Variable Aufsichtsratsvergütungen führen nicht automatisch zur Selbstständigkeit

Im Fall „IO“ (C-420/18) hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds nicht selbstständig und damit nicht umsatzsteuerbar war, weil er kein unternehmerisches Risiko trug. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hatte daraufhin seinen Anwendungserlass (UStAE) so angepasst, dass Festvergütungen nicht steuerbar sind, variable Vergütungen hingegen schon. Nach dem aktuellen EuGH-Urteil „TP“ ist dies so pauschal nicht mehr haltbar.

Sachverhalt

TP war Mitglied des Verwaltungsrats einer luxemburgischen Aktiengesellschaft. Er erhielt dafür gewinnabhängige Tantiemen und einen Pauschalbetrag. Verwaltungsräte gehen keine persönlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein.

EuGH: keine selbstständige Tätigkeit ohne wirtschaftliches Risiko

Geprüft wurde zunächst die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit. Bei einer sechsjährigen Amtszeit sei von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen, auch wenn eine jederzeitige sofortige Abberufung möglich sei. Die Nachhaltigkeit der Tantieme hänge aber davon ab, dass sie auch gezahlt werde, wenn die Gesellschaft keine Gewinne erzielt habe.

Die Selbstständigkeit der Tätigkeit müsse das vorlegende Gericht wie folgt prüfen:

  • TP muss die Modalitäten der Ausübung seiner Arbeit frei regeln können.
  • Er darf in keinem hierarchischen Unterordnungsverhältnis stehen. Dass es TP freistand, dem Verwaltungsrat Vorschläge und Ratschläge zu unterbreiten, sei ein Indiz gegen ein Unterordnungsverhältnis.
  • Er muss im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln. Dass vorliegend die Verteilung der Verantwortlichkeiten mit der in einem Arbeitsverhältnis vergleichbar sei, spreche dagegen.
  • TP muss ein eigenes wirtschaftliches Risiko tragen. Dies scheint dem EuGH hier nicht der Fall zu sein, da nicht TP selbst, sondern nur die Gesellschaft eventuelle negative Folgen der Entscheidungen von TP tragen muss, insbesondere, da nach nationalem Recht keine persönliche Haftung bestehe. Die Gewinnabhängigkeit der Tantieme ändere nichts, weil die Partizipation am Gewinn der Gesellschaft nicht mit einem eigenen Gewinn- und Verlustrisiko gleichgesetzt werden könne. Für einen gewinnunabhängigen Pauschbetrag gelte dies erst recht.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil dürfte auf deutsche Aufsichtsräte übertragbar sein.

Für die Finanzverwaltung gilt bisher: Bei einer variablen Vergütung ist das Aufsichtsratsmitglied selbstständig und damit unternehmerisch tätig, bei einer festen Vergütung nicht, Abschn. 2.2 Abs. 3a UStAE. Dies dürfte so pauschal nicht mehr haltbar sein, da demnach auch eine variable Vergütung die Selbstständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht automatisch indiziert. Das Aufsichtsratsmitglied muss vielmehr auch das Verlustrisiko der Gesellschaft mittragen.

Durch diese Rechtsprechung werden mehr Aufsichtsräte aus der Unternehmereigenschaft herausfallen. Damit entfällt ihr Vorsteuerabzug. Für Gesellschaften, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist dies hingegen günstig, weil sie von den Aufsichtsrät*innen keine Rechnung mit Umsatzsteuer mehr erhalten.

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Autorin

Nadia Schulte
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 1/2024. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen oder weitere Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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