprechung hinsichtlich des Erfordernisses der Stimmrechtsmehrheit sollten Steuerpflichtige gesellschaftsrechtliche Strukturen mit mehreren Ebenen erneut auf den Prüfstand stellen. Unter Umständen besteht nun eine Organschaft, von der man zuvor mangels Stimmrechtsmehrheit nicht ausgegangen ist. Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO sollte geprüft werden.

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Autorin

Nadia Schulte
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 2/2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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